Sieben Fragen an Jürgen Heimbach

Das Foto zeigt den Schriftsteller Jürgen Heimbach. Photo: © Elisa Biscotti

Der Schriftsteller Jürgen Heimbach wurde 1961 in Koblenz geboren. Er studierte Germanistik und Philosophie in Mainz, arbeitete als Regieassistent am Theater Mainz, inszenierte in der von ihm mitbegründeten darK-Halle, organisierte Theaterfestivals und Ausstellungen und ist als Redakteur bei 3sat beschäftigt. Jürgen Heimbach ist Autor zahlreicher Kurz-Krimis und Kriminalromane.

Für Kriminetz beantwortete Jürgen Heimbach sieben Fragen.

Kriminetz: Deine Kriminalromane spielen bevorzugt in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg. Was fasziniert dich an dieser Zeit?

Jürgen Heimbach: Da ist zuerst einmal mein Interesse für Geschichte und vor allem für die Geschichte des 20. Jahrhunderts, die ich ja in Teilen noch selbst erlebt habe. Und gerade die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg ist immens wichtig für uns heute. Beispiel EU: ihre Ursprünge gehen auf die Nachkriegszeit zurück, als Konsequenz aus mehreren Kriegen zwischen den „Erbfeinden“ Frankreich und Deutschland. Da hatten „weise“ Männer erkannt, dass dieser ewige Kriegs-Kreislauf durchbrochen werden muss und dass das mit gegenseitigen wirtschaftlichen Verflechtungen gelingen kann. Verflechtungen, die den Bürgern der Länder zugutekommen und letztlich dem Frieden, denn je mehr man miteinander verbandelt ist und je mehr das eigene Wohlbefinden mit dem des anderen verbunden ist, desto weniger wird man dies durch einen Krieg gefährden. Und so ist über den Schumann-Plan, die Montan-Union, die EWG die EU entstanden. Da ist heute sicher einiges kritikwürdig, aber wie dieses Projekt jetzt nicht nur in Frage gestellt, sondern dessen Zertrümmerung in Kauf genommen wird, das ist sehr erschreckend.
Ein anderer Punkt, der mich als Schriftsteller an dieser Zeit reizt, ist der Moment einer gewissen Gesetzlosigkeit zu jener Zeit. Nicht im Sinne einer fehlenden Jurisdiktion, das vielleicht auch in Teilen, aber es war vieles im Entstehen, Strukturen noch nicht geschaffen oder noch nicht gefestigt, moralische Grenzen verwischten. Eine Zeit, in der sich gut Fragen nach Verantwortung, Schuld u.a. stellen lassen.

Kriminetz: Mit Paul Koch hast du in deinen Kriminalromanen einen Kommissar entwickelt, der 1934 nach Frankreich ging, später nach Spanien, um gegen Franco zu kämpfen. Gab es ein Vorbild für Paul Koch?

Jürgen Heimbach: Nein, ein konkretes Vorbild gibt es nicht. Aber das, was ihm als demjenigen, der die Nazizeit nicht in Deutschland verbracht hat, der aktiv gegen das Regime gekämpft hat, widerfährt, nämlich, dass ihm das Recht zu Kritik abgesprochen wird, weil er ja nicht dabei gewesen war, weil er sich „verdrückt“ hat, ist vielen Künstlern und Schriftsteller, allen Exilanten, die zurückkamen, widerfahren. Bei Koch kommt hinzu, dass er selbst zu harschen Vor-Urteilen neigt, selbst oftmals in ein schwarzweiß-Denken verfällt, was dann Probleme heraufbeschwört, über die sich viel über die Zeit erzählen lässt.

Kriminetz: Deine Romane sind in einer Zeit angesiedelt, aus der noch Zeitzeugen am Leben sind. Hast du welche befragen können?

Jürgen Heimbach: Ja, das habe ich, wobei die, die heute noch leben, um 1930 geboren wurden, nun schon weit ihren 80ern sind und damals um die 15 Jahre alt waren. Wichtig war mir in den Gesprächen mit ihnen etwas über den Alltag damals zu erfahren: wie sie sich durchgeschlagen haben, die Rolle der Jugendlichen, die oft ja Ernährer oder Miternährer der Familien waren, weil die Väter tot oder in Gefangenschaft waren. Von ihnen erfuhr ich Überlebensstrategien, gegen die Kälte, den Hunger, Anekdoten, die sich gut in die Erzählung einbinden lassen. Details, die en passent erzählt, unaufdringlich ein Gefühl der Umstände zu jener Zeit vermitteln.

Kriminetz: Neben Romanen schreibst du auch Kurzgeschichten. Worin liegt für dich der Reiz „in der kurzen Form“?

Jürgen Heimbach: In dem Zwang zur Reduzierung, inhaltlich und formal. In der ständigen Überprüfung, ob das, was ich erzählen möchte, nicht noch knapper, noch präziser zu erzählen geht. Im Roman ist die Verführung zur Ausschweifung sehr groß, und ich erliege ihr zu gerne.

Kriminetz: Du bist Redakteur beim Fernsehen. Worin besteht deine Tätigkeit?

Jürgen Heimbach: Lange Jahre habe ich das Theatermagazin „Foyer“ betreut, aus dem dann das von mir mitbegründete Performing Arts-Magazin „Kulturpalast“ wurde. Daneben noch Dokumentationen und Dokumentarfilme aus dem kulturellen Bereich sowie Komplettaufzeichnungen von Theaterstücken. Seit zwei Jahren arbeite ich als Planer für das tägliche Kulturmagazin „Kulturzeit“ auf 3sat.

Kriminetz: Du hast mehrere Schreibpatenschaften übernommen, so auch am Schlossgymnasium Mainz für deren Projekt "Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage". Was hat dich zu diesem Engagement bewogen?

Jürgen Heimbach: Das Überzeugende an "Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage" ist, dass es ein Projekt von und für Schülerinnen und Schülern ist, das ihnen die Möglichkeit bietet, das Klima an ihrer Schule aktiv mitzugestalten, indem sie sich bewusst gegen jede Form von Diskriminierung, Mobbing und Gewalt wenden. In Zeiten wie heute, wo es wieder „zum guten Ton“ zu gehören scheint, gegen alles Fremde – im weitesten Sinne – zu sein, ist das absolut zu begrüßen. Und es sind auch nicht nur Lippenbekenntnisse der Schülerinnen und Schüler. Sie müssen sehr viel sehr aktiv tun, um sich "Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage" nennen zu dürfen. Als ich von den Schülerinnen und Schülern des Schlossgymnasiums gefragt wurde, ob ich die Patenschaft übernehmen wolle, habe ich gerne zugesagt.

Kriminetz: Neben dem Syndikat, der Autorengruppe deutschsprachige Kriminalliteratur, bist du auch noch Mitglied der Autorenvereinigung Mörderisches Rheinhessen und bei Dostojewskis Erben. Würdest du Schreibanfängern zur „Vernetzung“ raten?

Jürgen Heimbach: Ja, absolut. Vernetzung heißt auch Austausch, Erfahrungen teilen, Kontakte knüpfen. Daraus entstehen neue Projekte, gemeinsame Lesungen, Anthologien, Festivals. Und im besten Fall neue Freundschaften.

Kriminetz: Vielen Dank, Jürgen Heimbach, für die Beantwortung der sieben Fragen.

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