Sieben Fragen an Nora Gomringer

Nora Gomringer im Deutsch Amerikanischen Institut in Heidelberg. © Claudia Schmid, Kriminetz

Nora Gomringer, geboren 1980, ist Schweizerin und Deutsche. Sie schreibt Lyrik und für Radio und Feuilleton. Seit 2000 hat sie sieben Lyrikbände und zwei Essay-Sammlungen bei Voland & Quist veröffentlicht, dazu auch verschiedene Werke beim Gesunden Menschenversand in Luzern.
Neben anderen zahlreichen Preisen wurden ihr der Jacob-Grimm-Preis Deutsche Sprache (2011) und der Joachim-Ringelnatz-Preis (2012) zugesprochen. 2015 erhielt sie neben dem Weilheimer Literaturpreis den Ingeborg-Bachmann-Preis für ihren Text „Recherche“. Sie hatte die Poetikdozenturen in Landau, Sheffield und in Kiel inne und war Gast zahlreicher Poesiefestivals im In- und Ausland. Die Poesiefestivals von Frauenfeld und Mexiko Stadt kuratierte sie 2013 und für 2016.
In ihre Arbeit bezieht sie mit Freude immer mehr Filme und Verfilmungen mit ein, dabei arbeitet sie mit Kolleginnen und Kollegen aus Musik und Film zusammen.

Nora Gomringer lebt in Bamberg, wo sie das Internationale Künstlerhaus Villa Concordia seit 2010 leitet.

Für Kriminetz beantwortete Nora Gomringer sieben Fragen.

Kriminetz: Du lebst in Bamberg in einem Haus aus dem Jahre 1717. Wie ist es, in so einem alten Haus zu wohnen? Flüstert es von den Geschichten früherer Bewohner?

Nora Gomringer: Die Villa Concordia in Bamberg ist seit 1997 auf Bestreben von Dr. Edmund Stoiber Sitz der freistaatlichen Institution des Internationalen Künstlerhauses und somit Dienststelle. Ich bin seit 2010 Leiterin dieser Dienststelle als Direktorin. Soweit das nominale. Als ich hier vor fast 6 Jahren eingezogen bin war es ein kleiner Kulturschock, weil die Decken so hoch sind, die Böden alt, die Wände weiß und in meiner Wohnung grün. Alles steht unter Denkmalschutz. Manchmal muss man aufpassen, nicht vorzeitig älter zu wirken, als man ist in diesen vier Wänden. Die Kombination von Arbeiten und Leben im selben Haus ist vielen Autoren ja nicht fremd. Ich lebe aber meine zwei Leben: Dichterin und Direktorin in der Villa. Es geht. Ich bin oft abhängig davon, dass die Künstlerinnen und Künstler, die vom Kuratorium empfohlen und dann vom amtierenden Kultusminister eingeladen wurden, 11 Monate im Künstlerhaus zu leben, ihrer umtriebigen Direktorin gegenüber wohlwollen sind. Ich laufe da schon mal in einem lustigen Kostüm über die Terrasse oder so, weil ich Dreharbeiten im Haus wahrnehme. Es ist also schön und herausfordernd. So wie ich es mag, wie das Leben.

Kriminetz: Bei deiner Lesung im Deutsch Amerikanischen Institut in Heidelberg hast du mehrmals auf die Illustrationen verwiesen. Wer macht sie und wie kam es zur Zusammenarbeit?

Nora Gomringer: Reimar Limmer ist der tolle Grafiker, mit dem ich die Trilogie „Monster Poems“, „Morbus“ und 2017 „Mode“ erarbeite. Monster und Morbus sind sehr erfolgreich und wurden auch vielfach nominiert als schöne Bücher. Herr Limmer und ich arbeiten via Email eng zusammen und es sausen Entwürfe hin und her, Texte wie Bilder. Wenn’s Redebedarf gibt, treffen wir uns. Wir sind quasi Nachbarn in Bamberg. Seine Webpage ist prima: hier klicken

Kriminetz: Wie lange arbeitest du in etwa an einem deiner Gedichtbände, die „zart und schmal wie Konfirmanden“ sein sollen?

Nora Gomringer: So ein zarter, schmaler Konfirmand interessiert mich ja nicht so. Das sage ich ja auch immer. Ich möchte auffällige, lockende Bücher machen, deren Titel schon anziehend sind oder etwas mit einem „machen“. Ich arbeite derzeit sehr konzeptionell. Ich schreibe auf ein Thema hin, brauche dann etwa 4-5 Monate für’s Schreiben von ca 30 Texten. Die Recherche braucht wesentlich länger.

Kriminetz: Du hast erzählt, du hättest kein Tattoo. Aber wenn, wie sähe es aus?

Nora Gomringer: Es wäre ein grafisches Gedicht/Bildgedicht von Eugen Gomringer.

Kriminetz: Du hast eine Doktorarbeit begonnen. Ich versuche mich zu erinnern … über Monster? Was sind die Monster in unserem Leben?

Nora Gomringer: Meine Doktorarbeit habe ich 2007 begonnen und nicht beendet. Monster gab es vorher und wird es nachher geben. Es ist nicht wirklich wichtig, ob ich sie alle erfasse oder nicht. Ich hatte angesetzt, über die Veränderungen des Horror Genres in Film und Literatur seit dem Terroranschlag von 9/11 zu schreiben. Und voila, ein anderer war schneller.
Die Monster in unserem Leben sind wohl Ängste, Schwächen, Befürchtungen und schnell ist man dann bei „Morbus“, dem Folgeband zu „Monster Poems“ angekommen. Da geht’s um Krankheiten.

Kriminetz: Welchen Aspekt in deiner Familiengeschichte findest du selbst besonders spannend?

Nora Gomringer: Dass meine 7 Brüder durch unseren sehr großen Altersunterschied sehr andere Eltern hatten als ich. Überhaupt zu realisieren, wie sich Menschen über die Jahre wandeln.

Kriminetz: Es ist soviel sprühende Spiellust zu spüren, wenn du auf der Bühne bist. Magst du es, wenn andere Menschen deine Texte vortragen?

Nora Gomringer: Ich lebe davon! Im wahrsten Sinne. Manchmal ist man enttäuscht von den Umsetzungen, manchmal ist es grandios und man platzt vor Stolz. Im Ganzen ist es gut, wenn der Autor verschwindet. Nur namentlich MUSS er als Urheber erhalten bleiben. Das ist respektvoll.

Kriminetz: Vielen Dank, Nora Gomringer, für die Beantwortung der sieben Fragen.

Nora Gomringer auf ihrer Website, Facebook und die Villa Concordia.

Claudia Schmid traf Nora Gomringer in Heidelberg. Fotograf: Hans Zatocil