Die Schriftstellerin Rebecca Michéle lebt mit ihrem Mann in der Nähe von Stuttgart. Sie ist auch noch unter ihren weiteren Pseudonymen Ricarda Martin und Mia Richter bekannt. Unter dem Namen Ricarda Martin –und ab November dieses Jahres auch unter dem Namen Michelle Ross – erscheinen Familiensagas im Knaur-Verlag. Unter Mia Richter erschien im Ullstein-Verlag ein Weihnachtsbuch. Als Rebecca Michéle veröffentlicht sie historische Romane im Dryas-Verlag, Lokalkrimis, die in ihrer Heimatstadt Rottweil spielen im Silberburg-Verlag und Cornwall-Krimis im Goldfinch-Verlag, in denen Miss Mabel Clarence ermittelt. Neben ihrer schriftstellerischen Tätigkeit ist Rebecca Michéle erfolgreich als Turniertänzerin unterwegs und trainiert mehrere Tanzsportgruppen. Sie ist bei den Mörderischen Schwestern, im SYNDIKAT und bei QUO VADIS. Bei DeLiA ist sie Gründungsmitglied und seit 2005 bis 2013 Präsidentin.
Für Kriminetz beantwortete Rebecca Michéle sieben Fragen.
Kriminetz: Viele deiner Bücher spielen in Großbritannien. Wie wurde diese Liebe geweckt?
Rebecca Michéle: Meine Liebe zu Großbritannien entdeckte ich im Alter von ca. 7-8 Jahren. Ich ging in eine Grundschule, in der bereits ab der 2. Klasse auf spielerische Art Englischunterricht erteilt wurde – damals war das etwas Ungewöhnliches. Von Anfang an interessierte mich das Leben der Menschen in England, die historischen Bauten und auch die Geschichte.
So richtig packte mich dann das Interesse mit etwa 10 Jahren. Meine Mutter las damals die Romane von Victoria Holt (auch bekannt unter Philippa Carr und Jean Plaidy), die ich auch zu lesen begann. Die Autorin verpackte fiktive Geschichte mit der Historie des Landes, und ich wollte mehr darüber wissen!
Als ich mir zum 12. Geburtstag eine Biografie über Heinrich VIII. wünschte, schlug meine Mutter entsetzt die Hände zusammen. „Aber Kind, das ist doch viel zu schwere Lektüre!“, sagte sie. „Lese lieber weiter Dolly oder Hanni und Nanni.“
Nun, das las ich natürlich auch, aber eben auch immer mehr Biografien und Sachbücher über die Geschichte Großbritanniens. Mein Traum war es, nach der Schule als Au-Pair-Mädchen nach England – am liebsten nach London – zu gehen, das hat aber leider nicht geklappt.
Mit 20 Jahren waren es dann endlich so weit: Ich reise zum ersten Mal für eine ganze Woche nach London. Sofort zogen mich die Stadt und die englische Lebensart in den Bann. Endlich sah ich all die historischen Orte und Bauwerke, über die ich seit Jahren gelesen habe und auch sonst alle Dinge, über die ich schon recht gut Bescheid wusste.
Es sollte dann noch mal fünf Jahre dauern, bis ich nach England zurückkehren konnte. Dieses Mal war es erneut London, dann ging es noch für eine Woche nach Cornwall. Inzwischen hatte ich viel über diese Grafschaft gelesen, besonders die zahlreichen Legenden und Mythen hatten es mir angetan. In diesem Urlaub entstand auch die Idee zu dem Roman, der schließlich einige Jahre später als mein erstes Buch veröffentlicht werden sollte – „Das Erbe der Lady Marian“.
Seitdem hat mich Großbritannien nicht mehr losgelassen. Seit 1989 gibt es kein Jahr, in dem ich nicht dorthin gereist bin, oft drei oder viermal. Seit 1992 habe ich gute Freunde in Cornwall, verbringe mit denen auch hin und wieder das Weihnachtsfest und erfahre durch sie natürlich vieles, das „normalen“ Touristen verborgen bleibt. Inzwischen habe ich bis auf Kanalinseln und Nordirland ganz Großbritannien bereist, am meisten zieht es mich jedoch nach Cornwall und nach Schottland.
Kriminetz: Wie kam Miss Mabel, die Ermittlerin deiner Krimis, zu dir? Stand sie eines Tages vor deiner Tür und forderte dich auf, du schreibst jetzt einen Krimi mit mir?
Rebecca Michéle: Ja, genau so war es!
Im deutschsprachigen Raum verbinden die meisten Menschen Cornwall mit den Rosamunde-Pilcher-Verfilmungen, über deren Handlung man geteilter Meinung sein kann. Die Landschaftsaufnahmen sind aber wirklich schön. Historische Romane mit dem Setting Cornwall hatte ich ja schon einige geschrieben, es war aber wirklich nur ein Bruchteil einer Sekunde, dass ich plötzlich eine ältere Dame vor mir sah, die meinte, warum nicht mal ein zeitgenössischer Krimi vor der zauberhaften Kulisse Cornwalls?
Wer die Romane kennt, merkt schnell, dass ich ein Faible für Miss Marple von Agatha Christie habe, besonders die vier Filme mit der unvergesslichen Margret Rutherford kenne ich in- und auswendig. Bewusst habe ich „meine“ Mabel Clarence an Miss Marple angelehnt und spiele auch in jedem Band darauf an. Ich wollte keine brutalen und blutrünstigen Krimis schreiben, weil mir das nicht liegt. Wahrschlich, weil ich selbst lieber Krimis lese, die zwar spannend, aber durchaus auch humorvoll sein sollen.
Kriminetz: Wie findest du deine Namen, unter denen du veröffentlichst? Fallen dir die spontan ein oder sind sie das Ergebnis langer Überlegungen?
Rebecca Michéle: Zuerst sollte man wissen, dass „Michéle“ viele Jahre mein richtiger Name war. Als mein erster Roman veröffentlicht wurde, wollte der Verlag nur einen anderen Vornamen, der auch englisch sein könnte. Da ich seit meiner Kindheit gern Rebecca heißen wollte, war diese Entscheidung binnen einer Sekunde getroffen.
Mit dem Wechsel zum Knaur-Verlag war auch ein Genrewechsel verwunden. Auch hier wünschte sich der Verlag ein neues Pseudonym. Ich wollte bei dem Initialen R.M. bleibe, so gab es zusammen mit dem Verlag Überlegungen, welcher Name hier geeignet wäre. Das ging aber binnen weniger Tage.
Bei Mia Richter und Michelle Ross war es ähnlich. Hier tauschten wir nur die Anfangsbuchstaben. Am längsten überlegten der Verlag und ich bei Michelle Ross, da es alle Kombinationen, die uns gefallen hätten, entweder schon gab, oder der Vertrieb des Verlages meinte, dass dieser Name nicht gut zu vermarkten wäre.
Übrigens, da ich immer danach gefragt werden: Michéle wird mit einem langen ersten e und einem weichen ch ausgesprochen – also „Micheeeele“ ausgesprochen. Der Name stammt aus dem Tschechischen, daher keine italienische oder französische Aussprache.
Kriminetz: Die Liste deiner Veröffentlichungen ist lang. Wie findest du die Ideen zu deinen Büchern?
Rebecca Michéle: Die Ideen finden mich :-).
Ich setze mich nicht hin und überlege, über was oder wen ich als Nächstes schreiben könnte. Plötzlich ist einfach eine Idee da, dann beginne ich um diese herum die Geschichte zu bauen. Die besten Einfälle kommen mir beim Wandern auf dem Coast Path, ein Wanderweg, der sich mit über 1000 km Länge um die Westküste Englands zieht, oder auch in Schottland. Oft reicht schon ein verlassenes Cottage auf den Klippen, darunter das sturmgepeitschte Meer – und schon stelle ich mir vor, welche Menschen in dem Cottage mal gelebt haben, was sie gefühlt, gedacht und erlebt haben.
Oder ich lese über eine historische Person und/oder ein Ereignis und plötzlich sehe ich fiktive Figuren vor mir, die in diese Ereignisse involviert sind.
Bei meinem ersten Lokalkrimi „Abschüssig“ (2012 im Silberburg-Verlag), in dem es um Mordfälle und korrupte Machenschaften bei einem Reisebusunternehmen geht, kam es wie folgt zu der Idee:
Ich begleitete als Reiseleiterin eine Gruppe nach Südengland. Reiseleitung und Busfahrer arbeiten ja sehr eng zusammen und unterhalten sich dementsprechend auch viel miteinander. Als der Busfahrer erfuhr, dass ich Autorin bin, sagte er mit einem Augenzwinkern: „Du musst mal was über Busfahrer schreiben.“
Ich lachte und antwortete: „Tja, das ist historisch aber etwas schwierig.“ Bis dato hatte ich ausschließlich historische Romane veröffentlicht.
Dieser kleine Floh, denn mir der Busfahrer ins Ohr gesetzt hatte, ließ mich jedoch nicht los, und bereits am nächsten Morgen hatte ich das Grundgerüst für den Krimi im Kopf und entsprechende Stichworte notiert.
Wenn ich eine Idee habe, versuchte ich sofort zu plotten und ein entsprechendes Exposé zu schreiben. Somit habe ich immer so etwa 8-10 fertige Ideen auf meiner Festplatte liegen. Das ist häufig von Vorteil, denn es kam schon vor, dass ein Verlag gerade das suchte, was von mir bereits geplottet und ausgearbeitet war. So war es auch beiden Cornwallkrimis. Als ich las, dass der Goldfinch-Verlag an etwas in dieser Richtung interessiert ist, hatte ich das ausgefeilte Exposé und sogar eine Textprobe bereits fertig, es aber vorher noch nicht einem anderen Verlag angeboten, da ich in dieser Zeit gerade mit anderen Manuskripten beschäftigt gewesen war.
Kriminetz: Du reist selbst sehr viel nach Großbritannien und begleitest auch als Reiseleiterin Fahrten dorthin. Ich stelle mir vor, da reist ein ganzer Bus Fans mit dir. Machst du dann auch Lesungen begleitend zur Reise?
Rebecca Michéle: : Das würde ich tatsächlich sehr gern machen, aber bisher kam es nicht dazu. Die Reiseleitung ist von meinem Beruf als Autorin abgekoppelt, d.h. dass ich den Gästen nicht sofort mitteile, mit was ich meine Brötchen eigentlich verdiene. Natürlich kommt im Laufe der Reise immer das Gespräch auf meinen Beruf, ich gehe damit aber nicht „hausieren“.
Ein Busfahrer meinte auch schon mal, ich solle doch eine Kiste mit Büchern im Bus haben, dann könnte ich während der Reise gleich meine Romane verkaufen. Das möchte ich aber nicht machen, denn das hätte den Touch einer sogenannten „Kaffeefahrt“ für mich. Die Gäste könnten sich mehr oder weniger verpflichtet fühlen, ein Buch zu kaufen, auch wenn sie das eigentlich nicht interessiert.
Wenn mich jemand fragt, dann gebe ich Auskunft und natürlich auch meine Visitenkarte und einen Flyer, in dem man sich über meine Arbeit informiert kann. Dann kann später jeder selbst entscheiden, ob er/sie sich einen Roman von mir kaufen möchte.
Es wäre natürlich eine schöne Idee, für meine Leser eine Reise nach Cornwall zu machen – zum Beispiel auf den Spuren von Mabel Clarence zu wandeln. Da ich aus rechtlichen Gründen aber selbst keine Reisen veranstalten darf, müsste ein Unternehmen die Formalitäten wie z.B. Versicherungen usw. regeln. Das war bisher (noch …) nicht der Fall, aber wer weiß, was die Zukunft bringt.
Kriminetz: Du setzt dich ehrenamtlich für den Tierschutz ein. Lebst du auch selbst mit einem Haustier?
Rebecca Michéle: Ja, derzeit „diene“ ich zwei 3jährigen, wunderschönen roten Tigerkatern :-).
Seit ich ein Baby war, war ich immer von Tieren umgeben: Von Goldfischen über Vögel, Mäusen, Hamstern, Meerschweinchen, Zwergkaninchen bis hin zu Katzen und immer wieder Katzen. Katzen sind meine große Leidenschaft, da ich auch aufgrund eine sehr starken Hundehaarallergie leider noch nie einen Hund halten konnte und es auch nie können werde. Es kam schon oft vor, dass ich – wenn ich ein Tier verloren habe – dachte, dass ich nun keines mehr möchte. Dieser Gedanke hält aber nie lange vor, denn in einem Leben ohne Tiere, ganz besonders Katzen, würde mir sehr, sehr viel fehlen.
Aus diesem Grund arbeitete ich auch seit acht Jahren mehrmals wöchentlich ehrenamtlich im örtlichen Tierheim. Wir haben nur Katzen, andere Tiere nehmen wir nur kurzfristig auf, die gehen dann an die größeren Tierheime in der Umgebung weiter. Ich nehme auch immer wieder Pflegekatzen zu mir nach Hause, z.B. Babys ohne Mutter, die mit dem Fläschchen großgezogen werden müssen, Katzen nach schweren Operationen, die sonst in einer engen Quarantänebox hausen müssten bis sie wieder gesund sind, oder auch Katzen zum resozialisieren, die aus verschiedenen Gründen das Vertrauen in die Menschen verloren haben.
So kam ich auch zu meinen zwei Tigern. Nachdem ich im letzten Sommer meine Katze verloren hatte, hatte ich immer wieder verschiedene Pflegekatzen. Im Dezember bekamen wir im Tierheim die zwei roten Schönheiten rein, die zuvor kein besonders angenehmes Leben geführt haben müssen (wir wissen nichts Näheres), denn sie waren nicht nur scheu und verstört, sondern Menschen gegenüber regelrecht aggressiv. Sie zitterten, fauchten, kratzten, bissen und verkrochen sich in die letzte Ecke. Ich nahm sie zu mir, da sie hier einen größeren Bewegungsspielraum als im Heim haben, außerdem bin ich tagsüber zu Hause und konnte mich um sie kümmern. Mit viel Geduld und Ansprache tauten sie langsam auf, es gab aber niemanden, der die zwei zu sich nehmen sollte. Nun, nach sechs Monaten hatten die Beiden so viel Vertrauen zu mir aufgebaut, dass ich sie unmöglich zurück ins Tierheim oder an neue Besitzer abgeben konnte. So blieben und bleiben sie also bei mir, und wir arbeiten weiter daran, dass sie hoffentlich eines Tages mal ganz normale Katzen werden. Wir sind aber auf einem sehr guten Weg …:-).
Kriminetz: Du bist erfolgreiche Turniertänzerin und seit vielen Jahren auch Tanzsporttrainerin. Schöpfst du aus der sportlichen Tätigkeit neben der Freude an Bewegung auch Kraft für die Disziplin, die das Schreiben erfordert?
Rebecca Michéle: Tanzen und Schreiben hat mehr mit einander zu tun, als es auf den ersten Blick scheint. Für beides – zumindest wenn man im Turnierbereich erfolgreich sein möchte – ist ein gewisses Talent Grundvoraussetzung, der Rest ist dann unermüdliches Training, Training und nochmals Training –also eine große Disziplin, ohne die es beim Schreiben auch nicht geht. Beim Schreiben muss man auch immer dabeibleiben, denn mit jedem Text (auch wenn er vielleicht nicht veröffentlich wird) wird man erfahrener und damit auch besser. Disziplin ist also beim Tanzen wie auch beim Turniertanzsport das A und O.
In beiden Bereichen muss man auch kritikfähig sein, auch wenn man manchmal eine solche Kritik nicht verstehen oder nachvollziehen kann. Die „Bewertung“ beim Tanzen ist mit den Rezensionen der Romane zu vergleichen. Wenn man tänzerisch die S-Klasse (höchste Amateurklasse) erreicht hat, dann gibt es keine Konkurrenz mehr die „schlecht“ oder aus dem Takt tanzt. Natürlich gibt es hier Kriterien, die jedes Paar beherrschen muss, schlussendlich entscheidet aber die subjektive Meinung der Wertungsrichter über Sieg oder Niederlage. Einfach, ob den Wertungsrichter Tanzstil gefällt oder ob nicht.
Das ist beim Schreiben ebenso. Auch als Autorin muss man die Grundregeln selbstverständlich beherrschen, man kann aber unmöglich den Geschmack aller Leser treffen. Somit entscheiden die Leser, ob ein Roman gefällt und ankommt, oder ob nicht.
Seit ich mit 13 Jahren die ersten Schritte in einer Tanzschule machte, habe ich ununterbrochen getanzt, mit 21 Jahren dann der Wechsel in den Turniersportbereich. Tanzen ist ein wunderbarer Ausgleich zum täglichen Sitzen am Schreibtisch (bevor ich mich als Autorin selbständig machte, hatte ich einen Bürojob). Bewegung auf Musik ist für mich einfach die schönste Art, sich sportlich zu betätigen und die Glieder und Muskeln zu lockern und zu entspannen. Beim Paartanz kommt noch hinzu, dass man diesen Sport, der ja auch viele Wochenenden beansprucht und Reisen erforderlich macht, mit seinem Partner ausüben kann. Meine zwei bisherigen Tanzpartner waren, bzw. sind auch meine Lebenspartner, was für mich sehr wichtig ist. Ich möchte meine Freizeit ja mit dem Menschen, der mir am liebsten ist, verbringen.
Seit 1989 unterrichte ich auch regelmäßig mehrere Tanzgruppen. Von Kindern/Jugendlichen bis zu Senioren, von Anfängern bis zu Turniertänzer war schon alles dabei. Mir macht es sehr viel Spaß, den Menschen etwas von dem, das mir am Herzen liegt und mir viel bedeutet, zu vermitteln. Zusätzlich komme ich damit natürlich auch unter Menschen, denn das Schreiben daheim im stillen Kämmerchen ist ja schon ein einsamer Job …
Kriminetz: Vielen Dank, Rebecca Michéle, für die Beantwortung der Fragen.
Rebecca Michéle: Ich danke Dir für die interessanten Fragen, die ich mit Freude beantwortet habe.
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