Sieben Fragen an Jennifer B. Wind

Das Foto zeigt die Schriftstellerin Jennifer B. Wind © Jennifer B. Wind

Jennifer B. Wind wurde 1973 in Leoben geboren und wohnt mit ihrer Familie bei Wien. Die ehemalige Flugbegleiterin schreibt Romane für Jugendliche und Erwachsene, Drehbücher und Kurztexte. Zahlreiche Kurzgeschichten, Ratekrimis, Rezensionen und Gedichte hat Jennifer B. Wind in Literaturzeitschriften, Zeitungen, Anthologien und Magazinen veröffentlicht. Ihre Texte wurden bereits mit mehreren Preisen ausgezeichnet. Sie ist auch als Rezensentin und Jurorin tätig und führt eine erfolgreiche Bücherkolumne im Blog-Stil auf dem online Portal der Frauenzeitschrift WOMAN. In ihrer spärlichen Freizeit liest, taucht, klettert, walkt, zeichnet oder malt sie. Umwelt- und Tierschutz ist ihr Steckenpferd. Sie startet stets gutgelaunt mit Yoga, Qi Gong und grünen Smoothies in den Tag.

In der Edition M hat Jennifer B. Wind sehr erfolgreich ihre neue Thriller-Reihe um Richard Schwarz gestartet.

Auszeichnungen: Young Medien Star 2014, 1. Platz beim Totenschmaus Kurz-Krimipreis 2013, Nominiert für den Liese Prokop Preis 2012, 1. Platz beim »Zeilen.lauf«, Literaturwettbewerb 2011, 2. Platz beim Broilerbar Kurzkrimiwettbewerb, Nominiert für den Wiener Krimipreis 2010.
Sie ist bei den »Mörderischen Schwestern«, bei den österreichischen Krimiautor/innen und im »Syndikat«.

Für Kriminetz beantwortete Jennifer B. Wind sieben Fragen.

Kriminetz: Du hast bei Edition M. eine neue Thriller-Reihe gestartet, Band eins heißt »Die Maske der Gewalt“. Wie kam dein Ermittler Richard Schwarz zu dir? Wie hattest du die Idee für ihn?

Jennifer B. Wind: Er war einfach eines Tages da, besser gesagt eines Nachts. Es ist schon einige Jahre her, da habe ich von ihm geträumt. Noch bevor mein erster Roman auf den Markt kam, war Richard schon da. Damals wusste ich noch nicht genau, was ich mit ihm machen werde, nur dass ich ihn sofort ins Herz schloss und seine ganze Geschichte irgendwann einmal aufschreiben möchte. Dass er einmal die Hauptfigur in einer Thriller Serie werden würde, wusste ich nicht. Aber nach und nach haben sich andere Figuren dazu gesellt und das ganze Setting, das natürlich vor allem durch Richard bestimmt wird. Übrigens liebe ich Masken, bei mir hängen einige an den Wänden und ich liebte auch immer die Maskierung. Ich habe mich schon als Kind sehr gern verkleidet. Eine Maske ist auch ein sehr starkes Symbol und in der Serie ist die Maske eine Metapher für einiges. Das merkt man dann auch beim Lesen. Und diese Frage, was passieren muss, damit die Maske eines Menschen fällt, hat mich immer schon fasziniert und der gehe ich auch nach.

Kriminetz: Richard Schwarz hat seine Mutter durch einen grausamen Mord verloren und selbst schlimme Brandverletzungen erlitten. Fällt es dir schwer, solche Szenen auszuarbeiten?

Jennifer B. Wind: Ich kann mich extrem gut in Charaktere hineinversetzen, die leiden oder gelitten haben, was bestimmt zum Großteil an meiner eigenen Geschichte liegt. Deshalb ist es für mich und alle, die mich gut kennen, wenig überraschend, dass mir diese Szenen am leichtesten fallen. Ich nage viel länger an humorvollen Szenen oder an den Ermittlerszenen. Inneneinsichten, Monologe, Dialoge und Dramatik fließt bei mir einfach aus den Fingern. Zudem habe ich grundsätzlich ein Faible für Charaktere, die vielschichtig sind. Ich schreibe das Buch auch nicht linear, sondern die Teile, die eine Person quasi im Close up zeigen an einem Stück. In der Zeit schlüpfe ich komplett in die Haut der Figur und verschmelze mit ihr. Im Falle von Richard Schwarz, bzw. den Passagen, die in seiner Vergangenheit spielen, sehe ich die Figur nicht, sondern bin selbst dieser sechsjährige Junge, sehe durch seine Augen, fühle seinen Schmerz und seine Trauer, rieche was er riecht und weine, wenn er weint. Ich nenne das auch gern Method Writing. (nach der Methode Method Acting aus der Schauspielerei)

Kriminetz: »Die Maske der Gewalt“ hat es bereits im Erscheinungsmonat drei Mal auf die Bild-Bestseller-Liste geschafft. Hättest du mit diesem Erfolg gerechnet?

Jennifer B. Wind: Das kann man nie. Die Vergangenheit hat mich einiges diesbezüglich gelehrt. Egal wie viel man an einem Buch arbeitet und egal wie viel Herzblut drin steckt, man hat nie die Garantie, dass das auch gewürdigt wird. Manchmal hat man zwar die richtige Geschichte, aber zur falschen Zeit bearbeitet, oder die Umstände passen einfach nicht. Das kann man nicht vorhersehen und auch Erfolg lässt sich nicht planen.
Und deshalb bin ich sehr dankbar und auch äußerst demütig, dass das Buch viele Leser/innen gefunden hat und ich habe mich natürlich auch riesig darüber gefreut.
Gerade heutzutage, wo sich der Buchmarkt ständig ändert und immer mehr Bücher immer weniger Leser/innen gegenüber stehen, ist das ein Geschenk. Ich hoffe einfach, dass ich noch viele Bücher schreiben und veröffentlichen darf, und dass sie genauso gern gelesen werden und meine Figuren ihre Fans finden.

Kriminetz: Band zwei ist bestimmt bereits in Arbeit, nicht wahr? Magst du ein ganz klein wenig aus dem Nähkästchen plaudern, was deine Leserinnen und Leser erwartet?

Jennifer B. Wind: Band 2 ist sogar schon fertig und liegt bereits im Lektorat :-). Aktuell plotte ich schon Band 3 und ein paar andere Projekte sind auch in Arbeit. Band 2 ist noch ein bisschen gruseliger, es gibt einen neuen Fall, der in den Bereich der Medizin führt und Richards Dämonen kommen näher. Wie nah kann ich noch nicht verraten, nur dass ich dem Wunsch meiner Leser/innen aus der Leserunde entsprochen habe und deshalb eine Figur aus Band 1 wieder einen skurrilen und sehr wichtigen Auftritt bekommt, bei der sie ganz in ihrem Element ist...Poldi Böckinger kommt zurück *G*

Kriminetz: Gibt es einen Ort, an den zu dich zum Schreiben zurückziehst?

Jennifer B. Wind: Leider nicht mehr. Ich hatte früher ein Schreibzimmer und meine Töchter haben sich ein gemeinsames Zimmer geteilt. Das ging bis vor zwei Jahren gut, aber dann nicht mehr. Jetzt habe ich nur noch eine kleine Ecke im Wohnzimmer, von Ruhe kann da kaum die Rede sein ;-)

Kriminetz: Was erwartet die Gäste deiner Lesungen?

Jennifer B. Wind: Das kommt auf die Veranstaltung oder den Veranstalter an und auf die Zeit, die ich für die Lesung habe. Das reicht von einer einfachen Wasserglas-Lesung, über szenische interaktive Hörspiellesungen mit Kolleg/innen bis hin zur beliebten „One-Woman-Krimi-Show“ mit kabarettistischen Einlagen, Mitmachteil und Kostümwechsel :-)
Bei der neuen Serie zaubere ich sogar, weil es gut dazu passt. Gibt es genug Zeit und vor allem Budget, komme ich auch gern mit Musikern oder anderen Künstlern, die dem Abend eine zusätzliche Würze geben. Ich trete auch sehr gern in besonderen Locations auf. 2020 ist zum Beispiel eine Lesung in einem Schwimmbad fixiert. Ich lese unheimlich gerne und freue mich immer über viel Interaktion mit dem Publikum und die Gespräche danach. Das sind schon Highlights für mich. Denn das Schreiben an sich ist ja relativ einsam. Lesungen sind das Sozialleben für uns Autor/innen. Ich bereite mich stets sehr ausgiebig darauf vor und häng mich voll rein. Nach einer Lesung wiege ich immer 2 kg weniger *lach* hätte ich also jede Woche 2 Lesungen, wäre ich dünn wie ein Zahnstocher *G*

Kriminetz: Du hast viele Jahre als Stewardess gearbeitet. Gibt es etwas, das Fliegen und Schreiben gemeinsam haben?

Jennifer B. Wind: Diese Frage hat mir noch nie jemand gestellt und je mehr ich darüber nachdenke, umso mehr fällt mir auf, dass es viele Gemeinsamkeiten gibt. Da wäre zum Beispiel die Ungewissheit: Jeden Tag steigt man ins Flugzeug ein, ohne zu wissen, was passieren, welche Menschen man treffen und ob etwas passieren wird, das dein Leben verändert. Genauso wie man bei jedem neuen Buch nicht weiß, ob es die Leser/innen mögen, oder ob man einen Verlag dafür erwärmen kann und ob es dein Leben verändert-.

Geduld: Die braucht man beim Schreiben und Veröffentlichen genauso wie bei manchen Passagieren ;-)

Disziplin: In der Fliegerei ist es wichtig diszipliniert alle Seine Sachen in Ordnung zu haben, sich perfekt vorzubereiten und immer pünktlich zu erscheinen.
Beim Schreiben gibt es Abgabetermine, Lesungen für die man sich vorbereiten sollte und eine gewisse Disziplin, sich jeden Tag hinzusetzen und zu schreiben.

Freude: Sowohl die Fliegerei als auch das Schreiben erfüllt mich mit viel Freude und macht auch den Menschen mit denen man zu tun hat Freude: Dort die Passagiere, die in den Urlaub fliegen und hier die Leser/innen, die in deine Bücherwelt eintauchen.

Eine gewisse Furchtlosigkeit gehört auch dazu und Vertrauen. Vertrauen, dass alles gut geht bei der Fliegerei und Vertrauen in den Rest der Crew und beim Schreiben Vertrauen in seine eigene Fähigkeiten und Vertrauen gegenüber allen, mit denen man es zu tun hat: Lektor/innen, Verleger, etc.

Aber über allem steht die LIEBE.
Ich habe das Fliegen geliebt. Ich bin komplett darin aufgegangen und konnte es nie erwarten, endlich wieder in ein Flugzeug zu steigen und fremde Länder zu bereisen. Ich habe diesen Beruf mit all seinen Facetten aufrichtig geliebt.

Und ich liebe Geschichten, egal ob als Buch, Film oder Theaterstück. Diese Liebe zu den Geschichten hat dazu beigetragen, dass ich mit knapp fünf Jahren schon lesen konnte. Ich wollte wissen, was in den Büchern steht und nicht warten müssen, bis mir jemand vorliest. Mit 7 Jahren habe ich selbst Geschichten erfunden. Ich habe es unter anderem auch geliebt, wenn ältere Leute, Geschichten erzählt haben, zum Beispiel von ihren Erlebnissen. Ich bin immer an den Lippen von guten Erzählern gehangen, wie einem meiner Geschichte Lehrer. Von Historie war ich total fasziniert und auch der Urgeschichte, der Bibel. Ich habe mich gern davon treiben lassen, in fremde Länder, zu fremden Menschen und habe mir vorgestellt, ich wäre das in dem Buch und würde erleben, was sie erleben. Ich liebe es, mir Geschichten auszudenken.
Deshalb habe ich wohl auch beide Berufe früh miteinander verbunden. :-)
Ich hatte zu jedem Langstreckenflug meine Kofferschreibmaschine dabei (später einen Laptop). Wenn ich nach Sydney oder Miami flog, war der halbe Koffer von Wien aus leer, damit ich dort Bücher einkaufen konnte. Anstatt mit den anderen zur Pediküre zu gehen oder zu shoppen, habe ich ganze Tage in Bibliotheken und Buchhandlungen verbracht und statt am Pool war ich am Zimmer und hab getippt. Anstatt mit der Crew irgendwo chic essen zu gehen, habe ich mir am Zimmer eine Tütensuppe gemacht und das Geld verwendet, um in die Oper oder in ein Theater zu gehen. Aber bei den LGBT Partys und Clubbings war ich dann doch immer dabei. :-) Ich war ganz bestimmt eine der seltsamsten und nerdigsten Flugbegleiterinnen ever. *GG*

Kriminetz: Vielen Dank, Jennifer B. Wind, für die Beantwortung der sieben Fragen.

Jennifer B. Wind: Vielen Dank für die tollen Fragen und die Einladung zum Interview, es hat Spaß gemacht.

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Jennifer B. Wind signiert ihren Thriller "Die Maske der Gewalt". © Jennifer B. Wind