Die Schriftstellerin Sybille Baecker ist gebürtige Niedersächsin und Wahlschwäbin. Nach einem Studium der Betriebswirtschaftslehre in Münster und Neu-Ulm war sie viele Jahre als IT-Prozessingenieurin in einem internationalen Unternehmen tätig. Später wechselte sie das Fach und arbeitete mehrere Jahre als Pressereferentin eines Sportfachverbandes in Stuttgart. Baecker lebt heute nahe der Universitätsstadt Tübingen. Sie schreibt Kriminalromane und Krimi-Kurzgeschichten. Durch ihre Krimiserie mit ihrem Kommissar und Whiskyfreund Andreas Brander wurde sie zur Fachfrau für "Whisky & Crime". Im September 2020 erscheint mit Schwabentod der 9. Fall für Kommissar Brander und sein Team.
Sybille Baecker wurde 2020 mit dem Arbeitsstipendium der Mörderischen Schwestern ausgezeichnet.
Für Kriminetz beantwortete sie erneut sieben Fragen.
Kriminetz: Du wurdest in diesem Jahr mit dem Arbeitsstipendium der Mörderischen Schwestern ausgezeichnet. Welches Projekt hattest du zur Bewerbung eingereicht?
Sybille Baecker: Es handelt sich um einen Kriminalroman, der zum Teil in Schottland und zum Teil in Deutschland spielt. In mehreren Erzählsträngen aus unterschiedlichen Perspektiven geht es darum, dass man für sein eigenes Handeln Verantwortung übernehmen muss. Zwei Figuren stehen im Roman besonders im Vordergrund. Zum einen geht es um die Flucht einer Frau vor ihrer Vergangenheit in einer extremistischen Untergrundorganisation. Die Frau flieht nach Schottland und erfährt, was es heißt, in einem fremden Land auf die Hilfe fremder Menschen angewiesen zu sein – insbesondere, da sie von ihren Ex-Kameraden und der Polizei gesucht wird. Parallel dazu erzähle ich die Geschichte der gegen die rechte Gruppierung ermittelnden Kommissarin in Deutschland, deren Arbeit mit der Flucht der Frau mit einem Schlag ruiniert zu sein scheint.
Dieser Krimi ist ein absolutes Herzenzprojekt. Die Idee dazu entstand bereits vor einigen Jahren. Ich bin ein großer Schottland-Fan (nicht nur wegen des Whiskys für meinen Kommissar Brander) und machte bei einer Schottlandreise einen Tagesausflug auf die Orkney-Inseln. Ich habe mich auf der Stelle in die Inseln verliebt und beschlossen: Ich muss einen Roman schreiben, in dem Orkney eine Rolle spielt. Dazu musste ich die Region erst noch mehrfach ausgiebig zu verschiedenen Jahreszeiten bereisen, um Land und Leute besser kennenzulernen, Handlungsorte zu finden, zu dokumentieren und mir u.a. auch ein Bild von der Polizeiarbeit vor Ort zu machen.
Für die Auszeichnung mit dem Arbeitsstipendium bin ich sehr dankbar. Es ist für mich eine Bestätigung, dass ich mit meinem Plot, meinen Figuren und der Art, ihre Geschichten zu erzählen, auf dem richtigen Weg bin. Die finanzielle Unterstützung hilft mir natürlich insbesondere in diesen Zeiten, weiter an dem Buch zu arbeiten.
Kriminetz: Neben den Mörderischen Schwestern bist du auch Mitglied im SYNDIKAT. Was schätzt du als Schriftstellerin am Netzwerken besonders?
Sybille Baecker: Mir gefällt die gegenseitige Unterstützung und Bereicherung, die der Austausch und die Zusammenarbeit in einem Netzwerk bietet. Jeder hat besondere Fähigkeiten und Kenntnisse, mit denen kann man sich einbringen, und man profitiert natürlich auch vom Wissen und der Erfahrung der anderen.
Ganz konkret ein paar Beispiele:
Sowohl bei den Mörderischen Schwestern als auch im Syndikat werden immer wieder in den Regiogruppen oder bei den Jahrestreffen Fortbildungen zu allen möglichen fachspezifischen Themen organisiert. Gerade im Krimi-Genre gibt es viele Themen, zu denen sonst keine Fachfortbildungen so einfach möglich sind. Zudem gibt es interne Mailinglisten, in denen man geschwind mal eine Frage in die Runde werfen kann, wenn man mit einem Thema nicht weiterkommt. Bei mehreren Hundert Mitgliedern findet sich in der Regel immer ein Fachmann/eine Fachfrau, die weiterhelfen kann.
Bei den Mörderischen Schwestern gibt es das Lesungsformat der „Ladies Crime Night“, da lesen mehrere Autorinnen an einem Abend jeweils kurze Sequenzen aus ihren Büchern. Der Autorinnenpool ist bunt gemischt mit erfahrenen Autorinnen, aber auch mit Neulingen, die so erste Erfahrungen auf der Bühne sammeln können. Und wir Autorinnen können uns austauschen, was gut war und was vielleicht verbessert werden kann.
Ganz wichtig ist auch die Stärkung der AutorInnenrechte. Es mag abgedroschen klingen, aber nur gemeinsam sind wir stark, haben eine Stimme und können damit hier und da etwas bewegen. Ich bin meinen vielen sehr engagierten KollegInnen für ihr ehrenamtliches Engagement gerade auf politischer Ebene sehr dankbar und versuche, meine fünf Cent dazu beizutragen.
Kriminetz: Anfang November geht das 8-tägige Krimifestival „Crime Cruise“ auf dem Nordatlantik in die 2. Runde. Mit dir an Bord! Du warst auch beim ersten Mal mit dabei. Wo startet ihr und wohin geht die Reise?
Sybille Baecker: Es ist dieselbe Route wie im vergangenen Jahr: Die Tour startet in Hirtshals (Dänemark), führt nach Torshavn (Färöer Inseln), von dort nach Seydisfjördür (Island) – Krimifans kennen den kleinen Ort vielleicht aus der Serie „Trapped“. Auf dem Rückweg gibt es dann noch einmal einen Stopp in Torshavn.
Die Crime-Cruise findet auf der MS Norröna statt, das ist kein Kreuzfahrtschiff, sondern eine Personen- und Versorgerfähre, die regelmäßig zwischen den Inseln und Dänemark verkehrt und die Menschen dort mit Notwendigem versorgt, was es auf den Inseln nicht gibt, und anders herum z.B. den Fisch zu uns aufs Festland bringt. Luxus und Käptensdinner sucht man hier vergebens. Die Abendgarderobe kann also zuhause im Schrank bleiben - angesagt sind wind- und wetterfeste Kleidung.
Wer Krimis und die nordischen Länder mag, der ist hier genau richtig. Mal abgesehen davon, dass die Natur einfach grandios ist, ist auch das Programm mega abwechslungsreich, sodass die teils langen Schiffspassagen viel zu schnell vergehen. Beim letzten Mal war z. B. der Kriminalist Dr. Manfred Lukaschewski mit an Bord und hat in mehreren Vorträgen über die Arbeit bei der Kripo referiert – bildhaft und mit trockenem Ermittlerhumor. Da war auch für mich viel Interessantes dabei. Er ist dieses Mal ebenfalls wieder mit an Bord. Dazu kommt der Profiler Axel Petermann und tolle Autorenkollegen (u.a. Steintor Rasmussen und Tatjana Kruse) auf die ich mich sehr freue.
Da die Norröna kein riesiger Kreuzfahrtliner ist, ist die Anzahl der Teilnehmer begrenzt, sodass bei der letzten Tour der direkte Kontakt zwischen Gästen und Akteuren gut möglich war und es sicherlich auch in diesem Jahr wieder die Möglichkeit zu netten Gesprächen beim Kaffee oder an Deck geben wird. (Und Platz genug, um Corona-konformen Abstand zu halten, ist auf der Fähre allemal.)
Kriminetz: Bist du seefest? Gab es einen heftigen Sturm, als du zum ersten Mal mit dabei warst?
Sybille Baecker: Wir hatten keinen Sturm, aber die Dünung war doch deutlich spürbar. In der ersten Passage gab es Wellen bis zu 7 Meter, Windstärke 7-8. Der Seemann nennt das eine „steife Brise“. Ich liebe es, an Deck zu stehen, mir den kalten Wind um die Nase wehen zu lassen und einfach nur auf die Wellen und die Weite zu blicken.
So lange ich an Deck war, machte mir der Seegang auch nicht zu schaffen. Aber nach der ersten durchschaukelten Nacht war ich dann doch leider seekrank (– nicht nur ich). Glücklicherweise konnte man an der Rezeption ein „Zaubermittelchen“ erwerben. Damit ging es mir umgehend besser und ich konnte die Tour ohne weitere Probleme genießen. Ich musste die Tabletten auch nicht die ganze Tour lang nehmen. Ich brauche immer 2, 3 Tage, bis sich mein Körper bzw. mein Hirn an den Zustand auf See gewöhnt hat.
Lustig war die Rückkehr aufs Festland. Da hatte sich mein Hirn so schön auf das schaukelnde Schiff umgestellt, dass es plötzlich nicht mehr damit klar kam, dass der Boden unter meinen Füßen nicht mehr schwankte. In den ersten Tagen ist mir dadurch immer mal wieder schwindelig geworden und die Wände haben gewackelt, obwohl sich nichts bewegt hat.
Kriminetz: Im Dryas Verlag ist 2019 dein Buch „Whisky Trail Schwaben“ erschienen. Welches ist dein Lieblings-Genuss-Trail im Ländle?
Sybille Baecker: Die Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten, denn das Ländle hat sehr viele schöne und abwechslungsreiche Seiten, wie ich bei meinen Recherchen zu dem Reisehandbuch feststellen musste. Ich lebe mittlerweile seit mehr als zwanzig Jahren im Süden und bin bei meinen Reisen zu den schwäbischen Whiskybrennern in Gegenden gekommen, die ich vermutlich sonst niemals gesehen hätte.
Die Brennereien sind zwischen Gäu, Bayerisch Schwaben bis hin zum Bodensee über die ganze Schwäbische Alb verteilt. Häufig findet man die Brennereien in kleinen Örtchen – wie zum Beispiel die Brennerei Feller in Regglisweiler-Dietenheim. Den Ortsnamen schon mal gehört? Genau, kennt kein Mensch, außer denjenigen, die dort wohnen. Aber es lohnt sich, dorthin zu fahren, zum einen wegen des tollen Whiskys, zum anderen ist auch die Umgebung sehr schön.
Oder nehmen wir die Brennerei finch® – Deutschlands zweitgrößte Whiskybrennerei hat ihren Firmensitz in Heroldstatt, das ist ebenfalls ein sehr kleiner unscheinbarer Ort auf der Schwäbischen Hochebene. Die Brennerei hat tolle preisgekrönte Whiskys im Angebot und man kann sehr schöne Tastings buchen.
Auf dem Whisky-Trail wandern kann man am besten rund um die Burg Teck (Dettingen-Owen-Unterlennigen), dort ist quasi das Zentrum des Schwäbischen Whiskys. Hier kann man tatsächlich von Destille zu Destille wandern und die Vielfalt der Schwäbischen Whiskys kennenlernen, denn jeder Brenner hat seine eigene Philosophie. Zudem gibt es hier mit Streuobstwiesen, Hochmoor und Albtrauf eine sehr abwechslungsreiche Natur.
Kriminetz: In wenigen Tagen erscheint im Emons-Verlag dein neuer Krimi „Schwabentod“. Worum geht es darin?
Sybille Baecker: In meinem neuesten Fall wird Kommissar (und Whiskyfan) Andreas Brander mit dem Thema Künstliche Intelligenz und lebensechten interaktiven Silikonpuppen konfrontiert. Eine wahre Herausforderung für Brander, der noch ganz altmodisch lieber telefoniert statt WhatsApp-Nachrichten zu verschicken.
Worum geht es konkret: Ein Mann, der mit lebensgroßen Silikonpuppen gehandelt hat, wird ermordet. Diese Silikonpuppen sind keine simplen Sexpuppen, sie sind mit einem internetfähigen Betriebssystem ausgestattet, d.h. sie können sprechen und beispielsweise auf Fragen reagieren – ähnlich, wie „Alexa“ oder „Siri“. Das Zukunftsmittel gegen Einsamkeit? Oder eine perfide Art, Menschen auszuspionieren? Die Auffindesituation ist recht bizarr: Der Mann wurde rosa lackiert und marionettengleich aufgebahrt – ein Hinweis auf seinen Puppenhandel? Brander ist froh, dass es bei der Kripo einen sehr versierten und ambitionierten IT-Forensiker gibt, der ihm Nachhilfe in der modernen Technik gibt.
Zu diesem Roman inspiriert hat mich eine Reportage über Menschen, die mit Puppen leben. Die vorgestellten Menschen besaßen diese Puppen nicht aus rein sexuellen Motiven, sondern für sie war die Puppe eher eine Art Partnerersatz. Sie lebten mit ihren Puppen, frühstückten mit ihr, sahen mit ihr fern, machten mit ihr Ausflüge. Für einen Außenstehenden ist es nicht unbedingt leicht, nachzuvollziehen, was einen Menschen dazu bewegt, mit einem künstlichen Wesen zusammenzuleben.
Im Roman steht allerdings nicht so sehr das Zusammenleben der Menschen mit einer Puppe im Vordergrund - obwohl das natürlich auch thematisiert wird - sondern eher die technische Seite: Die künstliche Intelligenz, die in diesen Puppen steckt, und was damit alles möglich ist. Ein sehr spannendes, breitgefächertes Thema. Bei den Recherchen hat mir oftmals ganz schön der Kopf geraucht.
Kriminetz: Die Corona-Pandemie schränkt uns alle ziemlich ein. Was vermisst du am meisten?
Sybille Baecker: Die Unbeschwertheit im Umgang miteinander und das es keine Planungssicherheit mehr gibt. Ganz konkret betrifft das bei mir die Aktivitäten für meinen neuen Krimi, der in Kürze erscheint. Normalerweise wäre mein Terminkalender voll mit Veranstaltungen. Viele Veranstalter zögern jedoch, da man nicht weiß, ob jetzt zum Herbst eine neue Welle anrollt und neue Restriktionen kommen, oder weil eine stark begrenzte Teilnehmerzahl sich für sie wirtschaftlich nicht rechnet. An dieser Stelle möchte ich ein großes Dankeschön an den des Fördervereins Buch sagen, der mit seinem „Lesungsfond“ die Buchhandlungen unbürokratisch finanziell bei Lesungen unterstützt!
Erschwert hat mir die Corona-Pandemie allerdings meine Recherchen. Die nächste Recherchereise nach Schottland habe ich verschoben, aber auch hier regional ist es nicht einfach, denn die Situationen vor Ort sind ja zurzeit andere, als zu Vor-Corona Zeiten. Auch Fachleute konnte ich nicht immer so einfach erreichen und vor Ort besuchen.
Mich treibt auch die Frage um, welche gesellschaftlichen Folgen die Pandemie haben wird. So simple Dinge wie: Werden wir uns irgendwann zur Begrüßung wieder die Hand reichen? Wird man irgendwann wieder völlig unbeschwert einkaufen, ausgehen oder ein Fest feiern können? Die Corona-Pandemie hat so viele Unbekannte, dass dadurch wahnsinnig viel Unsicherheit entsteht. Ich beneide unsere Politiker nicht, die in diesen Zeiten Entscheidungen treffen müssen - und egal, was sie entscheiden, es ist nie richtig.
Als Autorin stellt die Situation mich zudem vor ein weiteres Problem: Die Romane, die ich heute schreibe, werden in ein, zwei oder drei Jahren veröffentlicht. Aber wie sieht das Zusammenleben dann aus? Wie agieren Menschen miteinander? Ganz normal, wie vor Corona, oder muss ich meine Figuren jetzt ständig Mund-Nase-Maske aufsetzen und sich die Hände desinfizieren lassen? Wollen meine LeserInnen diese ganze Problematik auch noch im Roman lesen? Oder hätte sie/er lieber etwas „Normalität“? In welche Welt möchten meine LeserInnen eintauchen? Rückmeldungen hierzu sind willkommen.
Kriminetz: Vielen Dank, Sybille Baecker, für die Beantwortung der sieben Fragen.
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