Sieben Fragen an Lena Falkenhagen

Die Schriftstellerin Lena Falkenhagen ist in Aschaffenburg zur neuen Bundesvorsitzenden des Verbandes deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller gewählt worden. Fotografin: Antje S.

Die Schriftstellerin Lena Falkenhagen wurde 1973 in Celle geboren. Sie studierte Germanistik und Anglistik an der Universität Hannover und arbeitet seitdem als freischaffende Autorin, Lektorin, Übersetzerin und Computerspiele-Autorin.

Über die Rollenspielwelt Aventurien betrat sie bereits mit elf Jahren die Welt der Geschichten. Von ihren vier historischen Romanen wurde Die Lichtermagd mit dem DeLiA-Preis 2010 ausgezeichnet. Für Markus Heitz’ Justifiers-Romanserie (Science Fiction) wechselte sie mit Undercover in eine ferne, zukünftige Welt. Nach siebzehn Jahren Redaktion für das Rollenspiel Das Schwarze Auge schrieb sie sechs Jahre lang für das Computerspiel Drakensang Online und wurde 2017 für ihre Arbeit vom Magazin Gameswirtschaft unter die deutschen TOP 10 Games-Entwicklerinnen gewählt.

Lena ist Mitgründerin und 2. Vorstandsvorsitzende des Phantastik-Autoren-Netzwerks (PAN) e.V. Für PAN zeichnet sie auch verantwortlich für die politische Ausrichtung und gründete u.a. mit Nina George und Eva Leipprand 2016 das Netzwerk Autorenrechte, in dem sich neun Autorenvereinigungen zur politischen Arbeit zusammenschlossen.

Im Februar 2019 wurde Lena Falkenhagen zur Bundesvorsitzenden des Verbandes deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller gewählt.

Lena Falkenhagen lebte lange Zeit in Berlin, heute in ihrer Wahlheimat Hamburg.

Für Kriminetz beantwortete Lena Falkenhagen sieben Fragen:

Kriminetz: Du wurdest vor wenigen Tagen bei der 50. Sitzung des Verbands deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller in Aschaffenburg zur Bundesvorsitzenden gewählt. Herzlichen Glückwunsch! Was erwartet dich an Aufgaben in dieser Position?

Lena Falkenhagen: Vielen Dank! Der Vorsitz des VS ist eine Aufgabe, vor der ich großen Respekt habe. Meine Vorgängerin Eva Leipprand ist mir hier ein großes Vorbild – sie hat Themen unaufgeregt, aber bestimmt angesprochen und vertreten, den Verband souverän repräsentiert und so durch die bewegten letzten Jahre geleitet.

Nach einer Woche in ihren Fußstapfen merke ich, was für unsichtbare Arbeit im Hintergrund anfällt. Das weiß man theoretisch natürlich vorher, aber die Realität ist dann doch noch einmal anders. Eva sagte glücklicherweise auch: „Man kann für diese Position nicht geeignet sein.“ Man muss in dieses Amt hineinwachsen.

Tatsächlich geschieht hinter den Kulissen viel Absprache- und Verwaltungsarbeit. Da niemand aus dem alten Vorstand geblieben ist, müssen wir uns hier vollständig neu sortieren. Ich glaube, der gesamte neu gewählte Vorstand ist da im Augenblick auf einem sehr guten Weg.

Zu konkreten Themen: Bereits in der ersten Woche kamen Fragen auf, wie man sich zu bestimmten aktuellen Ereignissen positioniert, welche Projekte des VS wir weiterführen oder wiederaufleben lassen möchten; Interviewanfragen wie diese wollen beantwortet werden. Aber auch die ersten Gespräche mit VG Wort und anderen Branchengrößen werden angefragt. Ich glaube und hoffe, da in den nächsten vier Jahren Akzente setzen zu können, die den VS und seine Autorinnen und Autoren weiterbringen.

Kriminetz: Die Tagung stand unter dem Motto „Literatur unter Strom“. Die Digitalisierung beeinflusst unser Leben ähnlich gravierend wie die Erfindung des Buchdrucks zu Gutenbergs Zeiten. Was bringt das an Veränderungen für Autorinnen und Autoren?

Lena Falkenhagen: Der VS war die letzten 50 Jahre schwerpunktmäßig ein Verband von Verlagsautorinnen und -autoren. Daher sehen dort viele den Entwicklungen durch die Digitalisierung zunächst mit Sorge entgegen – denn auf den ersten Blick scheinen dadurch für bei Verlagen veröffentlichte Schreibende hauptsächlich Nachteile zu entstehen. Die Stichworte sind hier sinkende Vorschüsse, die Verschiebung von Publikationen des Low- und Midlist-Markts in den e-Book-Bereich, Raubkopien von Büchern, die sinkende Sichtbarkeit in der Masse der Veröffentlichungen.

Die Digitalisierung ermöglicht aber auch neue und spannende Formate des Erzählens, eine ganz enge Interaktion mit den Leserinnen und Lesern, Recherchemöglichkeiten, schnellere Rückmeldungen und Gratifikationserlebnisse, neue und selbstbestimmte Veröffentlichungswege sowie sehr gezieltes Marketing.

Dies alles bedeutet, dass Autorinnen und Autoren mit ihren Werken sichtbarer in Erscheinung treten können – man ist hier also auch als Persönlichkeit gefragt. Das Lesepublikum möchte die Urheberinnen und Urheber kennenlernen, ein Stück weit an ihrem Leben und Arbeiten teilhaben. Das ist Arbeit, bietet aber auch große Chancen. Als VS können wir hier aufklären, informieren, Expertisen verbinden.

Daneben wird es meines Erachtens die klassische Literatur, die über Verlage veröffentlicht wird, weiter unverändert geben. Was sich vergrößert ist die Bandbreite der Rollen, die Schreibende einnehmen können.

Kriminetz: Bei o. g. Tagung hat sich der Verband deutscher Schriftellerinnen und Schriftsteller für Selfpublisher geöffnet. Ein längst überfälliger Schritt?

Lena Falkenhagen: Ich freue mich über diese Entscheidung sehr. Gute Literatur ist weder am Format noch am Genre festzumachen. Verlagsautorinnen und -autoren und Selfpublisher können viel voneinander lernen. Ich glaube aber, dass dieser Entschluss kaum viel früher hätte gefällt werden können. So hatte der Selfpublishing-Markt einige Jahre, sich zu etablieren und in sicheres Fahrwasser zu kommen. Diese Strukturen haben sich jetzt gebildet.

Die Selfpublisher haben nun einen Platz im VS und ich heiße sie herzlich willkommen. Mehr noch: ich lade sie ein, Mitglieder zu werden und sich zu engagieren, um ihren Interessen Gehör zu verschaffen. Der VS ist der größte deutsche Zusammenschluss von Autorinnen und Autoren. Gemeinsam bewegt man einfach mehr; die aktuelle Urheberrechtsproblematik zum Beispiel betrifft alle Schreibenden, ob analog oder digital. Auch Honorarthemen und Vertragsklauseln verbinden Selfpublisher und Verlagsautorinnen und -autoren.

Kriminetz: In deinem literarischen Schaffen bist du ziemlich vielseitig. Gibt es ein Genre, das dir besonders am Herzen liegt?

Lena Falkenhagen: Ehrlich gesagt: nein. Ich habe Fantasy geschrieben, Science Fiction, Historische Romane – und Computerspiele. Ich schreibe Mobile Apps (spielbare Geschichten fürs Handy) und würde sehr gern Drehbücher für Serien entwickeln. Ich schätze die vielseitigen Möglichkeiten, die mir all diese Branchen anbieten. Ich schreibe gern Geschichten und liebe es, mich in neue Formate einzuarbeiten oder sie gar mit zu entwickeln.
Für die Genres gilt Ähnliches. Im Augenblick habe ich Ideen für eine epische Fantasy-Trilogie sowie für einen Thriller. Ich denke nicht in Genres. Ich denke in Charakteren, Konflikten und Geschichten.

Kriminetz: Du bist unter anderem auch bei texttreff.de – Das Netzwerk wortstarker Frauen. Wie wichtig ist es für SchriftstellerInnen, sich zu vernetzen?

Lena Falkenhagen: Leider war ich im texttreff lange nicht aktiv. Dieses Netzwerk ist aber eines von vielen, die hervorragend zeigen, was Netzwerken bewirken kann. Man rückt näher zusammen, lernt sich kennen und vielleicht mögen, hilft sich, es tun sich Synergien auf – und in manchen Netzwerken entstehen handfeste, dauerhafte Freundschaften.

Schreiben können und Bücher in der Schublade liegen haben ist eine Sache – wenn davon niemand weiß, bringen mir diese Werke weder Renommee noch Geld. Mitglied in einem Netzwerk zu sein hilft beim Abgleich über Honorarthemen oder übliche Vertragsklauseln, beim Kennenlernen von Mit-Autoren, beim Austausch über Themen wie Schreibblockaden oder Recherchethemen, etc. Dabei finde ich wichtig zu betonen, dass Netzwerken stets ein freizügiges Geben und Nehmen sein muss. Wenn man dabei seinen eigenen, individuellen Nutzen in den Mittelpunkt stellt, funktioniert es nicht mehr.

Ich halte Netzwerken für eine essentielle Kunst, die Schreibende weiterbringen kann. Aus diesem Grund habe ich das Phantastik-Autoren-Netzwerk (PAN) e.V. mitgegründet und mit aufgebaut, aus diesem Grund war ich für PAN in der ersten Stunde des Netzwerks Autorenrechte mit dabei. Interessen lassen sich branchenübergreifend einfach besser vertreten.

Meine Arbeit im VS hebt diesen Gedanken auf die nächste Ebene. Wir wirken in einer milliardenschweren Branche mit seit Jahrzehnten aufgebauten Strukturen und Playern, die über große Lobbying-Konten verfügen. Als Einzelkämpfer hat man da einen schweren Stand, und als Einzelne wird man zum Beispiel nicht gehört, wenn Gesetze gemacht werden.

Das einzige, was uns Autorinnen und Autoren in diesem Umfeld hilft, ist es, gemeinsam zu agieren. Wir sind viele, wir halten zusammen und wir treten gemeinsam für unsere Rechte und Interessen ein. Das ist die Selbstbeschreibung des VS. Aber darüber hinaus ist der VS natürlich auch eine Plattform für zahllose individuelle Netzwerke, die die Mitglieder automatisch schaffen, wenn sie im VS aktiv tätig sind.

Netzwerke – auch der VS! – leben vom Engagement ihrer Mitglieder.

Kriminetz: Woran arbeitest du derzeit?

Lena Falkenhagen: Ich schreibe gerade eine weitere Mobile App mit dem Carlsen Verlag. Wenn ich damit fertig bin, finde ich hoffentlich wieder Zeit für meine Fantasy-Trilogie. Die Planung dafür begleitet mich seit Jahren – und gerade jüngst fand mich der letzte Stein des Mosaiks, der mir noch fehlte. Jetzt brauche ich nur noch ein wenig Zeit, das Exposé zu überarbeiten und dann alles aufzuschreiben.

Kriminetz: Du bist von Berlin nach Hamburg gezogen. Was hat Hamburg, das dir in Berlin gefehlt hat?

Lena Falkenhagen: Eine ruhigere Gemengelage. Das Kultur- und Freizeitangebot von Berlin ist natürlich unübertroffen und das vermisse ich schon sehr. In Hamburg ist der Puls ruhiger, aber beständiger, das Wetter ist – nicht lachen – besser (zum Beispiel nicht so kalt) und viele Distanzen sind einfach kürzer. Das alles sorgt für weniger Hektik, mehr In-mir-ruhen, insgesamt ein ausgeglicheneres Arbeiten.

Und Hamburg hat meinen Lebensgefährten, der der Grund für den Umzug war – und der an jeder Stadt das Beste ist, was mir passieren kann.

Ich bedanke mich für das interessante Interview!

Kriminetz: Vielen Dank, Lena Falkenhagen, für die Beantwortung der sieben Fragen!

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