Sieben Fragen an Tess Gerritsen

Die Romanfiguren der Schriftstellerin Tess Gerritsen liefern die Vorlage für die beliebte Fernsehserie »Rizzoli & Isles« © Derek Henthorn

Die international erfolgreiche Schriftstellerin Tess Gerritsen wuchs in San Diego auf, studierte Medizin an der Stanford University und der University of California in San Francisco. 1979 legte sie ihr Examen ab und arbeitete danach als Internistin in Honolulu, Hawaii. Während ihres Mutterschaftsurlaubs reichte Tess Gerritsen erstmals eine Kurzgeschichte für den Literatur-Wettbewerb einer Tageszeitung ein und gewann damit auf Anhieb den ersten Preis. Der internationale Durchbruch gelang ihr mit dem Thriller »Die Chirurgin«, in dem Detective Jane Rizzoli erstmals ermittelt. Detective Jane Rizzoli und Pathologin Dr. Maura Isles dienen als Vorlage für die beliebte Fernsehserie »Rizzoli & Isles«.
Tess Gerritsen lebt mit ihrer Familie in Maine.

Für Kriminetz beantwortete Tess Gerritsen sieben Fragen.

Kriminetz: Ich finde Jane und Maura in ihrem Roman „Der Schneeleopard“ vielseitiger als es die Figuren in der Fernsehserie „Rizzoli & Isles“ sind. Die beiden haben im Buch mehr Facetten. Entsprechen Angie Harmon als Police Detective Jane Rizzoli und Sasha Alexander als Medical Examiner Dr. Maura Isles in der Serie denn rein optisch der Vorstellung, die Sie beim Schreiben von Ihren Figuren im Kopf hatten?

Tess Gerritsen: Die Fernsehserie weicht ziemlich von den Büchern ab. Im Buch ist Jane nicht besonders attraktiv, kämpft mit ihrem Aussehen, während Angie Harmon ja umwerfend aussieht. Aber die Persönlichkeit von Jane ist im Buch und in der Fernsehserie ziemlich ähnlich, so dass Angie eine sehr gute Besetzung für die Rolle der Jane ist.

Maura Isles haben die Drehbuchautoren ziemlich umgekrempelt. Sie ist nicht nur viel glücklicher und freundlicher, sie hat auch nicht annähernd so viele Probleme wie Maura im Buch. Und auch vom Aussehen her ist sie völlig anders. Aber das passiert eben, wenn man Bücher für die Leinwand adaptiert: Die Rollen werden wesentlich glamouröser und auch sonst verändert.

Kriminetz: Lassen Sie sich von den Drehbücher zu „Rizzoli & Isles“ beeinflussen?

Tess Gerritsen: Ich schreibe meine Bücher weiter so, wie ich sie schon immer geschrieben habe und lasse mich von der Fernsehserie nicht beeinflussen. Denn ich will, dass meine Figuren so bleiben, so wie ich sie geschaffen habe.

Kriminetz: Ihr Ermittlerteam Jane und Maura sind beide keine „Ponyhof und Sonnenschein-Mädels“. Das macht sie so lebendig. Wie haben Sie die beiden entwickelt?

Tess Gerritsen: Maura entspricht ziemlich genau meiner eigenen Persönlichkeit. Ich bin privat eher still und ich glaube sehr stark an die Wissenschaft und Logik. Ich habe eine düstere Seite und ich suche immer für Erklärungen für das menschliche Handeln, auch wenn es häufig keine gute Erkläung dafür gibt. Jane ist das Gegenteil von mir – sie ist aggressiv, unerschrocken und immer bereit zu sagen, was sie denkt. Ich nehme an Jane and Maura sind wie Yin and Yang – Gegensätze, die im gleichen Beruf aufeinandertreffen.

Kriminetz: Sie haben sich den distanzierten Blick der Medizinerin bewahrt. Ist es genau diese Distanz, welche die Schilderung grausam zugerichteter Leichen für den Leser erträglich macht?

Tess Gerritsen: Ich glaube, dass die klinische Betrachtungsweise einige “Distanz” zwischen mich und das Schreckliche bringt, was ich beschreibe. Wenn man eine Aufgabe zu erledigen hat, hat man keine Zeit, sich über das, was man sieht, zu entsetzen. Man will nur, dass die Arbeit erledigt wird. Das erinnert mich an meine Zeit als Ärztin in der Notfallambulanz. Man sieht dort schreckliche Dinge - z.B. Leute, die verbluten – und man denkt gar nicht darüber nach, wie entsetzlich das viele Blut ist. Man konzentriert sich nur darauf, die Blutung zu stoppen und das Leben zu retten.

Kriminetz: Für die Recherche zu Ihrem Rizzoli & Isles-Thriller „Der Schneeleopad“ reisten Sie gemeinsam mit Ihrem Mann nach Afrika. Welches Erlebnis dort ist Ihnen am lebhaftesten in Erinnerung geblieben?

Tess Gerritsen: Wir haben eigentlich in Afrika Urlaub gemacht – und während dieses Aufenthalts, habe ich die Idee für „Die Again“ gehabt. Was mir am meisten in Erinnerung geblieben ist, ist dass ich mit meinem Mann und unserem Führer im Busch unterwegs war. Wir standen um den Jeep herum und tranken Cocktails, als ein Leopard auf uns zu kam. Unser Führer blieb ganz ruhig und schob sich zwischen den Leopard und uns und bracht uns so in Sicherheit. Das war eine beängstigende Erfahrung und machte mir erst klar, wie abhängig wir von unserem Führer waren. Und dann dachte ich mir: Was passiert, wenn Du der falschen Person vertraust? Was ist, wenn die Person, der für deine Sicherheit verantwortlich ist, böse Absichten hat? Und so war die Idee für die Geschichte geboren …

Kriminetz: Können Ihre Lesern in Deutschland Sie auch Mal persönlich im Rahmen einer Lesung kennenlernen? Etwa bei der Buchmesse in Frankfurt?

Tess Gerritsen: Mit ist nicht bekannt, dass derzeit eine Deutschland-Tour anstünde. Aber ich hoffe, dass das nicht mehr allzu lange dauert.

Kriminetz: Vermissen Sie Ihre Arbeit als Ärztin?

Tess Gerritsen: Ich bin so gerne Autorin, dass ich die Medizin nicht wirklich vermisse. Jedoch vermisse ich es, all die Geschichten zu hören, die meine Patienten mir erzählt haben.

Vielen Dank, Tess Gerritsen, für die Beantwortung der sieben Fragen!

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