Sieben Fragen an Rudolf Georg

Das Foto zeigt den Schriftsteller Rudolf Georg. Foto © A. Jurcec

Rudolf Georg wurde in Friedrichshafen geboren. Seine Kindheit verbrachte er zunächst am Bodensee und später im Rheinland. Er studierte Jura in Bonn und in Speyer, ist verheiratet, hat zwei Kinder und lebt seit vielen Jahren in der Region Stuttgart. Von hier aus arbeitet er als Rechtsanwalt. Seine oft nicht alltäglichen Mandate führen ihn zu den unterschiedlichsten Orten in ganz Deutschland. Stets interessieren Rudolf Georg die Menschen hinter seinen Fällen. Was geht in ihnen vor? Was treibt sie an? Sünde des Schweigens ist der erste Kriminalroman des Autors, der unter einem Pseudonym veröffentlicht. Das Buch ist im Gmeiner-Verlag erschienen.

Für Kriminetz beantwortete Rudolf Georg sieben Fragen.

Kriminetz: Erlebst du als Anwalt Sachen, von denen du denkst, die Wirklichkeit ist manchmal krasser als Fiktion?

Rudolf Georg: In der Tat habe ich schon viele Dinge erlebt, von denen ich zuvor nicht gedacht hatte, dass so etwas passieren könnte. Das betrifft sowohl Dummheit als auch Brutalität. Mit Gewalt habe ich zum Glück so viel zu tun, seit ich keine Strafsachen mehr bearbeite. Mit mangelnder Einsicht und schlichter Überforderung durch alltägliche Probleme werde ich hingegen fast täglich konfrontiert. Ein einfaches Beispiel hierfür: Kein Mensch würde einem Gebrauchtwagenverkäufer glauben, wenn er behaupten würde, mit dem Auto dürfe man ungestraft mit 100 Sachen durch eine Tempo 30-Zone fahren. Aber viele Grundstückskäufer glauben es, wenn der Verkäufer ihnen erzählt, sie dürften auf dem erworbenen Grundstück ganz groß bauen; wenn ihnen dann die Behörde keine Baugenehmigung erteilt, denken sie, die Behörde habe falsch gehandelt, kommen aber nicht auf die Idee, dass ihnen der Verkäufer Märchen erzählt haben könnte.

Kriminetz: Deine Erfahrungen als Anwalt dürfen vermutlich in deine Werke nicht einfließen?

Rudolf Georg: Die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht reicht sehr weit. Über den Gegenstand eines Mandats muss ich schweigen, ich darf noch nicht einmal sagen, wer mein Mandant war oder ist. Dennoch kann ich natürlich meine Erfahrungen in meine Geschichten einbauen, indem ich sie verfremde und etwa an einen anderen Ort in eine andere Zeit verlege. Das Verhalten von Menschen, das ich erlebt habe, kann ich auch losgelöst vom konkreten Fall darstellen. So kann ich durchaus erzählen, dass ein Kollege, der mir in der mündlichen Verhandlung gegenüber saß, kurz vor dem Termin noch einen umfangreichen Schriftsatz eingereicht hatte. Der Vorsitzende Richter war deshalb sehr ungehalten und sagte zu ihm: „Sie glauben doch nicht, dass wir das noch gelesen haben?“ Der Kollege antwortete: „Das müssen Sie auch nicht. Es steht sowieso nichts drin!“ Weshalb er dann soviel geschrieben hatte, blieb sein Geheimnis.

Kriminetz: In »Sünde des Schweigens« gerät ein Rechtsanwalt in einen Konflikt zwischen seiner Schweigepflicht und seinem Gewissen. Gibt es Bereiche, wo die Schweigepflicht eines Juristen nicht gelten darf?

Rudolf Georg: Die Schweigepflicht gilt nicht für alle Juristen, sondern nur für bestimmte Berufsgruppen, zu denen etwa Rechtsanwälte gehören. Hier folgt die Pflicht bereits daraus, dass der Anwalt Interessenvertreter seiner Partei ist. Diese Verpflichtung ergibt aber auch ausdrücklich aus der Bundesrechtsanwaltsordnung. Wer dennoch etwas ausplaudert, macht sich strafbar. Das gilt beispielsweise auch für Amtsträger wie Richter und Staatsanwälte. Juristen, die in privaten Unternehmen arbeiten, also etwa bei Banken oder Versicherungen, unterliegen anderen Beschränkungen.

Die anwaltliche Verschwiegenheit geht – wie gesagt – sehr weit. Sie findet dort ihre Grenze, wo es eine gesetzliche Verpflichtung zur Aussage gibt. Das kann in Gerichtsverfahren sein, in denen der Mandant seinen Rechtsanwalt ausdrücklich von der Verschwiegenheitspflicht befreit, weil er sich davon möglicherweise einen Vorteil verspricht. Es kann aber auch sein, dass der Anwalt von einem bevorstehenden Kapitalverbrechen wie einem Mord erfährt, den er anzeigen muss.

Kriminetz: Die Ehefrau eines schwäbischen Unternehmers kommt in »Sünde des Schweigens« um. Wurde die Wahl ihres Familiennamens durch den Namen eines bekannten Standardwerks für Juristen beeinflusst?

Rudolf Georg: Nein, der Name der Gesetzessammlung hatte nichts damit zu tun. Den Namen habe ich auch mehrmals geändert. Ursprünglich hatte ich überlegt, diesen „Frauenhelden“ als typischen Macho südeuropäischer Herkunft darzustellen. Das wäre dann aber wohl doch zu viel des Guten gewesen.

Kriminetz: Hast du während deines Studiums der Rechtswissenschaft bei einer Autopsie in der Rechtsmedizin zugeschaut?

Rudolf Georg: Wir hatten an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn, wie sie – glaube ich – immer noch heißt, so genannte „Übungen in Rechtsmedizin“. Sie umfassten Vorträge mit Diaschauen – so etwas gab es damals noch – und Besuche in der Gerichtsmedizin, auch bei Obduktionen. Ich kann Dir versichern, es gibt Schöneres als aufgedunsene Wasserleichen …

Kriminetz: Du hast dich für die Veröffentlichung deines Krimis für ein Pseudonym entschieden. Wirst du es irgendwann einmal lüften?

Rudolf Georg: Im Moment habe ich das nicht vor. Ich möchte meine schriftstellerische Tätigkeit sauber vom Anwaltsberuf trennen, obwohl es – wie Du gesehen hast – durchaus Wechselwirkungen gibt, aber nur in die eine Richtung.

Kriminetz: In welchen nächsten Fall gerät Dr. Jean-Jacques „Joja“ Seltenreich?

Rudolf Georg: Am nächsten Krimi arbeite ich gerade. Spoilern will ich nicht, aber so viel möchte ich verraten: Arzneimittel werden eine entscheidende Rolle spielen. Auch wird es wieder Todesfälle geben.

Kriminetz: Vielen Dank, Rudolf Georg, für die Beantwortung der sieben Fragen.