Sieben Fragen an Holger Karsten Schmidt

Das Foto zeigt Holger Karsten Schmidt.

Holger Karsten Schmidt schreibt Drehbücher und Romane. Er war Dozent für Drehbuch an der Filmakademie Baden-Württemberg, an der er nach einem Studium der Germanistik und Politik in Mannheim auch selbst studiert hat. Zahlreiche Vorlagen für Filme entstammen seiner Feder. Er schrieb neben anderen auch Drehbücher zu Polizeiruf 110 und Tatort. Die Kommissare Lannert und Bootz (Richy Müller und Felix Klare) hat er für den Südwestrundfunk entwickelt.

Im Sommer 2013 wurde in Ladenburg der sozialkritische Film Ein todsicheres Ding mit Richy Müller gedreht, Kriminetz war bei den Dreharbeiten dabei. Im Film setzt sich ein Handwerker zur Wehr gegen die übermächtige Bank.
Mord in Eberswalde, für das Holger Karsten Schmidt, das Drehbuch schrieb, ist für den Adolf-Grimme-Preis 2014 nominiert worden. Bereits fünf Filme, für die Schmidt das Drehbuch schrieb, waren für den renommierten Grimme-Preis nominiert, für Mörder auf Amrum erhielt er ihn. Holger Karsten Schmidt erhielt noch weitere zahlreiche Preise, neben anderen den Baden-Württembergischen Drehbuchpreis 2004 für Der kleine Frieden im großen Krieg.
Im Jahr 2011 erschien sein historischer Roman Isenhart bei Kiepenheuer und Witsch. Voraussichtlich im Herbst 2015 erscheint sein Thriller Auf kurze Distanz (Arbeitstitel) bei Rowohlt Polaris.

Für Kriminetz beantwortete Holger Karsten Schmidt sieben Fragen.

Kriminetz: Wussten Sie schon zu Beginn Ihrer Arbeit am Drehbuch, dass Richy Müller die Hauptrolle in „Ein todsicheres Ding“ spielen wird und hatten ihn somit beim Schreiben „vor Augen“ oder haben sie die Rolle für eine fiktive Figur in Ihrem Kopf geschrieben?

Holger Karsten Schmidt: Nein, das war eine fiktive Figur. Als es dann nach der 2. Drehbuchfassung um die Besetzung ging, war Richy Müller einer der ersten Vorschläge.

Kriminetz: Richy Müller geht im Film mit einer Knarre in die Bank, die ihn um seine Existenz gebracht hat. Im Gegensatz zum Verhalten des Handwerkers ist das amoralische Verhalten der Bank im Film, die ihn um seine Existenz gebracht hat, in unserem Rechte-System als legal definiert. Eine „leichte“ Schieflage?

Holger Karsten Schmidt: Das ist ein sehr komplexes Thema, ich versuche es es mit ein paar Aspekten: Die Bank von heute ist eben nicht mehr nur der sichere Aufbewahrungsplatz für unser Geld. Sie will an uns verdienen, entweder über Kredite, die wir abbezahlen oder über Finanzprodukte, die man uns aufschwatzt - weswegen die Mitarbeiter bisweilen wie in einer Drückerkolonne darauf getrimmt werden, uns diese Sachen anzudrehen.
Sie bedient allerdings auch die allgemeine Gier eines jeden Einzelnen, der nach mehr Rendite schreit. Das mag natürlich keiner von uns, der ein paar tausend Euro auf die hohe Kante gelegt hat, so direkt gesagt bekommen.

Die Figur von Richy Müller ist eine von vielen tausend Bauernopfern, die es in unserem Land ganz real gibt und die für die Gier der Anleger und Bankvorstände bluten müssen.

Kriminetz: Lannert und Bootz, die Kommissare im Stuttgarter Tatort, haben nichts schwäbisch-behäbiges wie ihr Vorgänger Bienzle an sich, den man regional gut verorten konnte. War das eine gezielte Entscheidung?

Holger Karsten Schmidt: Das war eine Entscheidung des SWR. Es sollte urbaner und moderner zugehen und auch etwas flotter erzählt werden.
Als gebürtigem Hamburger, der hier im Süden auch mal als „Muschelschubser“ tituliert wird, kam mir diese Vorgabe bei den Dialogen entgegen.

Kriminetz: Wie viel Freiheit haben Sie beim Schreiben eines Drehbuchs? Wie eng ist der vorgegebene Rahmen?

Holger Karsten Schmidt: Das wird mit jedem Buch neu verhandelt.

Wenn eine wahre Begebenheit zugrunde liegt, ist klar, dass man sich aus Respekt vor den Beteiligten aber auch wegen des Anspruchs an die Authentizität an die Fakten hält, etwa bei „In Sachen Kaminski“. Hier verdichte ich und spitze zu, ohne das, was ein Dozent von mir während meines Studiums als die „innere Wahrheit“ bezeichnet hat, zu verletzen.

Für einen Film um 20:15 Uhr, was bei mir den Regelfall darstellt, muss ein Buch in allen Belangen dem Jugendschutz entsprechen und wird diesbezüglich auch überprüft. Ein Drehbuch darf einen 12-Jährigen also in keinerlei Hinsicht überfordern.

Er ist außerdem natürlich vom Budget gedeckelt. Mit einem Tatort-Etat hätte man sich vermutlich rund viereinhalb Minuten Schießerei aus „Heat“ leisten können - ohne die Stars, natürlich.

Zusätzlich reden insgesamt ein paar Leute mit – der Produzent, der Producer, der Dramaturg, der Regisseur, der Redakteur, der Redaktionsleiter, der Fernsehspielchef, der Herstellungsleiter, manchmal Schauspieler, und wenn man Pech hat auch die Geliebte des Redakteurs. Es ist bisweilen nervenaufreibend, da eine klare Handschrift in Handlung, Figurenzeichnung und Dialog zu bewahren.

Manchmal ist das Vertrauen der Verantwortlichen aber auch riesig und die Vorgaben tendieren gegen Null. Die Redakteurin Gabi Heuser vom ZDF fragte mich nach einem erfolgreichen gemeinsamen Film, was ich denn mal gerne erzählen würde, wenn ich dürfte. High Noon auf einer Insel mit einem Feigling als Hauptfigur und mit einem Haufen schräger Typen, das war meine Antwort. Dann schreib’ mal, sagte sie. Entstanden ist aus dieser Verabredung „Mörder auf Amrum“, mit dem wir beide sehr zufrieden sind.

Kriminetz: Wie sähe der Film aus, für den Sie absolute Freiheit hätten und das Budget keine Rolle spielen würde?

Holger Karsten Schmidt: Wie viele Seiten hab ich zur Verfügung? Es wäre eine nicht enden wollende Liste, die sich aber vor allem um eines nie scherte: Bedenken.

Kriminetz: Sie haben eine Menge Drehbücher geschrieben. Es ist völlig anders, als einen Roman zu schreiben. Was macht den Reiz für Sie aus, erneut einen Roman zu schreiben und möchten Sie ein wenig verraten, worum es darin geht?

Holger Karsten Schmidt: Reize gibt es mehrere.
Anders als beim Film kann ich meinen Figuren in die Köpfe schauen, ich kann punktgenau benennen, was sie denken und was sie fühlen.
Keinerlei Etatgrenze behindert mich. In „Isenhart“ habe ich einen meiner Helden mit Barbarossa und einer Landstreitmacht von 100.000 Rittern und Gefolge losziehen lassen – jeder Produzent hätte mich dafür erschossen (zu Recht).

Der Roman eröffnet die Chance, dort zu vertiefen, wo es für die Handlung, die Figuren, das Verständnis erforderlich ist – das Drehbuch muss nach 90 Minuten erzählt sein, über Denkanstöße kommt man da selten hinaus.

Am schönsten ist aber, dass einem niemand reinredet. Diese Freiheit unbezahlbar.
Deswegen habe ich auch mit den Vorarbeiten zum 3. Roman begonnen.

In meinem zweiten Roman „Auf kurze Distanz“ geht es um einen Verdeckten Ermittler, den das Hamburger LKA in einen Clan einschleust, der im Bereich der Organisierten Kriminalität operiert. Den Bereich selbst möchte ich hier nicht nennen, er ist neu und wurde bisher weder in Romanen noch im Film thematisiert.
Für Fragen standen mir ein investigativer Journalist und der ehemalige Leiter von Verdeckten Ermittlern des Hamburger LKA zur Verfügung.
„Auf kurze Distanz“ wird 2014 parallel für den WDR verfilmt und voraussichtlich 2015 ausgestrahlt.

Kriminetz: Im nächsten Jahr erscheint ihr zweiter Roman bei Rowohlt. Als Schreiber von Drehbüchern lebt man als Autor eher im Verborgenen, die wenigsten Menschen, die einen Film anschauen, kennen vermutlich das Gesicht des Drehbuchautors. Freuen Sie sich auf Lesungen aus Ihrem Roman, bei denen Sie dann auch selbst präsent sein werden, Begegnungen mit ihrem Publikum haben und Reaktionen auf Ihren Text unmittelbar erhalten?

Holger Karsten Schmidt: Ich mache keine Lesungen, weil ich vor Publikum ungerne rede – das wäre für die Zuhörer wie für mich eher kein Vergnügen.

Ansonsten habe ich mich über jedes Feedback, das ich für Filme oder auch „Isenhart“ vom Zuschauer / Leser direkt erhalten habe, sehr gefreut.

Vielen Dank, Holger Karsten Schmidt, für die Beantwortung der sieben Fragen.

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