Sieben Fragen an Volker Pesch

Volker Pesch schreibt die Krimi-Reihe um den Polizei-Seelsorger Tom Schroeder.

Volker Pesch, Jahrgang 1966, studierte Politikwissenschaft, Geschichte und Philosophie in Köln. Danach folgten Promotion und zunächst wissenschaftliche Tätigkeiten an den Universitäten Greifswald und Erfurt. Ermüdet vom akademischen Zirkus gründete er 2001 eine Segelschule, vercharterte Yachten und baute ein maritimes Jugendhotel auf. Nach wenigen Jahren folgte die zweite Selbstständigkeit, jetzt als Autor, Texter und dtp-Gestalter. Unter anderem schrieb er Drehbücher für e-Learning-Module und arbeitete für die Landeszentrale für politische Bildung Mecklenburg-Vorpommern. Seit 2016 leitet er zudem einen Eigenbetrieb der Stadt Greifswald, der das Segelschulschiff GREIF bereedert und eine Pension mit Touristeninfo im Hafen betreibt.

Volker Pesch lebt gemeinsam mit seiner Frau in einem Fünfhäuserdorf in Vorpommern. Denn wer hat, dem wird gegeben ist sein erster Kriminalroman mit Polizeiseelsorger Tom Schroeder. Dornen und Disteln soll er dir tragen ist der zweite und erscheint im Oktober. Ein dritter Fall ist in Arbeit.

Für Kriminetz beantwortete Volker Pesch sieben Fragen.

Kriminetz: Wenn man in einem „Fünfhäuserdorf“ wohnt, vertreibt man sich dann die Zeit damit, kriminelle Dorfbewohner zu erfinden?

Volker Pesch: Die muss ich nicht eigens erfinden, ich beobachte die einfach beim Erntedankfest! Nein, im Ernst, ich will den Vorpommern nicht Unrecht tun, das geht hier alles eher ruhig und brav zu. Die meisten pflegen eine Gartenzwergidylle. Aber irgendwie brauche ich genau diese Ruhe, die Langsamkeit. Wenn Hund und Katze auf der Terrasse dösen und nur der Mäusebussard ruft, fallen mir die besten Szenen und Figuren ein. Das hätte ich mir früher nie träumen lassen. Ich meine, immerhin habe ich einige Jahre in Köln gelebt, und das eher nachtaktiv. Ich erinnere mich nur schwach an meine Studienzeit (lacht). Als ich Mitte der 90er hier in den Osten gezogen bin, „Aufbau Ost“ und so weiter, war die Stadt Greifswald ein echter Kulturschock. Und mittlerweile ist mir die oft schon zu laut.

Kriminetz: Ein Polizeiseelsorger hat eigentlich andere Aufgaben im Polizei-Apparat – woher kam die Idee, ihn ermitteln zu lassen?

Volker Pesch: Ich bin befreundet mit einem ehemaligen Polizeiseelsorger für Mecklenburg-Vorpommern. Daher weiß ich, dass deren Alltag alles andere als unterhaltsam ist. Zumal die Aufgabe weit über die Betreuung der Beamten hinausgeht. Das ist leider oft todernst im eigentlichen Sinne. Der Tom Schroeder in meinem Buch ist dagegen eine fiktive Romanfigur, der ich lediglich diese Berufsbezeichnung und ein Büro bei der Kripo angedichtet habe. Ich fand das aus zwei Gründen spannend: Erstens ist er als Seelsorger direkt dran an den Polizisten und der Polizeiarbeit, so stößt er auch auf die Fälle. Zweitens ist er zuständig für das ganze Bundesland, das erlaubt mir die unterschiedlichsten Handlungsorte. Ich kann meinen Tom Schroeder künftig in Rügener Badeorten genauso einsetzen wie in den Plattenbausiedlungen der Städte oder auch im tiefsten Hinterland.

Kriminetz: Die Handlung des ersten Krimis spielt in Greifswald und an der Ostsee, und der Verlag bewirbt das Buch als „Küsten-Krimi“. Ist das ein Regionalkrimi?

Volker Pesch: Das könnte man natürlich denken. Regionalkrimis sind ja gerade sehr erfolgreich, man kann mit dem Krimi in der Hand durch die Bretagne reisen, in die Eifel oder zu den Ostfriesen. Ich habe nichts dagegen, wenn mein Krimi als Urlaubslektüre an der Ostsee gelesen wird. Ganz im Gegenteil! Aber das Regionale steht bei mir nicht im Mittelpunkt. Man muss Greifswald oder Mecklenburg-Vorpommern nicht kennen, um das Buch lesen zu können. Es geht um Gier, Macht und die ganz alltägliche Korruption – das sind ganz sicher keine Spezialitäten der Ostseeküste. Ursprünglich wollte ich das Buch übrigens an einem fiktiven Ort spielen lassen, zeitweilig hieß der bei mir „Jerichow“ wie in Johnsons „Jahrestage“, aber das fand ich dann doch vermessen. Schließlich habe ich dem Tom Schroeder ein Büro in Greifswald angedichtet, der alten Universitäts- und Hansestadt an der Ostsee, das hielt ich für einen guten Ausgangspunkt.

Kriminetz: Schon der Titel des Krimis ist ein Bibelzitat. Wie bibelfest muss man sein, um einen Krimi um einen Seelsorger zu schreiben?

Volker Pesch: Ich kann wirklich nicht von mir behaupten, besonders bibelfest zu sein. Das ist bei meinem Tom Schroeder ganz anders, aber der ist schließlich auch Pfarrer und Seelsorger. Allerdings würde ich ihn auch nicht als „bibeltreu“ bezeichnen, das klingt so fundamentalistisch. Schroeder hadert durchaus mit seinem Glauben, und es ist auch eine Lebenskrise, die ihn dazu bewogen hat, sich einigermaßen unbedarft auf die Stelle des Polizeiseelsorgers zu bewerben. Er zitiert gern aus der Bibel oder Sprüche von Luther, aber immer aus einer ironischen Distanz. Bibeltreue mit Augenzwinkern sozusagen. Da lag es nahe, den Titel des Krimis so abzuleiten, genauer aus dem Gleichnis von den anvertrauten Talenten bei Matthäus: „Denn wer da hat, dem wird gegeben, dass er die Fülle habe; wer aber nicht hat, dem wird auch das genommen, was er hat.“ Genau das ist ja das Thema des Romans hinter der Krimihandlung: Der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen. Soziologen nennen das übrigens den „Matthäus-Effekt“.

Kriminetz: Im Krimi gefährden womöglich Küstenseeschwalben ein lukratives Bauvorhaben. Hat Naturschutz in Mecklenburg-Vorpommern einen hohen Stellenwert?

Volker Pesch: Vordergründig ja. Das Land hat herrliche Nationalparks, Naturparks und Biosphärenreservate, man denke nur an die Müritz oder die Buchenwälder, und es wird wirklich viel für den Naturschutz getan. Im meinem nächsten Leben werde ich Küstenseeschwalbe. Oder Ranger an der Peene. Aber es gibt immer auch ein starkes Spannungsfeld zwischen Naturschutz und wirtschaftlichen Interessen. In meinem ersten Krimi geht es um ein braches Industriegelände, wie es sie nach der Wende überall in der ehemaligen DDR gab. Solche Gelände waren meist sehr begehrt, um nicht zu sagen umkämpft, und nicht selten stand Schutz gegen Nutzung. In Imagebroschüren wird der Naturschutz ja immer in den schönsten Farben gemalt – aber im richtigen Leben siegen ziemlich oft die Investoren. An einer Stelle im Buch sagt eine der Protagonistinnen etwas resigniert: „Bindend sind gefüllte Briefumschläge, alles andere ist Papier mit bunten Bildern.“

Kriminetz: Wie sieht der Tagesablauf eines Schriftstellers aus, der auch noch Familie und Beruf unter einen Hut bringen muss? „Ruft der Schreibtisch“ ab 5 Uhr Morgens?

Volker Pesch: Nein, erst ab 6 Uhr, und leider ruft er meist nach dem Betriebsleiter. Ich bin ja zur Zeit eher ein Berufstätiger, der auch noch Familie und Schreiben unter einen Hut bringen muss. Und das gelingt mir eigentlich nie. Ich brauche längere Phasen zum Schreiben, mehrere Tage oder besser noch Wochen, in denen ich mich weitgehend darauf konzentrieren kann. Sonst fange ich immer wieder von vorn an. Für die ersten beiden Krimis um den Polizeiseelsorger Tom Schroeder habe ich mir jeweils die Zeit nehmen können. Im Moment ist das schwierig, ich bin beruflich stark eingespannt, deswegen komme ich mit dem dritten nur langsam voran. Aber ab Herbst werde ich mir wieder mehr Zeit zum Schreiben nehmen.

Kriminetz: Der nächste Fall um Tom Schroeder erscheint im Oktober. Worum geht es darin?

Volker Pesch: Es geht um Landwirtschaft und die Knappheit von Ackerland. Um skrupellose Spekulanten, die Bauern das Land abpressen. Und um Naturschutzmaßnahmen, die nicht jedem gefallen. Natürlich gibt es auch einen Mord und gleich zu Beginn drei Moorleichen, die Tom Schroeder und die neue Kriminalhauptkommissarin auf die falsche Fährte locken. Aber mehr wird nicht verraten.

Kriminetz: Vielen Dank, Volker Pesch, für die Beantwortung der sieben Fragen.

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Der zweite Fall mit Polizeiseelsorger Tom Schroeder erscheint im Oktober 2017.