Sieben Fragen an Laura Noll

Laura Noll wurde für ihren Debüt-Roman mit einem Arbeitsstipendium der Mörderischen Schwestern e.V. und mit dem Debüt-Glauserpreis 2021 des Syndikats ausgezeichnet. Foto: © bei der Autorin

Laura Noll wurde 1980 in Heidelberg geboren, studierte Klassische Philologie, Alte Geschichte und Theologie in Heidelberg und Siena. Mit ihrer Familie lebt sie in Sinsheim. Ihre Leidenschaft für Zeitgeschichte vereint sich mit der Freude am Erzählen und ist Inspiration für die Erzählungen und Kurzgeschichten. Der Tod des Henkers ist ihr erster Roman. Er wurde mit dem Arbeitsstipendium der Mörderischen Schwestern e.V. und mit dem Debüt-Glauserpreis 2021 des Syndikats ausgezeichnet.

Für Kriminetz beantwortete Laura Noll sieben Fragen.

Kriminetz: Herzlichen Glückwunsch zum Glauser-Preis 2021 für das beste Debüt! Dein Roman wurde mit einem Stipendium ausgezeichnet und nun auch noch mit diesem Preis des Syndikats. Bist du noch am Feiern?

Laura Noll: Vielen Dank! ich muss zugeben, dass sich die Erkenntnis bei mir erst einmal noch setzen muss. Die Gala anlässlich der Preisverleihung hatte – auch durch den virtuellen Charakter - für mich etwas Traumhaftes, so dass ich mich ab und zu noch kneifen muss, um mich zu versichern, dass ich das wirklich erlebt habe.

Kriminetz: Dein historischer Roman handelt in Prag. Hast du selbst einen Bezug zu dieser Stadt?

Laura Noll: Bis zu meiner Recherche vor Ort nur einen sehr theoretischen. Teile meiner Familie stammen aus dem Sudetenland, das auf dem Gebiet des heutigen Tschechiens liegt und haben ihre Heimat nach dem Ende des 2. Weltkriegs verlassen müssen. Während ich den Roman geschrieben habe, habe ich mir etliche Bildbände zum historischen Prag zugelegt, aber irgendwann kam ich dann doch an den Punkt, wo ich wusste, dass ich die Stadt mit eigenen Augen sehen muss, um sie durch die Augen meiner Figuren sehen zu können. Die Reise nach Prag habe ich nicht bereut! Ich habe die Wege der Protagonisten beschritten, zu Fuß und mit der Straßenbahn, und habe die Atmosphäre an den Orten des Geschehens hautnah gespürt. das hat für mich einen großen Unterschied gemacht. Nun jedenfalls habe ich einen ganz besonderen Bezug zu dieser Stadt.

Kriminetz: Reinhard Heydrich und das Attentat auf ihn gab es tatsächlich. Heinz Pannwitz wurde mit der Aufklärung beauftragt. Wie hast du dich den Personen im Rahmen deiner Recherche genähert?

Laura Noll: Ich bin Pannwitz vor Jahren schon zweimal begegnet, nämlich einmal in Philip Kerrs „Böhmisches Blut“, und zum zweiten Mal bei Laurent Binet („HHhH“). Beide Romane haben mich sehr beeindruckt; Pannwitz jedoch ist in beiden Büchern eine stereotype Randfigur mit den Zügen, die wir einem Handlanger des NS-Regimes klassischerweise zuschreiben. Später bin ich mehr oder weniger zufällig auf die Aufzeichnungen des historischen Heinz Pannwitz gestoßen, die der Historiker Stanislaw Berton 1985 kommentiert und veröffentlicht hat. Der Bericht über die Ermittlungen zum Heydrich-Attentat umfasst nur etwa zwanzig Seiten, verfasst in nüchternen Worten, aber zwischen den Zeilen spricht ein innerlich zerrissener und mit sich ringender Mann, der versucht, Distanz zu schaffen zwischen seiner Person und dem Unrecht, dem er sich zu Willen macht. Diese Zwiespältigkeit hat mich in ihren Bann gezogen; sie auszuloten, schien mir ein spannendes Unterfangen zu werden. Er ist ja weder strahlender Held noch nachtschwarzer Schurke, sondern ein Mensch, der unter schlimmsten Umständen versucht, im Rahmen seiner Möglichkeiten das Richtige zu tun. Ich glaube, dass Pannwitz durch diese Ambivalenz ein hohes Identifikationspotential hat.

Kriminetz: Recherchen zu Heydrichs Taten und überhaupt zu seinem Umfeld und dieser Zeit sind ziemlich harte Kost. Wie findest du nach Stunden solcher Arbeit wieder in deinen eigenen Alltag zurück? Kannst du das abstreifen?

Laura Noll: Das lässt sich natürlich nicht so leicht abschütteln. Es sind oft eher die Details und die Einzelschicksale, die mir nahegingen. Die meisten Nebenfiguren in meinem Roman sind „echt“, und einige von ihnen waren ganz am Rande an den Vorbereitungen des Attentats beteiligt. Die kalkulierte Grausamkeit, mit der viele von ihnen schließlich ermordet wurden, um das deutsche Ansehen zu wahren und ein Klima allumfassender Angst zu erzeugen, hat mich fassungslos gemacht. Es hat mir auch beim Schreiben wehgetan, diese Personen sang- und klang- und vor allem sinnlos sterben zu sehen. Andererseits sorgen meine drei Kinder sehr zuverlässig dafür, dass ich schnell in den Alltag zurückfinde!

Kriminetz: Du unterrichtest Latein und Religion. Wie überzeugst du Schülerinnen und Schüler davon, sich für die Sprache Latein zu entscheiden?

Laura Noll: Zum Glück wünschen sich viele Kinder aus eigenem Antrieb, eine geheimnisvolle alte Sprache wie Latein zu lernen. Sie verbinden damit Sagen, Mythen und überhaupt spannende Geschichten aus einer Zeit, die ganz anders ist als unsere. Und das will ich ihnen natürlich auch bieten! Mit Latein halten sie den Schlüssel zu großartigen Texten in der Hand, deren Lektüre unglaublich bereichernd und unterhaltsam ist. Zugegebenermaßen gehört auch ein gewisses Durchhaltevermögen im Hinblick auf Vokabeln und Grammatik dazu. Das finden erfahrungsgemäß nicht alle Schüler:innen spannend, aber wenn man mit kinder- und jugendgerechten Inhalten und abwechslungsreicher Methodik das Interesse wachhält, können alle Beteiligten viel Spaß am Lateinunterricht haben.

Kriminetz: Du hast einen Teil deiner Studienzeit in Siena verbracht. Ist es ein Lieblingsurlaubsort geworden?

Laura Noll: Italien auf jeden Fall! Ein Teil von mir ist immer begeisterte Altertumswissenschaftlerin geblieben, die sich stundenlang an alten Trümmern erfreuen kann, und mein Theologinnen-Ich wird nicht müde, auch noch die hundertste Barockkirche zu besichtigen. Am liebsten mag ich die abwechslungsreichen Stände für Zeitschriften, die mit Gimmicks wie einer grellbunten Augustus-Statue aus Resin oder einer vatikanzertifizierten Mini-Madonna zur Weihwasseraufbewahrung locken.

Kriminetz: Worauf dürfen sich deine Leserinnen und Leser als Nächstes aus deiner Feder freuen?

Laura Noll: Im Moment verfolge ich ein Projekt, das durch die langen Phasen des Homeschoolings noch in den Kinderschuhen steckt. Ich denke, Corona hat viele Leute mit Kindern aufs Elternsein zurückgeworfen, und das hat ja nicht nur Nachteile, sondern auch viele schöne Momente, die Eltern und Kinder näher zusammenbringen. Jetzt freue ich mich aber darauf, mich schrittweise wieder freizuschwimmen und an meinem Projekt weiterzuarbeiten. Aber ich kann versprechen, dass es auf jeden Fall spannend bleiben soll!

Kriminetz: Vielen Dank, Laura Noll, für die Beantwortung der sieben Fragen.