Sieben Fragen an Henning Brekenkamp

Henning Brekenkamp veröffentlichte den Thriller ›Die Jagd auf Hitlers Schädel‹

Henning Brekenkamp, geboren 1975 in Bielefeld, verbrachte seine Studienzeit in Passau und während eines Auslandssemesters in Vietnam. Nach seinem Politikstudium war er in der ZDF-Redaktion Zeitgeschichte tätig. Durch seine Arbeit an TV-Dokumentationen begann der Autor sich für ungelöste Fälle und Mysterien der NS-Zeit zu interessieren und zog viel Inspiration aus der täglichen Arbeit mit Zeitzeugenberichten und -interviews. Seit 2008 ist er bei 3sat tätig und seit 2013 Chef vom Dienst für 3sat und ZDFkultur.

Im Gmeiner-Verlag veröffentlichte der Autor seinen Debütroman ›Die Jagd auf Hitlers Schädel‹. Henning Brekenkamp ist seit 2012 verheiratet und lebt mit seiner Frau in Frankfurt am Main.

Für Kriminetz beantwortete Henning Brekenkamp sieben Fragen.

Kriminetz: Du hast dich eine ganze Weile mit dem Stoff für ›Die Jagd auf Hitlers Schädel‹ beschäftigt. Was war der Auslöser für diese intensive Beschäftigung über drei Jahre hinweg?

Henning Brekenkamp: Auslöser war definitiv meine Arbeit in der ZDF-Zeitgeschichte und die vielen Interviews mit Zeitzeugen, die wir damals in der Redaktion für TV-Dokumentationen geführt haben. Bei den Gesprächen ist mir immer wieder aufgefallen, dass es denjenigen Generationen, die den Krieg nicht erlebt haben, unmöglich ist nachzuempfinden, wie grausam das Leben im Krieg damals wirklich war. Ich habe mir dann versucht vorzustellen, wie es wäre, wenn es Menschen wie mir, denen an nichts mangelt, die Verfolgung, Hunger, Krieg und Todesangst nicht kennen, plötzlich mit dem Naziterror von damals konfrontiert werden. Die Vorstellung den echten Schädel Adolf Hitlers in den Händen zu halten, also quasi Hautkontakt zu demjenigen aufzunehmen der 50 Millionen Menschen mit in den Abgrund riss, ist beängstigend. Erst wenn man etwas berührt verliert es das Abstrakte und wird real.

Kriminetz: Hitlers Schädel wird im Roman durch die Kanalisation gerettet, sozusagen durch die Eingeweide der Stadt. Klingt irgendwie nach einer Metapher für den Weg der „Reliquie“, die Marie Knecht für die Neonazi-Vereinigung unbedingt an sich bringen will?

Henning Brekenkamp: Die Beschreibung der Kanalisation war definitiv das Aufwendigste, da ich die nicht fiktiv gestalten wollte. Gemeinsam mit den Berliner Abwasserbetrieben, dem Museum im Wasserwerk am Müggelsee, dem Berliner Landesarchiv und Militärhistorikern aus Freiburg haben wir quasi eine Machbarkeitsstudie durchgeführt. Basierend auf Berichten damaliger SS-Soldaten, die im Kessel von Berlin gekämpft haben, haben wir versucht einen realistischen unterirdischen Weg durch die Kanalisation zu finden, mit dem man unerkannt von der ehemaligen Reichskanzlei bis zur Berliner Stadtgrenze flüchten kann. Alles was im Buch beschrieben ist existiert selbst heute noch. Auch das dazu notwendige Kartenmaterial der Kanalisation, der sogenannte „Hobrecht Atlas“ ist keine Fiktion. Ein letztes Exemplar liegt heute im Berliner Museum im Wasserwerk. Die Geschichte des Romans handelt nicht nur in der Vergangenheit, sondern auch in der Gegenwart. Angesichts der laufenden NSU-Prozesse, wird im Buch eine im Untergrund agierende Neonazi-Gruppierung thematisiert, deren Ziel es ist Hitlers Schädel wiederzufinden und ihn zu einer Reliquie für eine immer noch existente SS zu erheben. Die Figur der Marie Knecht ist die Gegenspielerin des Hauptprotagonisten Markus Weidenthal. Sie ist es letztlich, die Markus die ganze Grausamkeit der SS-Ideologie in der heutigen Zeit spüren lässt.

Kriminetz: Im Roman entdeckt Praktikant Markus Weidental im Archiv des ÖRF ein Tagebuch. Hast du selbst auch in deiner Anfangszeit beim ZDF im Archiv Brisantes gefunden?

Henning Brekenkamp: Ja, in meiner Zeit in der Redaktion Zeitgeschichte haben wir zwar nicht im ZDF-Archiv, aber in amerikanischen Archiven tatsächlich brisante Dokumente und Informationen gefunden, die auch noch nicht veröffentlicht sind. Ich bin allerdings kein Freund von Verschwörungstheorien und will diesen hier gleich vorbeugen. Die Nazis hatten keine UFOs oder Ähnliches. Aber in der Tat haben wir belegbare Hinweise gefunden, dass die SS und Wehrmacht in einigen Bereichen der Atomwaffenentwicklung weiter waren als bisher bekannt und vermutet.

Kriminetz: Du erzählst deinen Roman in mehreren Zeitsträngen. Hast du am Stück an den jeweiligen Ebenen geschrieben?

Henning Brekenkamp: Nein, ich liebe die Abwechslung, daher habe ich Kapitel für Kapitel geschrieben und nicht erst den einen Zeitstrang und dann den anderen. Ich habe bewusst die Zeitebenen immer im Kapitelwechsel geschrieben um die Lebensumstände der beiden Hauptprotagonisten direkt zu spiegeln. Auf der einen Seite haben wir in der Gegenwart Markus Weidenthal. Aus reichem Hause stammend, fehlt es ihm an nichts. Sein einziges Problem ist es lediglich, zum ersten Mal in seinem Leben als Praktikant arbeiten zu müssen. Gewalt oder die Angst um sein Leben fürchten zu müssen kennt er schlicht nicht. Andererseits haben wir in der Vergangenheit Friedrich Diehl, einen gleichaltrigen fanatischen SS-Untersturmführer, der über den Tod Hitlers hinaus bereit ist sein Leben für eine untergehende nationalsozialistische Weltanschauung zu geben. Der Tod und das Töten gehören für ihn zum Alltag. Nur 70 Jahre voneinander getrennt, leben beide in gänzlich unterschiedlichen Lebenswelten, haben aber dennoch vergleichbare Wünsche, Träume und Sorgen. Bei beiden geht es dabei um auch um Liebe, Elternhaus und Zukunft.

Kriminetz: Die Figur Friedrich ist in einem „seelenfressenden pfälzischen Dorf“ aufgewachsen und träumt davon, seiner Freundin Charlotte, der er auch sein Tagebuch widmet, ein anderes Leben zu bieten. Engt Kleinheit nur ein oder könnte sie nicht auch ein besonderer Ort der Geborgenheit sein?

Henning Brekenkamp: Beides! Neben meiner Tätigkeit beim ZDF und dem Hobby Romane zu schreiben, verfasse ich auch Artikel für die Zeitschrift „Landlust“. Das Phänomen, zurück zur Natur auf das Land zu kehren, zurück zum Natürlichen und zur inneren Ruhe zu finden ist in unserer getriebenen Gesellschaft nicht zu unterschätzen. Was viele nicht wissen, ist das die Auflage von „Landlust“ mit über 1 Million weit über zum Beispiel der des Spiegels oder des Sterns liegt. Das Leben auf dem Land kann diese von vielen ersehnte Geborgenheit, Entschleunigung und Simplifizierung des Lebens heute sicherlich bieten. Ob das aber auf die konservative und streng katholische Gesellschaft ländlicher Gebiete der 20er und 30er Jahre zutraf bezweifle ich sehr. Die Perspektivlosigkeit vieler junger Männer mit wenig Bildung aus ländlichen Gebieten war ein wesentlicher Antrieb in die SS einzutreten. Die SS bot schnelle Aufstiegschancen und war daher für viele eine attraktive Alternative. Ohne die jungen Männer von damals in Schutz zu nehmen oder ihre Verbrechen zu versuchen in irgendeiner Weise zu rechtfertigen oder zu relativieren, wussten viele allerdings anfangs nicht worauf sie sich bei der SS einließen.

Kriminetz: Du hast den Großteil deiner Studienzeit – neben einem Auslandssemester in Vietnam, in Passau verbracht, dem „Bayerischen Venedig“. Wohnst du immer noch gerne an Flüssen?

Henning Brekenkamp: Passau kann ich als Universitätsstadt nur empfehlen, da sie überschaubar ist. Der persönliche Kontakt zu Professoren/innen und Dozenten/innen noch selbst heute noch möglich und es werden großartige Studienangebote geboten Und es stimmt, ich mag große Gewässer, ob Fluss, Meer oder See ist dabei egal.

Kriminetz: Der Unterschied zu dem Leben in Vietnam und dem in Deutschland - was ist dir am meisten in Erinnerung geblieben?

Henning Brekenkamp: Mit wie wenig der Mensch auskommen und dennoch glücklich sein kann. Und ich bin noch heute von der Improvisations- und Anpassungsfähigkeit der Vietnamesen beeindruckt. Davon habe ich viel gelernt und versuche noch heute in schwierigen Situationen eine vietnamesische Lösung zu finden, die oft einfacher, aber auch besser ist.

Vielen Dank, Henning Brekenkamp, für die Beantwortung der sieben Fragen.

Zur Website von Henning Brekenkamp