Sieben Fragen an Simone Buchholz

Das Foto zeigt die Journalistin und Schriftstellerin Simone Buchholz.

Simone Buchholz, geboren 1972 in Hanau, lebt seit 1996 in Hamburg. Sie wurde auf der Henri-Nannen-Schule zur Journalistin ausgebildet und arbeitet seit 2001 als freie Autorin. Simone Buchholz wohnt mit Mann und Sohn auf St. Pauli.

2008 erschien ihr erster Kriminalroman Revolverherz mit Staatsanwältin Chastity („Chas“) Riley, die im Hamburger Kiezmilieu ermittelt. Beton Rouge, der aktuelle Krimi mit Chastity, erschien im Suhrkamp-Verlag und landete prompt auf der Krimibestenliste für den August 2017. 2016 erhielt die Schriftstellerin den Crime Cologne-Award für Blaue Nacht und 2017 den deutschen Krimipreis.

Für Kriminetz beantwortete Simone Buchholz sieben Fragen.

Kriminetz: Die Figur der Staatsantwältin Chastitiy Riley ist erfrischend ungewöhnlich. Was magst du selbst an ihr am liebsten?

Simone Buchholz: Dass sie nie mit dem Strom schwimmt, sondern immer dagegen – aber nicht, weil sie sich das so ausgesucht hat, sondern weil sie nicht anders kann. Sie ist widerborstig und nicht besonders anpassungsfähig, sie ist ein rebellischer Geist, der in jeder Situation wieder neu entscheiden muss, was falsch und was richtig ist. Dabei hat sie aber einen ganz festen moralischen Kompass in ihrem Herzen. Das alles kommt von ihrer Einsamkeit, hilft aber auch nicht gerade dabei, weniger einsam zu sein.

Kriminetz: Staatsanwältin Chastitiy Riley verplempert in „Beton Rouge“ ihre Zeit nicht im Büro, sie ist ständig on the road. Was hat dich dazu angeregt, diese ungewöhnliche Juristin zu erfinden?

Simone Buchholz: Ich wollte einfach langfristig mit jemandem arbeiten, der aufregend ist. Und sie ist, als Staatsanwältin, ja einerseits immer Herrin des Verfahrens, bestimmt also, ob ermittelt wird oder nicht, gleichzeitig darf sie aber, anders als Ermittler von der Kripo, keine Waffe tragen. Das macht sie natürlich ziemlich verletzlich, und sie ist darauf angewiesen, in gefährlichen Situationen jemanden bei sich zu haben, der eine Knarre im Hosenbund stecken hat – ob das dann ein Polizist oder ein Verbündeter aus dem Rotlichtmilieu ist, kommt ganz auf die Situation an. Was mich noch gereizt hat, an einer Figur aus der Justiz: dass sie sich ständig mit dem Unterschied zwischen Recht und Gerechtigkeit auseinandersetzen muss. Und der ist ja manchmal ganz erheblich.

Kriminetz: Die nackten Männer in den Käfigen in „Beton Rouge“ verbindet etwas. Als man dies beim Lesen nach und nach erfährt, kann man verstehen, warum sie dort gelandet sind. Muss der Stecken möglichst dreckig sein, um es weit nach oben zu bringen?

Simone Buchholz: Das nicht unbedingt. Aber eine gewisse Rücksichtslosigkeit hilft sicher beim Aufstieg.

Kriminetz: Die Verlagswelt hat sich drastisch geändert, die digitale Veränderung kommt der „Gutenberg-Revolution“ gleich. Gibt es irgendwo am Horizont ein Wundermittel zur Rettung der Print-Medien?

Simone Buchholz: Wenn ich diese Frage beantworten könnte, wäre ich eine hochbezahlte Beraterin im internationalen Verlagswesen, und keine Krimiautorin ohne Altersvorsorge.

Kriminetz: Stichwort „Gute Jobs für gute Journalisten“ (S. 36). Würdest du einem jungen Menschen heute noch dazu raten, diesen Beruf zu erlernen?

Simone Buchholz: Ja, immer und immer wieder. Auch, wenn das kein Job mehr ist, mit dem man reich werden kann, so ist doch ein sehr wichtiger Beruf. Ich würde allerdings zu dem Versuch raten, eine Festanstellung bei einer großen, deutschen Tageszeitung oder beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk oder Fernsehen zu ergattern. Alles andere kommt inzwischen dem finanziellen Selbstmord gleich. Der Begriff „freier Journalist“ ist doch im Moment fast ein Euphemismus für „jedermanns Knecht“.

Kriminetz: Schärft es den Blick auf die soziale Verteilung zwischen den Vierteln, in die jene hineingeboren werden die in x-ter Generation oben schwimmen und dem Kiez, wenn man, so wie du, irgendwann von außerhalb nach Hamburg gezogen ist?

Simone Buchholz: Das mag sein, kann ich aber in meinem Fall gar nicht so genau sagen. Ich komme aus einem politisch traditionell linken Haus, mein einer Großvater hat an der Hamburger Staatsoper gesungen und war einer dieser klassischen Salonkommunisten, die immer mit einem roten Schal um den Hals durch die Stadt gelaufen sind, mein anderer Opa war Teil der Arbeiterklasse – hat aber auf eine ganz besondere Art meinen Blick geschärft: er hatte in der russischen Kriegsgefangenschaft sein Augenlicht verloren. Als ich klein war, ist er viel mit mir spazieren gegangen, und ich sollte ihm immer erzählen, was ich sehe, welche Farbe die Blätter der Birken haben zum Beispiel. Vielleicht war es eher das, was mich gelehrt hat, auf meine Umgebung zu achten.

Kriminetz: Was vermisst du an Hamburg, wenn du nicht dort bist?

Simone Buchholz: Die Möwen, das Licht, und den Humor der Menschen hier.

Kriminetz: Vielen Dank, Simone Buchholz, für die Beantwortung der sieben Fragen.

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