Sieben Fragen an Marcus Richmann

Das Foto zeigt den Schriftsteller Marcus Richmann.

Der Schriftsteller Marcus Richmann hat russische Wurzeln, in denen die Ursprünge zu seinem äußerst authentischen Ermittler Maxim Charkow zu finden sind. Seine Figuren sind psychologisch brillant gezeichnet. Da er die ersten 19 Jahre seines Lebens im Ausland aufwuchs, konnte er sich einen differenzierten Blick auf die Schweiz bewahren. Die Liebe zur Schweiz hindert ihn nicht, auch deren Schattenseiten zu beleuchten. Als Inspiration für seine Charkow-Romane dienen ihm dunkle Kapiteln der Weltgeschichte. Er lebt und arbeitet als Autor von Romanen und Drehbüchern in der Schweiz. Bisher sind vier seiner Krimis im Gmeiner Verlag erschienen. Eisväter wurde vom RSI als Zweiteiler unter dem Titel Cuore di ghiaccio (Herz aus Eis) verfilmt. Engelschatten und Allmacht waren für den Zürcher Krimipreis 2013/2017 nominiert. Marcus Richmann ist Mitglied im SYNDIKAT.

Für Kriminetz hat Marcus Richmann sieben Fragen beantwortet.

Kriminetz: Du warst mit „Allmacht“ für den Zürcher Krimipreis 2017 nominiert, mit „Engelschatten“ 2013. Der Preis ist eine schöne Unterstützung für Autoren und Autorinnen. Kann man aus dieser Form der Unterstützung auf einen hohen Stellenwert der Literatur in der Schweiz schließen?

Marcus Richmann: Der Züricher Krimipreis ist meinem Wissen nach die einzige Würdigung der Kriminalliteratur, die einen regionalen Bezug zu Zürich hat. Dieser Preis ist für uns KrimiautorenInnen sicher eine wichtige Würdigung mit regionaler Ausstrahlung.
Wenn wir die Umsatzanteile des Schweizer Buchmarkts anschauen, so spielt die Kriminalliteratur sicher eine bedeutende Rolle. Im Gegensatz dazu ist der Stellenwert der Schweizer Kriminalliteratur in der sogenannten "Literatur" eher gering. Die Solothurner Literaturtage ist der wichtigste Literatur-Event in der Schweiz. Jedoch werden dort Krimis von Wettbewerben ausgeschlossen und KrimiautorenInnen nicht eingeladen, da Krimis keine "Literatur" sind - so sieht es die Jury dieses Events. Ich persönliche bedaure diese Haltung, da es in der Schweiz auch unter den Krimis literarische Werke gibt, die einer Würdigung wert sind. Dadurch fällt den regionalen Krimipreisen umso mehr eine wichtige Bedeutung zu.

Kriminetz: Der Ermittler in deinen Krimis, Maxim Charkow, hat wie du selbst russische Wurzeln. Äußert sich das im Alltagsleben?

Marcus Richmann: Russland hat in meinem Leben einen festen Platz. Ich tausche mich regelmäßig mit meinen russischen Freunden über die Entwicklungen in Russland aus - immer auf der Suche nach dem Kern der russischen Identität. Die Sicht der Exilrussen hilft mir das Land und die Leute besser zu verstehen.

Kriminetz: Maxim Charkow hat eine Vorliebe für russisches Essen. Teilst du das mit ihm?

Marcus Richmann: Russland ist groß. Die Küchen sehr unterschiedlich. Der Norden serviert eher deftige, ländliche Gerichte. Hingegen der Süden sehr viel frische Kräuter und Gemüse auf den Tisch bringt. Generell kann man sagen, dass die Russische Küche hervorragend, aber auch sehr "nahrhaft" ist: Mit Fleisch gefüllte Ravioli an Knoblauchsauerrahm oder Blinis (Buchweizenfladen mit Sauerrahm und Kaviar) als Vorspeisen fordern mich sehr - meistens bin ich schon satt, im Wissen, dass noch weitere 2-3 Gänge auf mich warten, die oft Fleisch oder Fisch (Stör) als Grundlage haben. Ich selbst koche mir gerne eine gute Borschtsch (Weißkohl, rote Beete, Schmand, Rindfleisch, Kartoffeln, Rüben, Sauerrahm). Wie man sehen kann, eine vollwertige Mahlzeit, die in Russland nur eine Vorspeise ist.

Kriminetz: Du gestaltest neben eigenen Lesungen gemeinsame mit Daniel Badraun. Was erwartet eure Gäste bei diesen Veranstaltungen?

Marcus Richmann: Daniel schreibt humorvolle Kriminalgeschichten - ein wahres Kontrastprogramm zu meinen ernsten, eher schweren Krimis. Die ZuhörerInnen mögen diesen Kontrast. Oft lesen wir den Krimi des anderen und binden das Publikum ein, indem wir ihnen Rollen zuteilen. So machen wir sie selbst zum Teil des Programms. Durch diese Mischung wird der Lesungsabend sehr lebendig und das Publikum kann aktiv teilnehmen.

Kriminetz: Du gibst gemeinsam mit Elisa Daubner Kreativ-Workshops. Wer ist eure Zielgruppe?

Marcus Richmann: Die Kreativkurse sind vor 5 Jahren entstanden. Die Zielgruppe beginnt bei Kindern und endet bei SeniorenInnen. Zurzeit begleiten Elisa und ich punktuell eine Schulklasse von Teenagern zum Thema Identität. Eine spannende und erfüllende Arbeit. Meine Haupttätigkeit ist die Arbeit in meiner Praxis in Bern, in der ich als System- und Imaginationstherapeut arbeite. In diesem Bereich biete ich auch Systemische Aufstellungen von Drehbüchern und Romanen für Autoren an.

Kriminetz: Wird es einen neuen Fall mit Maxim Charkow geben?

Marcus Richmann: Im Moment arbeite ich an einer Idee, die viel Recherche erfodert. Der fünfte Fall von Maxim Charkow wird also einen Moment brauchen, bis er entwickelt ist. Soviel sei verraten: Es wird ein sehr russischer Stoff sein, der Charkow über die Landesgrenzen der Schweiz hinaus, und ihn mit seinen russischen Wurzeln in Kontakt bringen wird.

Kriminetz: Du bist Mitglied im Syndikat. Wie wichtig ist für dich der Austausch mit Kollegen und Kolleginnen?

Marcus Richmann: Es ist immer spannend zu hören, welche Erfahrungen meine KollegenInnen mit Verlagen, Agenten, Lesungen etc. machen. Ich freue mich sehr über Begegnungen mit ihnen, da jedes Mal viel zu lernen gibt. Dieser informelle Austausch ist für mich sehr wichtig. Oft kommt eine spontane Unterstützung zustande, sei es auf der Suche nach einem Verlag, einem Agenten oder einer Lesungsplattform. Man hilft sich gegenseitig in einer großzügigen Selbstverständlichkeit. Das schätze ich sehr.

Kriminetz: Vielen Dank, Marcus Richmann, für die Beantwortung der sieben Fragen.

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