Sieben Fragen an Pia Strietmann

Pia Strietmann, mit mehreren Preisen ausgezeichnete Regisseurin, beim 15. Festival des deutschen Films in Ludwigshafen. Sie kam zur Premiere von "Zeit der Wölfe". Foto: © Jürgen Schmid, Kriminetz

Pia Strietmann, in Münster geboren, ist Absolventin der Hochschule für Fernsehen und Film München. Schon im Jahr 2005 war sie mit dem Episodenfilm Neun, den sie zusammen mit acht Mitstudierenden umsetzte, erstmals Teil des Ludwigshafener Festivalprogramms. 2018 Jahr war sie mit ihrem Film Endlich Witwer, mit Joachim Król in der Hauptrolle, vertreten. Der Film wurde sowohl in Ludwigshafen als auch beim Filmfest München für Preise nominiert. Sie führte neben anderen Arbeiten auch Regie bei der ZDFneo Serie Blaumacher. Die Serie war 2018 für den Deutschen Fernsehpreis in der Kategorie Beste Comedy Serie nominiert.

Preise für Tage die bleiben: New German Directors Award 2012, Lobende Erwähnung Max Ophüls Preis, NDR Filmpreis, Publikumspreis Filmkunstmesse Leipzig, Prix du Jury - Festival de Cinéma Nantes, Nominierung bestes Nachwuchsregie Deutscher Regiepreis BVR, Drehbuchförderpreis Filmfest Münster.
Dies ist eine Auswahl der Preise, die ihr zuerkannt wurden.

Beim 15. Festival des deutschen Films in Ludwigshafen fand die Premiere des 12. Spreewaldkrimis statt: Zeit der Wölfe nach dem Buch von Thomas Kirchner und mit dem Duo Christian Redl und Thorsten Merten als Ermittler. Alina Stiegler steht als Polizeianwärterin im Fokus. Pia Strietmann führte Regie und kam zur Premiere auf die Parkinsel in Ludwigshafen am Rhein.

Für Kriminetz beantwortete Pia Strietmann sieben Fragen.

Kriminetz: Haben Sie gleich beim ersten Lesen des Drehbuch von Thomas Kirchner zu „Zeit der Wölfe“ gedacht, ja, das will ich machen! Oder brauchten Sie Bedenkzeit?

Pia Strietmann: Bedenkzeit brauchte ich kaum. Ich wollte nach meinem Debutfilm jedes Genre im deutschen Fernsehen ein Mal machen und bestenfalls keins doppelt, damit man meine Arbeiten und mich in keine Schublade packt. Was mir dann noch fehlte war „Crime“. Als Wolfgang Esser und Pit Rampelt vom ZDF mir den Spreewaldkrimi anboten, habe ich mich sehr gefreut. Denn ich finde die Reihe außergewöhnlich klug, eigen und mutig. Als ich das Drehbuch von Thomas Kirchner laß, hatte ich großen Respekt vor der Umsetzung. Er hat eine sehr eigene, fantastische Art, ein Drehbuch zu schreiben. Es ist wahnsinnig komplex. Und eine starke Herausforderung.

Kriminetz: Die Bedingungen, im Spreewald mit seinen Fließen und Kanälen zu drehen, sind für ein Film-Team sicherlich andere als bei einem anderen Landschafts-Setting?

Pia Strietmann: Man verliert viel wertvolle Arbeitszeit auf so unzugänglichem Gebiet. Die Motivsuche auf den Fließen dauert eine Ewigkeit. Und wenn man was gefunden hat, findet man es kaum wieder oder kann es nicht fassen, wie lange es dauert, mit dem ganzen Team dorthin zu kommen. Wir haben tatsächlich an Orten gedreht, wo man ausschließlich über Fließe hingelangt. Das hab ich kaum glauben wollen. Die Geschichte spielt ja sehr viel in der Natur. Und da eine für die Figuren passende (Gefühls-)Welt zu finden, ist so oder so nicht einfach. Aber es war toll einen Sommer nur im Wald zu stehen.

Kriminetz: Wie war es, mit einem Wolf zu arbeiten?

Pia Strietmann: Mit Tieren zu arbeiten ist nie einfach, da sie unberechenbar sind. Wölfe ganz besonders. Film-Wölfe sind so dressiert, dass sie an den Menschen und auch an ein Filmteam gewöhnt sind. Und dass sie einigermaßen vorhersehbar auf Dinge reagieren. Aber leider nur ein einziges Mal. Im Gegensatz zum Hund, kann man ihnen nichts „beibringen“, was dann ein paar Mal wiederherstellbar ist. Wölfe lässt man also gezielt reagieren, indem man sie überrascht. Wir wollten zum Beispiel, dass der Wolf nachts in den Bauwagen kommt und den schlafenden Krüger für ein paar Sekunden anschaut. Uns war wichtig, dass beide gemeinsam im Bild sind, um eine unheimliche Nähe zwischen ihnen zu erzeugen. Dafür musste sich Christian Redl schlafend legen - wir haben den Wolf in den Wohnwagen gelassen und da er nicht ahnte, dass da ein Mensch ist, hatten wir unseren überraschenden Moment. Leider nur sehr kurz, denn Christian und er hatten bereits Freundschaft geschlossen. Wir mussten dann mit Leberwurst nachhelfen.

Kriminetz: Haben die Schauspielerinnen und Schauspieler bei Ihnen ein Mitspracherecht bezüglich der Gestaltung Ihrer Rollen?

Pia Strietmann: Christian Redl, Thorsten Merten und Claudia Geisler sind feste Ensemblemitglieder dieser Reihe. Denen sag ich nicht viel zu ihren Figuren. Ihre Figuren kennen die drei viel besser als ich. Ich passe bei Ihnen nur auf, dass die Haltungen, Wendungen und Stimmungen überzeugen, und dass ich Ihnen glaube, was sie da tun. Generell haben Schauspieler immer das Mitspracherecht, gar die Pflicht, ihre Rolle zu gestalten. Um da die gleiche Vision zu finden, sprechen wir im Vorfeld sehr viel über die Haltung der Figur, ihre Konflikte und wie wir sie sehen. Das ist immer ein gemeinsamer Prozess.

Kriminetz: „Zeit der Wölfe“ hat neben anderen Handlungssträngen einen Vater-Tochter-Konflikt zum Inhalt. Die Thematik, die dabei im Vordergrund steht, wird sonst oft mit Vätern und ihren Söhnen bearbeitet. Hat es Sie gereizt, diesen Punkt filmisch umzusetzen?

Pia Strietmann: Ja sehr. Bewusst oder unbewusst, hier will die Tochter so sein wie ihr Vater, in seine Fußstapfen treten, oder anders: von ihm einfach nur geliebt werden. Gleichzeitig spürt sie, wie schwach Männer im Allgemeinen und ihr Vater schließlich im Besonderen sein können. Es ist ein Loslassen-Prozess, ein Erwachsenwerden, eine Emanzipation. Mich interessieren schon sehr lange Vater-Tochter-Verhältnisse. In meinem Abschlussfilm an der Filmhochschule München ging es auch um ein solches Verhältnis, in dem Alina Stiegler ebenfalls die Rolle der Tochter spielt. Damals war sie 14 Jahre alt und es war ihr erster Film.

Kriminetz: Gewaltbereitschaft der rechten Szene und Unterstützung auch von Seiten, die die Gesellschaft eigentlich davor schützen sollen, ist das Hauptthema des Films. Der Wolf ist ein Beutegreifer, es erfordert ziemliche Courage, sich ihm entgegen zu stellen. Ist es insofern ein Plädoyer für Mut?

Pia Strietmann: Ja, es ist auch ein Plädoyer für Hinschauen und Hinhören. Rechte Gedanken werden nicht nur in lauten Parolen von Menschen, die wir nicht kennen oder von denen wir nichts wissen wollen, geäußert. Sie können sich auch in unseren eigenen Familien finden, von Menschen die wir lieben. Es ist leicht das abzutun, auf taub zu schalten, wegzusehen, und erfordert sicher Mut, dann diese Liebe aufs Spiel zu setzen.

Kriminetz: Zu Beginn des Films sind die beiden Kommissare wegen eines „Vorfalls“ im letzten Fall entzweit. „Der Spreewald braucht Sie nicht“, sagt Fichte am Anfang zu seinem Chef. Am Ende ist er selbst um eine moralische Erfahrung reicher. Sind die beiden versöhnt?

Pia Strietmann: Ich glaube, noch nicht ganz. Fichte hat begriffen, dass Krüger für sein Vergehen, sich selbst zum Richter aufgespielt zu haben, büsst. Krüger hat seine Kraft verloren, sieht eben „Hasen“, aber das macht ihn nicht verrückt. Er nimmt es hin, akzeptiert, nimmt seine Strafe an. Fichte hingegen kann also in diesem Fall nicht auf Krüger zählen. Das macht ihn wütend. Denn auch er merkt am Ende: „ich hab alles richtig gemacht und keinem ist geholfen.“ Fichte spürt, dass er ohne Krüger nicht kann. Eine richtige Versöhnung gibt es aber meiner Meinung nach noch nicht. Eher eine Akzeptanz des anderen.

Kriminetz: Vielen Dank, Pia Strietmann, für die Beantwortung der Fragen.

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