Sieben Fragen an Wolfgang Esser

Wolfgang Esser produziert seit 2006 für das ZDF die erfolgreiche Reihe der Spreewaldkrimis. Foto: © Jürgen Schmid, Kriminetz

Wolfgang Esser arbeitete nach seinem Betriebswirtschaftsstudium als Aufnahmeleiter, Produktionsleiter und Head of Production für verschiedene nationale und internationale Film- und Fernsehproduktionen. Ende der 90er Jahre wechselte er vollständig ins Produzentenfach.

Seit 2006 produziert er für das ZDF die erfolgreiche Reihe der Spreewaldkrimis. Der erste Film trug den Titel »Das Geheimnis im Moor«. Am 28. März 2022 wird im ZDF bereits der 14. Spreewaldkrimi »Tote trauern nicht« ausgestrahlt, ab dem 19. März ist er in der Mediathek abrufbar. Der Film lief schon beim Festival des deutschen Films in Ludwigshafen am Rhein.

Wolfgang Esser lebt und arbeitet als freier Produzent, Autor und Dramaturg in Berlin und auf Mallorca. Seit mehr als 15 Jahren lehrt er zusätzlich als freier Dozent bei verschiedenen Bildungsträgern in den Bereichen Stoffentwicklung, Dramaturgie und Producing.

Für Kriminetz beantwortete Wolfgang Esser sieben Fragen.

Kriminetz: Bei den Filmgesprächen zum Spreewaldkrimi beim Festival des deutschen Films in Ludwigshafen, wo die Filme regelmäßig vor der Fernsehausstrahlung gezeigt werden, wirken Sie gelassen und heiter. Sind diese beiden Eigenschaften Grundvoraussetzungen für Ihre Arbeit?

Wolfgang Esser: Ehrlich gesagt habe ich darüber so noch nie nachgedacht. Wohl sind es Eigenschaften, nach denen ich versuche zu leben. Sicher ist es bei der Komplexität unserer Arbeit auch hilfreich, aus einer Art inneren Gleichgewichts und aus einer reflektierten Haltung heraus agieren zu können. Aber Grundvoraussetzung für meine Arbeit wäre vielleicht zu viel gesagt. Denn natürlich ginge es auch anders.

Kriminetz: Das Drehbuch zum 14. Spreewaldkrimi stammt erstmals nicht von Grimme-Preisträger Thomas Kirchner. Bedeutet das eine neue »Handschrift« oder bleibt vieles beim Bewährten des Publikumslieblings?

Wolfgang Esser: Beides, das Bewährte im Neuen. Thomas Kirchner ist zweifelsohne ein Ausnahmetalent und seine Art zu schreiben hat die Spreewaldkrimis maßgeblich geprägt. Natürlich ist es dann eine große Herausforderung mit neuen Autoren auf gewohnt hohem Niveau fortzusetzen. Zugute kommt uns da meine inhaltliche Mitarbeit von Beginn der Reihe an, die mir intime Kenntnis der Figuren, ihrer horizontalen Entwicklungen und aller anderen Spreewaldkrimi-typischen Merkmalen bescherte. In diesem Sinne begleite ich auch die weiteren Drehbuchentwicklungen dramaturgisch und achte darauf, dass der Spreewaldkrimi auch in Zukunft außergewöhnlich ist.

Das Drehbuch »Tote trauern nicht« entstand in Teamarbeit. Autor Stefan Brüggenthies hatte eine berührende Geschichte geschrieben, die uns sehr gefiel. Die Weiterentwicklung bis zur Drehfassung haben wir mit Jan Fehse gestaltet, der den Film dann auch inszeniert hat. Jan hatte schon einmal bei »Tödliche Heimkehr« Gelegenheit, den Spreewaldkrimi-Kosmos aus vielen Winkeln (Buch, Inszenierung, Schnitt) betrachten zu können. Auf dieses Weise gelang es uns, das spezielle Know-How bereits während der Buchentwicklung zu bündeln. Das Ergebnis war ein Drehbuch in echter Spreewaldkrimi-Dramaturgie.

Kriminetz: Der Spreewald als Drehort stellt doch sicher eine Herausforderung dar? Ich hatte hin und wieder kleine Rollen bei anderen Filmen und war beeindruckt von der Logistik, die für das gesamte Team dahintersteckt. Aber in den wasserreichen Spreewald können Sie nicht einfach so mit ein paar Lastwägen hineinfahren – wie lösen Sie dieses Problem vor Ort?

Wolfgang Esser: Die Logistik ist in der Tat oft speziell, zumindest da, wo es für uns interessant wird. Der Spreewald ist als Auwald Region durchzogen von vielen kleinen Kanälen (Fließen), die nur mit flachen Kähnen befahren werden können. Die Zuladung der Ka¨hne ist aufgrund der geringen Wassertiefe sehr begrenzt. Somit bedarf es bei Motiven, die nur auf dem Wasser erreichbar sind, einer klugen Equipment-Wahl und viel Vorlaufzeit.

Aber auch Drehorte zu denen grundsätzlich befahrbare Plattenwege führen, sind für unsere LKW’s nicht immer geeignet, da in den Feuchtgebieten die Gefahr besteht, dass die Fahrzeuge durch ihr Gewicht mitsamt der Straße einsinken. Um Scheinwerfer etc. am Set betreiben zu können, werden daher ha¨ufig Kabel in Längen von mehreren hundert Metern beno¨tigt, die durch Moorgebiet und u¨ber Fließe hinweg verlegt werden mu¨ssen.

Kriminetz: Wie ist die Akzeptanz der Dreharbeiten im Spreewald? Ist es einfach, die Bewohnerinnen und Bewohner des Spreewaldes etwa für die Komparserie zu gewinnen?

Wolfgang Esser: Wir erleben nach wie vor eine sehr hohe Akzeptanz unter den Spreewäldern und wir fühlen uns dort auch nach jetzt 17 Jahren noch sehr willkommen. Die Spreewälder sind freundlich, zurückhaltend und haben ihr Herz auf dem rechten Fleck. Wir besetzen nicht nur unsere Komparsen komplett aus der Region, sondern werden auch tatkräftig von Fährleuten, Feuerwehren, THW und vielen anderen Helfern unterstützt. Als kleines Dankeschön veranstalten wir traditionell eine kleine Preview des jeweils neuesten Spreewaldkrimis auf Schloss Lübbenau, bevor er im ZDF gesendet wird. Leider muss diese aber jetzt schon zum zweiten Mal in Folge wegen hoher Corona-Inzidenz ausfallen.

Kriminetz: Die Kamerafahrten auf den Fließen, vor allem, wenn Christian Redl im Kahn sitzt, entfalten eine beinahe magische Wirkung. Arbeiteten Sie im Verlauf der vielen Filme mit verschiedenen Kamerafrauen und –männern zusammen?

Wolfgang Esser: Ja. Wir arbeiten sehr bewusst mit verschiedenen Regisseur:innen und Kamerafrauen/männern zusammen. Der Spreewaldkrimi lebt ja nicht nur von seinen typischen Erkennungsmerkmalen, sondern auch von seiner Wandlungsfähigkeit. Insofern wünschen wir uns auch unterschiedliche Herangehensweisen an die komplexen Geschichten. Anders ausgedrückt, wir möchten durch verschiedene Umsetzungsideen Kreativität dazu erwerben und so die Innovationsstärke der Reihe sichern.

Kriminetz: Haben Sie eine besonders humorvolle Anekdote von den Dreharbeiten für uns?

Wolfgang Esser: Bei aller akribischen Vorplanung sind Dreharbeiten im Spreewald immer auch eine kleine Expedition ins Unbekannte, Unerwartete und bieten insofern Stoff für viele Anekdoten. Hier eine möglichst kurze: Als wir einmal für mehrere Tage im Hochwald gedreht haben und nicht jeden Abend das Equipment zum Basislager zurückbringen konnten, musste der Set nachts bewacht werden. Das beauftragte Wachunternehmen schickte zwei Wachmänner. Wer schon einmal nachts im Wald war, der weiß, dass ein Wald in der Dunkelheit alles ist, nur nicht still. Reh, Bock, Wildschwein, Dachs, Fuchs, Nutria, Kauz, Maus, alle sind auf Nahrungssuche. Zudem war Brunftzeit der Hirsche. Und der Spreewald ist nachts besonders dunkel …

Als unser Team am nächsten Morgen ans Set kam, fanden sie zwei völlig verängstige Wachmänner vor, die sich nicht mehr aus ihrem Zelt getraut haben und heilfroh waren, dass sie die Nacht überstanden hatten. Sie wollten für kein Geld der Welt wieder kommen und auch das Wachunternehmen wollte uns keine anderen Leute mehr schicken.

Kriminetz: Sind bereits Dreharbeiten für einen 15. Fall in Planung?

Wolfgang Esser: Der 15. Spreewaldkrimi ist schon in Produktion unter dem Arbeitstitel »Die 7. Person«. Die Dreharbeiten dauern voraussichtlich noch bis Ende März. Und für Nr. 16 entwickeln wir zur Zeit das Drehbuch.

Kriminetz: Vielen Dank, Wolfgang Esser, für die Beantwortung der sieben Fragen.