Sieben Fragen an Thomas Kastura

Thomas Kastura veröffentlicht auch als Gordon Tyrie. Foto: © Jürgen Schmid, Kriminetz

Der Schriftsteller Thomas Kastura wurde 1966 in Bamberg geboren. Sein Diplom-Studium der Germanistik und Geschichte schloss er 1993 mit Auszeichnung ab. Danach arbeitete er als Universitätsdozent (Seminare zur Frühromantik, Gegenwartsliteratur und Literaturkritik) und Kulturjournalist (für die "Zeit", "mare" u. v. m.). Er hat zahlreiche Bücher veröffentlicht, u. a. "Der vierte Mörder" (2007 auf Platz 1 auf der KrimiWelt-Bestenliste) und tritt als Herausgeber von Anthologien hervor.

Für den Bayerischen Rundfunk (B 2 Kultur) verfasst Thomas Kastura Glossen, Essays und Rezensionen sowie das wöchentliche Literaturrätsel mit dem Taxifahrer Solomon Buk (Sendung "Diwan", jeden Sonntag ab 14.05 Uhr).

2007 war Thomas Kastura Stadtschreiber zu Rottweil. 2017 wurde er für die Erzählung "Genug ist genug" mit dem Friedrich-Glauser-Preis, Kategorie Kurzkrimi, ausgezeichnet. 2018 wurde er für die Erzählung "Der Zuschauer" erneut für den Friedrich-Glauser-Preis nominiert. Er ist Mitglied des PEN-Zentrums Deutschland, außerdem Vorsitzender der Regionalgruppe Oberfranken im Verband deutscher Schriftsteller (VS), Beirat im Landesvorstand des VS Bayern, Mitglied im "Syndikat - Autorengruppe deutschsprachige Kriminalliteratur" und Mitglied der Neuen Gesellschaft für Literatur Erlangen (NGL).

Thomas Kastura lebt mit seiner Familie in Bamberg.

Für Kriminetz beantwortete Thomas Kastura sieben Fragen.

Kriminetz: Den Thriller „Todesströmung“ hast du unter dem Pseudonym Gordon Tyrie veröffentlicht. Das Buch war Kulturzeit-Krimitipp auf 3sat. Hattest du das Pseudonym schnell erdacht? Oder waren dazu mehrere Schlucke Whisky nötig?

Thomas Kastura: Viele Schlucke! Und meine Lektorin hat auch noch wertvolle Ratschläge beigetragen. Gordon ist ein typisch schottischer Vor- und Nachname, der spröde Klang gefällt mir. Und Tyrie ist eine andere Schreibung für die Hebrideninsel Tiree – Inseln sind mein großes Thema, ihre Abgeschiedenheit, Naturnähe, der Raum des Möglichen, den sie eröffnen im Gegensatz zu vielen Städten, die ich eher bedrückend und beengend finde. Utopia ist eine Insel!

Kriminetz: Was hat deine Liebe zu Schottland und zum Whisky geweckt?

Thomas Kastura: 1984 fuhr ich zum ersten Mal nach Schottland, seither bin ich diesem Land und seinen Bewohnern verfallen. Über die Jahre wurde es mir zum Sehnsuchtsort, an dem sich meine Fantasie entzündet, vor allem an der dünn besiedelten Westküste und auf den Inseln. Politisch halte ich das teilautonome Schottland für überaus fortschrittlich. Erneuerbare Energien, Bildung für Alle, LGBT-Rechte – Schottland ist da ganz weit vorn. Auch das versuche ich, in meinen Romanen zu vermitteln.

Kriminetz: Deine mit dem Glauser-Kurzkrimi-Preis ausgezeichnete Geschichte "Genug ist genug" ist soeben in der Übersetzung von Mary Tannert im traditionsreichen Queen Ellery Mystery Magazine, Connecticut, erschienen. Kann man das in diesem Kalenderjahr überhaupt noch toppen?

Thomas Kastura: Das freut mich natürlich sehr. Es ist eine Ehre, verbunden mit dem Glauser-Preis von 2017, doch im Grunde schon Vergangenheit. Eine neue Buch- oder Storyidee bedeutet mir mehr. Ich schaue auf den Weg, der vor mir liegt. Neben dem nächsten Gordon Tyrie-Roman plane ich noch einiges andere, probiere neue Sachen aus. Wer rastet, der rostet!

Kriminetz: E. T. A. Hoffmann hat eine Weile in Bamberg gewirkt. Vor dem Theater erinnert eine Figur an ihn. Wie stehst du zu seinem Werk?

Thomas Kastura: E.T.A. Hoffmann bereicherte die Literaturgeschichte um so Vieles, letztlich hat er den deutschsprachigen Krimi mitbegründet. Ob weibliche (!) Ermittlerfiguren wie das Fräulein von Scuderi, ob Doppelgängermotiv, Antispeziesismus (Kater Murr) oder seine Erzählung über Künstliche Intelligenz (Der Sandmann) – Hoffmann war seiner Zeit weit voraus. In meiner Erzählung „Das Loch, in Hoffmanns Manier“ habe ich versucht, ihm ein Denkmal zu setzen.

Kriminetz: Für dein Literaturrätsel, das im Bayerischen Rundfunk gesendet wird, brauchst du ständig Nachschub. Wie oft sitzt eine Autorin im Taxi bei Solomon Buk?

Thomas Kastura: Wir produzieren die Literaturrästel staffelweise, inzwischen wurden rund 700 gesendet. Von 15 Rätseln sind 5 „weiblich“, darauf haben wir uns in der Redaktion geeinigt. Leider gibt die männlich dominierte Literaturgeschichte von der Antike bis zur Gegenwart nicht mehr her, wir brauchen ja möglichst bekannte Namen, die die Hörer kennen. Ein Drittel ist natürlich nicht die Hälfte, aber ich bin für neue Vorschläge stets offen. Für mich persönlich kann ich sagen, dass vor allem Autorinnen mein Bild der Literatur des 20. Jahrhunderts geprägt haben, mehr als viele Alpha-Männer: Else Lasker-Schüler, Mascha Kaléko, Nelly Sachs. Und das sind „nur“ die Lyrikerinnen ... Beim Krimi wären das die vielgescholtene Agatha Christie oder Dorothy L. Sayers, in jüngerer Zeit Fred Vargas, Karin Fossum oder Sara Gran.

Kriminetz: Im März erscheint der von dir herausgegebene Band „Mörderischer Gardasee“. Reist du dorthin mit dem Wohnwagen oder bevorzugst du ein Hotel?

Thomas Kastura: Wohnwagen sind nicht mein Ding. Lieber Hotel. Ich mag diese alte Kästen, die ihre besten Tage (vermeintlich) hinter sich haben und in denen so viele Geschichten stecken. Hotels sind Orte, darin sich Schicksale kreuzen, auch literarische Orte, etwa das Hotel Overlook aus „Shining“. Außerdem stelle ich mir in der Lobby eines britischen Landhotels immer vor, wie Hercule Poirot alle Gäste einbestellt und zur Beweisführung ansetzt.

Kriminetz: Dein Heimatort Bamberg wirkt auf Besucher sehr gemütlich. Ich erinnere mich beispielweise an den zauberhaften Rosengarten und an die Sandkerwa. Gibt es auch ein dunkles Bamberg mit Nachtseiten?

Thomas Kastura: Bamberg hat monströse Seiten, wenn man an die Hexenprozesse des 17. Jahrhunderts denkt, auch fantastische in Bezug auf E. T. A. Hoffmann. 1907 gab es hier einen „Bierkrieg“, als die Brauereien den Preis für eine Halbe um 1 Pfennig erhöhten. Aber das liegt alles in der Vergangenheit. Manchmal fühlt man sich in Bamberg wie in einem Freiluftmuseum, und so kann das gerne bleiben. Vor ein paar Tagen gab es einen spektakulären Juwelenraub in der Fußgängerzone – daraus kann ich dann wieder einen Kurzkrimi basteln.

Kriminetz: Vielen Dank, Thomas Kastura, für die Beantworung der sieben Fragen.

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