Sieben Fragen an Manfred Baumann

Das Foto zeigt den Schriftsteller Manfred Baumann, dessen Krimi »Drachenjungfrau« verfilmt wurde. Fotograf: Christian Streili

Manfred Baumann, geboren 1956 in Hallein/Salzburg, war 35 Jahre lang Autor, Redakteur und Abteilungsleiter beim ORF (Österreichischer Rundfunk). Heute lebt er als freier Schriftsteller, Kabarettist, Regisseur und Moderator in der Nähe von Salzburg. Der Krimi Drachenjungfrau, Meranas vierter Fall im Gmeiner Verlag, wurde vom ORF für die Reihe »Landkrimi« verfilmt. Der Film wurde bei den Biberacher Filmfestspielen zum besten Fernsehfilm des Jahres 2016 gekürt. Im ZDF lief er im Juni 2018 in der Reihe „Fernsehfilm der Woche“ und wurde von über 5 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauern gesehen. Hauptdarsteller im Film ist Manuel Rubey, Stefanie Reinsperger spielt die Rolle der Dorfpolizistin Heilmayer. In weiteren Rollen wirken Harald Krassnsitzer, Patricia Aulitzky, Christine Ostermayer, Cristina Ablinger, Gerhard Greiner, Eva Lanz und Markus Hamele mit. Regie führte Catalina Molina.

Für Kriminetz beantwortete Manfred Baumann sieben Fragen.

Kriminetz: Das Mordopfer in »Drachenjungfrau« nimmt an einer Castingshow teil. Gibt es im österreichischen Fernsehen wie im deutschen auch eine »Topmodel-Show«?

Manfred Baumann: Ja, „Austria’s Next Topmodel“, die Show läuft seit 2009 auf dem österreichischen Privatsender ATV. Die ersten vier Staffeln wurden übrigens von Lena Gercke moderiert.
Mir kam die Idee, das Sujet aufzunehmen und es für den Roman in das Blasmusik- und Volkskulturgenre zu übertragen, weil ich einmal in den Medien auf ein ‚Marketenderinnen Clubbing‘ stieß, und das sehr schräg und befremdlich fand. Ich habe das Ganze nur ein bis zwei Spins weitergedreht.

Kriminetz: Die Landschaft um den Krimmler Wasserfall herum erscheint im Film spektakulär. Die richtige Gegend, um Sagen und Mythen entstehen zu lassen?

Manfred Baumann: Man muss sie nicht entstehen lassen, die gibt es schon. Und die gibt es garantiert deshalb, weil die Aura, die wir dabei empfinden, eben ‚mystisch‘ ist. Die Sage von der ‚Drachenjungfrau‘ existiert tatsächlich. Sie ist allerdings nicht direkt mit dem Ort der Krimmler Wasserfälle verbunden, ich habe sie nur an diesen Schauplatz verlegt, weil er mir sehr passend erschien. Egal, in welcher Form zentrale Frauengestalten in europäischen Sagen auftauchen, ob als Weiße Frau, als Salige Wildfrau, als Schwarze Frau auf dem Grund von Seen, als schöne Jungfrau, die Gutes oder Schlechtes bringt, nahe an der Gestalt der Frau Perchta ist … all diese Figuren verweisen von ihrer mythologischen Herkunft immer auf die Vorstellung unserer vorchristlichen, meist keltischen, Vorfahren, die an die Existenz einer großen Muttergöttin glaubten. Diese Vorstellung einer Großen Göttin gibt es ja auch in außereuropäischen Kulturen, von der ägyptischen Isis bis zur indischen Shakti. Ich habe deshalb diese Sage in Verbindung mit der Castingshow gebracht, weil es mir als gute Möglichkeit erschien, auf verschiedenen Ebenen der Frage nachzugehen, welches Frauenbild wir haben und vor allem auch, welche Bilder, Klischees wir transportieren, medial darstellen, verinnerlichen.

Kriminetz: Hast du die Dreharbeiten zu »Drachenjungfrau« besucht und bist vielleicht auch einmal »durch das Bild gelaufen«?

Manfred Baumann: Durchs Bild gelaufen bin ich nicht, weder unabsichtlich noch geplant. Das hätte ich auch nicht gewollt. Aber ich bin mehrmals bei den Dreharbeiten gewesen. Ich wurde auch von Anfang an in das Filmkonzept eingebunden, habe die Drehbuchautoren und die Regisseurin auf deren Wunsch im Vorfeld getroffen, mich mit ihren Fragen auseinandergesetzt und auch immer wieder Anregungen gegeben.

Kriminetz: Kommisar Martin Merana wird in »Drachenjungfrau« mit seiner Vergangenheit konfrontiert, aber er verliert sich nicht darin. Kann man Heimat ohne Kitsch betrachten?

Manfred Baumann: Diese Frage ist schon deshalb kaum zu beantworten, weil wir uns schon schwer tun, die beiden Begriffe halbwegs eindeutig zu definieren. Der Begriff ‚Heimat‘ ist so vielschichtig und schillernd, wird von so vielen Interessensgruppen beschlagnahmt, oft auch missbraucht.
Und Markierungspfähle, wo für jemand der Kitsch anfängt, gibt es wohl so viele, wie es Individuen gibt. Ich glaube, man kann Heimat nicht ‚nüchtern‘, im Sinne von wissenschaftlich ausgewogen, von Gefühlen unbeeinflusst, wahrnehmen. Heimat ist, selbst wenn wir ihn von allen gesellschaftlich determinierten Faktoren befreien, immer noch ein stark emotionaler Begriff, der für jeden einzelnen etwas anderes bedeuten kann. Ich kann für mich jedenfalls festhalten: Heimat, als Ort des Zusammenlebens, der Miteinanderauskommens, des Füreinanderdaseins, des Gemeinsamgestaltens ist zu wichtig, um sie politischen Hasardeuren, ideologischen Rattenfängern, scheinheiligen Abzockern und skrupellosen Ausgrenzern zu überlassen. Ich verstehe Liebe zur Heimat auch als Verpflichtung, grassierende Misstände und Bedrohungen aufzuzeigen, wenn sie das oben beschriebene Miteinander gefährden. Um das zu bewerkstelligen kann man sich gerne auch der satirischen Übertreibung oder der Anleihen aus dem Herzensfundus des Kitsches bedienen. Es braucht eben manchmal bewegende Bilder, Eindrücke, Töne, um etwas zu erreichen.

Kriminetz: Du hast mit »Salbei, Dill und Totengrüne“ und »Blutkraut, Wermut, Teufelskralle« auch Kräuterkrimis veröffentlicht. Hast du selbst einen Kräutergarten (wie ich) und welche Kräuter bevorzugst du?

Manfred Baumann: Mein Kräutergarten ist eher klein und bescheiden. Wenn ich Sehnsucht nach einem paradiesnahen, aromenreichen, blütenprächigen Kräuterreich habe, begebe ich mich ins nahe St. Gilgen am Wolfgangsee, besuche dort meinen Freund Pater Johannes Pausch im Europakloster Gut Aich und lasse mich von ihm durch die üppigen Kräutergärten führen. Natürlich wachsen dort auch meine Lieblingskäuter: Salbei, Majoran, Zitronenverbene, Kapuzinerkresse, Rosmarin und vor allem Thymian! Und hunderte andere …

Kriminetz: Im Sommer 2018 erscheint der sechste Merana-Salzburg-Krimi mit dem Titel »Todesfontäne«. Magst du ein wenig davon verraten, worum es darin geht?

Manfred Baumann: „Todesfontäne“ ist sicher das Buch, auf das viele Merana Fans lange gewartet haben. Ich habe meinen Kommissar am Ende des fünften Bandes, „Mozartkugelkomplott“, vor drei Jahren dermaßen in eine extreme Situation verfrachtet, dass wir lange nicht wussten, wie wir da jemals wieder rauskommen sollten. Weder er wusste es, noch ich. Nun versuchen wir es beide. Die Geschichte wird zu Meranas persönlichstem Fall, denn er muss weit in die eigene Vergangenheit zurück und sich Fragen stellen, denen er immer ausgewichen ist. Alles beginnt damit, dass ein Toter im Springbrunnen inmitten des idyllischen Ambientes einer Touristenattraktion liegt, im Salzburger Mirabellgarten. Merana kennt den Mann nicht. Aber der Tote trägt eine alte Fotografie bei sich. Und darauf ist jemand aus Meranas Vergangenheit abgebildet.

Kriminetz: Für die Premieren-Lesung deiner Krimis wählst du gerne außergewöhnliche Orte. So wie zur Premiere des fünften Salzburg-Krimis »Mozartkugelkomplott«, als die Gäste in Mozarts Geburtshaus eingeladen wurden. Bei einer weiteren Lesung wurde in Mozarts Wohnhaus mit den Originalinstrumenten von Wolfgang Amadeus musiziert. Hast du bereits einen Ort für die Präsentation von »Todesfontäne« im Visier?

Manfred Baumann: Ja, ich versuche die Präsentation immer an einem zentralen Schauplatz der jeweiligen Geschichte anzusiedeln, eben von Mozarts Geburtshaus über die Krimmler Wasserfälle bis zu den Hellbrunner Wasserspielen. Dieses Mal ist es der Salzburger Mirabellgarten. Der Stadtgartendirektor wird einiges über die Anlage erzählen, von den berühmten, ürbrigens frisch renovierten, Zwergen bis zu den Geheimnissen der barocken Blumenmuster. Ich werde aus ‚Todesfontäne‘ lesen. Und meine Harfenistin Stephanie Macheiner wird uns die passenden phantasiebewegenden Klänge herbeizaubern.

Kriminetz: Vielen Dank, Manfred Baumann, für die Beantwortung der sieben Fragen.

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