Sieben Fragen an Jens Schäfer

Jens Schäfer hat im Folio Verlag das Buch "Total alles über den Schwarzwald" veröffentlicht. Foto: © Folio Verlag

Jens Schäfer, geboren und aufgewachsen im Südschwarzwald, lebt in Berlin, wo er Drehbücher für Krimis, Romane und Sachbücher schreibt. Er ist Autor der »Gebrauchsanweisung für den Schwarzwald« und Dozent für Dramaturgie und Kreatives Schreiben an verschiedenen Hochschulen in Berlin. Plagt ihn Heimweh, trifft er sich mit Landsleuten auf ein Tannenzäpfle in den Schwarzwald-Stuben in Berlin-Mitte.

Aktuell ist im Folio Verlag sein Buch "Total alles über den Schwarzwald« erschienen.

Für Kriminetz beantwortete Jens Schäfer sieben Fragen.

Kriminetz: Hängt in Ihrer Berliner Wohnung eine Schwarzwälder Kuckucksuhr?

Jens Schäfer: Nein, aber auf meinem Küchenschrank steht eine Buffetuhr aus den 1950ern im Nierentisch-Stil, auf deren Zifferblatt in schrägen Lettern Schwarzwälder steht. Die hat mein Bruder mal auf einem Flohmarkt entdeckt und mir zum Geburtstag geschenkt.

Kriminetz: In »Total alles über den Schwarzwald«, erschienen im Folio Verlag, ist über die Stadt Staufen zu lesen, sie ginge zu Bruch. Hat Dr. Johann Georg Faust womöglich, als er in der Stadt spektakulär zu Tode kam, einen Fluch ausgestoßen?

Jens Schäfer: Ich hoffe es sehr. Weil ein jahrhundertealter Fluch den Zerfall der Stadt erträglicher machen würde als so was Schnödes wie »Menschliches Versagen«.

Kriminetz: Freiburg war viele Jahre lang federführend in der Kriminalitätsstatistik Baden-Württembergs. Nun wird auch noch ein neuer TATORT dort verortet. Die ermittelnden Schauspieler sind sogar im Schwarzwald gebürtig. Es gibt sicher auch ungefährliche Flecken im schönen Freiburg?

Jens Schäfer: Ich habe mal mit einem Selbstverteidigungskurs geliebäugelt, aber ein Polizist riet davon ab. Bis man so gut sei, dass man einen gewalttätigen und womöglich körperlich überlegenen Angreifer abwehren oder sogar niederstrecken könne, sagte er in einem Vortrag über Gewaltprävention, vergingen Jahre oder Jahrzehnte. Als sich eine ältere Dame meldete und erklärte, dass sie sich im Zweifelsfall mit einem Handkantenschlag wehren würde, forderte der Polizist sie auf, ihn zu schlagen. Mit der Handkante. Auf den Hals. Die Dame wollte nicht, sie hatte Angst, den Beamten zu verletzen. Doch der lachte nur, bei einem Handkantenschlag würde gar nichts passieren, das sei ein Mythos aus dem Fernsehen. Seitdem halte ich es mit der Kripo: Meiden Sie dunkle Straßen, lassen Sie sich nicht durch Musik u¨ber den Kopfho¨rer ablenken, setzen Sie sich im Bus in die Nähe des Fahrers, bitten Sie andere lautstark um Hilfe, wenn Sie bedroht werden.

Kriminetz: Sie haben einen Kriminalroman veröffentlicht mit dem Titel »Wer sich in die Provinz begibt, kommt darin um«. Ist das Leben in der Großstadt Berlin reine Überlebensstrategie?

Jens Schäfer: Fürs geistige Überleben auf jeden Fall. Theater und Museen, Konzerte und Happenings, Bars und Kneipen - so viel Abwechslung und Inspiration wie in der Großstadt findet man auf dem Land nicht. Manchmal frage ich mich allerdings, was besser ist: Vor Langeweile sterben oder vom Überangebot erschlagen werden.

Kriminetz: Sie verfassen Drehbücher für bekannte Fernsehserien wie SOKO Wien und SOKO Wismar. Wie anders ist das Schreiben dafür, im Gegensatz zu ihren Büchern?

Jens Schäfer: Bei »Total alles über den Schwarzwald« ging es darum, alle relevanten Informationen zusammen zu tragen, die ins Buch sollen, und dann um deren Aufbereitung. Beides war sehr zeitintensiv, die Grafikerinnen und ich haben viel diskutiert, ent- und wieder verworfen. Dass Kirschtorte, Schinken oder der SC Freiburg ins Buch gehören, war klar. Aber wie zeigt man die Torte? Wie stellt man den Schinken grafisch dar? Was erzählt man von einem Fußballverein, den alle kennen?

Die Arbeit an einem Drehbuch ist ebenfalls sehr systematisch. Es gibt eine vorgegebene Anzahl von Figuren, Drehorten und Szenen, die mit Leben gefüllt werden müssen. Der Studioanteil beträgt 50 Prozent (seit Corona eher mehr), die Geschichte muss immer aus Ermittler-Sicht erzählt werden und jeder Verdächtige drei bis vier mal auftauchen, der Täter einmal mehr, wenn er am Schluß verhaftet wird. Einen Roman hingegen kann an allen erdenklichen Orten spielen. Man kann nach Belieben die Perspektiven wechseln und die Täterin seitenlang mit blutverschmierten Händen vorm Kamin sitzen und darüber nachdenken lassen, wieso es richtig war, ihren Ehemann umzubringen.

Kriminetz: Wegen der Pandemie, die wir derzeit durchleben, wird zum Urlaub im eigenen Land geraten. Wie lässt sich jemanden, der es gewohnt war, drei Mal im Jahr auf die Malediven zu fliegen, für einen Urlaub im Schwarzwald überzeugen?

Jens Schäfer: Ich fürchte, dass jemand, der drei mal im Jahr auf die Malediven fliegt, im Schwarzwald nicht wirklich glücklich werden wird. Alle anderen sollten unbedingt her kommen: Wegen des guten Essens, der guten Luft und den guten Menschen.

Kriminetz: Was vermissen Sie selbst aus dem Schwarzwald am meisten?

Jens Schäfer: Das gute Essen. Die gute Luft. Die guten Menschen. Die Freundlichkeit ist wirklich einmalig. Zugegeben, in den höhergelegenen Dörfern des Schwarzwalds ist das Reden nicht grade erfunden worden. Da fällt einem auch keiner um den Hals, nur weil man zur Tür kommt. Aber in Freiburg, Karlsruhe und den anderen Städten in der Rheinebene sind die Menschen einfach freundlich und nett und im besten Wortsinn redselig. Sie sind selig, wenn sie reden dürfen. Gibt’s was Schöneres?

Zur Website von Jens Schäfer hier klicken

Cover: © Folio Verlag