Sieben neue Fragen an Siegfried Kollmar

Mannheims neuer Polizeipräsident, Siegfried Kollmar, auf dem Dach des Polizeipräsidiums. Foto: © Polizei Mannheim

Siegfried Kollmar ist seit Juli 2021 der neue Präsident des Polizeipräsidiums Mannheim. Siegfried Kollmar ist Jahrgang 1961 und in Heidelberg geboren. Er ist verheiratet und Vater einer erwachsenen Tochter.

Er trat 1979 in den Polizeidienst ein und stieg 1992 in den gehobenen Polizeivollzugsdienst auf. Nach dem Aufstieg in den höheren Dienst 1998 war er Referent für Öffentlichkeitsarbeit beim Innenministerium Baden–Württemberg. Seit 1999 ist er im Polizeipräsidium Mannheim in verschiedenen Leitungsfunktionen tätig.

Im Rahmen der Strukturreform der Polizei des Landes Baden–Württemberg entstand zum 01.01.2014 das neue Polizeipräsidium Mannheim aus der Zusammenlegung der Polizeidirektion Heidelberg und des ehemaligen Polizeipräsidiums Mannheim.

Für Kriminetz beantwortete Siegfried Kollmar sieben Fragen.

Kriminetz: Auch an dieser Stelle nochmals herzlichen Glückwunsch zur Position als Polizeipräsident der Metropolregion Rhein–Neckar! Damit stehen Sie einer der größten Organisationseinheiten der Polizei Baden–Württemberg mit rund 2.650 Bediensteten vor. Wie wichtig ist es Ihnen, die Kolleginnen und Kollegen persönlich zu kennen?

Siegfried Kollmar: Wichtig ist, dass ich die Kolleginnen und Kollegen in meinem persönlichen Umfeld sehr gut kenne. Wir erörtern insbesondere in den verschiedenen Führungskreisen doch sehr viel schwierige Sachverhalte und Probleme. Da geht es um herausragende Kriminalfälle, um schwere Verkehrsunfälle, um Demonstrationen mit Konfliktpotential, um die schwierige Personalsituation, um den Haushalt, um Baumaßnahmen, Beschaffungsfragen, Dienstunfälle, Beförderungen, Beurteilungen, Disziplinarmaßnahmen, die Situation im Streifendienst etc. Da braucht es in allen Themenbereichen – und ich habe nur ein paar ausgewählte angesprochen – verlässliche, gute und fachlich kompetente Ansprechpartner und Berater. Dabei muss man wissen, wie die Kollegin oder der Kollegin gegenüber »tickt« und manchmal auch, wessen Interessen sie oder er vertritt. Nur so gelingt eine ausgewogene Balance innerhalb einer Dienststelle unserer Größenordnung und nur so kommt es zu sehr guten Ergebnissen am Ende des Tages.

Abgesehen davon kenne ich aus den vier Jahrzehnten hier auf der Dienststelle sehr viele Kolleginnen und Kollegen persönlich. Sei es von früher aus gemeinsamen Ermittlerzeiten, aus Fortbildungsveranstaltungen, gemeinsamen Lehrgängen oder anderen dienstlichen Anlässen. Naturgemäß sind das meist die älteren und erfahreneren Kolleginnen und Kollegen und die ganz jungen, die wir ja immer mehr in unsere Reihen bekommen, kennt man dann nicht mehr ganz so gut. Da haben wir doch mehrere Hierarchiestufen in unserer Organisation und es ist dann recht schwierig, einen ganz persönlichen Draht zu finden, auch wenn man häufiger noch vor Ort geht, Personalgespräche führt oder an Einsatzbesprechungen und anderen dienstlichen Gesprächen teilnimmt.

Jedenfalls ist es in der Gesamtbetrachtung für mich aktuell ein sehr großer Vorteil, dass ich hier viele Jahre Dienst verrichtet habe und viele kenne. Das macht vieles einfacher und letztlich auch erfolgreicher.

Kriminetz: Der Stellvertretende Ministerpräsident und Innenminister von Baden–Württemberg, Thomas Strobl, bezeichnet sie als »Macher. Geradlinig, vorausschauend und vom Teamgedanken beseelt.« Finden Sie sich in dieser Beschreibung wieder?

Siegfried Kollmar: Ich habe vor kurzem gesagt, dass ich glaube der Innenminister hat vermutlich einen Informanten in meinen Reihen. Ich fühle mich da gut getroffen. Ich bin immer dafür, dass man Grundlagen schafft, Probleme analysiert, eine Ist–Stand–Analyse betreibt und dann verschiedenen Lösungsalternativen mit den jeweiligen Vor– und Nachteilen erörtert. Dann muss aber auch eine Entscheidung fallen und begonnen werden. Ich finde es wenig prickelnd, wenn man monatelang diskutiert und dann noch nichts unternommen hat, um ein Problem anzugehen. Daneben bin ich immer gedanklich auf der Suche nach Verbesserungen. Stillstand heißt für mich in aller Regel Rückschritt. Auch hier versuche ich einen hohen Takt anzuschlagen, mit den technischen, organisatorischen oder den gesellschaftlichen Entwicklungen Schritt zu halten. Dann habe ich hier und da mal auch eine neue Idee, z.B. unseren Sicherheitstag, wo wir alle zur Verfügung stehenden Kräfte an einem Tag über 24 Stunden in den Einsatz geben. Ich denke, da ist »Macher« ein Begriff, mit dem ich mich identifizieren kann. Ja und vom »Teamgedanken beseelt« ist natürlich auch ein positives Attribut, mit welchem ich gut und gerne lebe und das ich aufgrund meiner Vita, beruflich und privat, eigentlich in mir tragen müsste.

Kriminetz: Welche Schwerpunke werden Sie in Ihrer neuen Funktion setzen?

Siegfried Kollmar: Ich habe einen konkreten Plan und ein Konzept, wie ich die Dienststelle leiten möchte und welche Schwerpunkte ich setzen möchte. Zunächst einmal ist es ja so, dass ich schon seit vielen Jahren hier in Führungsfunktionen verbracht habe und zuletzt drei Jahre Vizepräsident war. Ich war quasi bei allen wesentlichen Entscheidungen der letzten Jahre dabei und dann muss man sicher bei einer so gut aufgestellten Dienststelle nicht alles neu erfinden.

Insoweit ist mein erster Schwerpunkt die Kontinuität. Neben dem hohen sog. »Grundrauschen« (u.a. über 60.000 Straftaten im Jahr, 25.000 Verkehrsunfälle, 290.000 Einsatzanlässe im Führungs– u. Lagezentrum), welches uns bereits sehr fordert und welches von Kräften der Polizeireviere, der Kriminalpolizei oder der Verkehrspolizei hervorragend bewältigt wird, sind im Laufe der Jahre einige Besonderheiten beim PP Mannheim entstanden, die sehr erfolgreich sind. So z.B. die EG Rauschgift oder die EG Eigentum, an deren Entstehung ich selbst mitgeschrieben habe. Neuere Projekte wie die EG Poser oder die Koordinierungsstelle häusliche Gewalt arbeiten ebenfalls sehr erfolgreich. Diese und andere Besonderheiten sind kontinuierlich fortzuführen.

Mein zweiter Schwerpunkt heißt Finalisieren von lang andauernden Projekten. Wir haben einige Projekte teils sehr lange, teils mehrere Jahre, laufen. Insbesondere die Bauprojekte Führungs– und Lagezentrum in Mannheim und die Campbell Barracks in Heidelberg. Wir werden da alles unternehmen, um diese Projekte im nächsten Jahr über die Ziellinie zu bringen. Nicht nur die Hochbauverwaltung ist hier gefordert, sondern auch wir selbst. So müssen wir für die Campbell Barracks die Einrichtung beschaffen, Regalsysteme organisieren oder für die technische Ausstattung des Führungs– und Lagezentrums mit dem Präsidium PTLS Pol sorgen. Es ist wichtig, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gerne in ihr Büro kommen und da gehören die Rahmenbedingungen für mich mit dazu.

Der dritte Schwerpunkt sind neue Projekte. Wir beginnen in Kürze die Prüfung eines Haus des Jugendrechts auch für Heidelberg und den Rhein–Neckar–Kreis, nachdem dieses Modell in Mannheim seit geraumer Zeit mit großem Erfolg arbeitet. Das würden wir gerne in 2022 konkreter angehen. Für das Jahr 2023 habe ich das Projekt »EG Rauschgift HD« im Visier als Pendant zur EG Rauschgift MA, welche auch seit vielen Jahren extrem erfolgreich ermittelt.

Der vierte Schwerpunkt kann mit Modernität überschrieben werden. Wir wollen uns mit der Gesellschaft mit entwickeln, gesellschaftliche Themen begleiten und für junge Menschen ein attraktiver Arbeitgeber bleiben. Ich möchte in naher Zukunft die »Charta der Vielfalt« unterzeichnen (Verbund von Unternehmen, die Menschen unabhängig ihrer Religion, Herkunft, Hautfarbe, körperlichen Einschränkungen gleiche Chancen in den Unternehmen geben wollen), für alle junge Menschen offen sein. Wir wollen eine Führungs– und Wertediskussion bei uns implementieren und dabei das landesweite Projekt »Nicht bei uns« mit einbinden. Hierzu habe ich ein Gesamtprojekt initiiert, welches diese Themen angehen soll.

Daneben gibt es natürlich noch viele kleine Projekte und Anliegen, die angegangen werden. Insgesamt muss am Ende alles gut ausbalanciert und vernünftig nach und nach angegangen werden.

Kriminetz: Sie haben schon seit einigen Jahren Leitungsfunktionen innerhalb der Polizei inne. Vermissen Sie das Ermitteln im Team vor Ort?

Siegfried Kollmar: Ehrlich gesagt bin ich ja schon seit vielen Jahren nicht mehr der klassische Ermittler, sondern der Polizeiführer in exponierten polizeilichen Lagen. Zuletzt war ich vor einigen Wochen bei dem getöteten 13–jährigen in Sinsheim vor Ort, habe dort die Gesamtkoordination der polizeilichen Einsatzmaßnahmen übernommen. In der Vergangenheit war ich Polizeiführer bei der Amoktat in Dossenheim mit mehreren Toten, der Amokfahrt in Heidelberg auf dem Bismarckplatz etc. Für die Ermittlungen setze ich aber dann unsere hoch spezialisierten Ermittler ein, für die Spurensicherung die Experten der Zentralen Kriminaltechnik und für die IT–Auswertung sichergestellter Handy und PC unsere IT–Spezialisten. Und daneben gibt es noch viele herausgehobene spezialisierte Bereiche mit entsprechenden Funktionen. Abgesehen davon sehe ich mir aber genauso die Fahrradkontrollen in der Mannheimer Innenstadt an oder die Laser–Geschwindigkeitskontrollen auf dem Waldhof und demnächst möchte ich mir die Schwerlastkontrollen vor Ort anschauen, denn wir haben einfach zu viel tödlich verlaufende Verkehrsunfälle mit Beteiligung des Schwerlastverkehrs. Das komplette Spektrum hier aufzuzählen ist einfach zu viel, aber was ich damit zum Ausdruck bringen wollte ist einfach die Tatsache, dass man in meiner Funktion lange nicht mehr der ist, der Vernehmungen durchführt, Telefone überwacht, Unfälle aufnimmt, einen Hausstreit schlichtet und vieles andere mehr. Ich weiß, welche wichtigen Aufgaben meine Kolleginnen und Kollegen da bewältigen, wie schwierig das manchmal ist und ich schätze die Arbeit in sehr hohem Maße.

Abgesehen davon würde mir übrigens heute noch die Ermittlungsarbeit im Team Spaß bereiten. Der gemeinsam erzielte Ermittlungserfolg und die vielen klasse Kolleginnen und Kollegen mit denen man zusammen arbeitet, würde das nur unterstreichen. Trotzdem würde ich nicht mehr davon sprechen, dass ich das Ermitteln vermisse. Dafür macht mir die Arbeit an der Spitze dieser Dienststelle einfach zu viel Spaß. Ich tausche mich gerne mit meinen Kolleginnen und Kollegen aus, kenne mich in vielen Bereichen sehr gut aus, erarbeite zusammen mit anderen gerne Konzepte und Strategien – also auch im Team –, nehme gerne offizielle Termine für das PP Mannheim wahr, treffe auch gerne die abschließende Entscheidung bei Polizeilagen oder polizeilichen Problemen und bin selbstverständlich 24/7 erreichbar und ansprechbar für alles. Für mich ist das Amt des Polizeipräsidenten letztlich so etwas wie die »Krönung« meiner Laufbahn.

Kriminetz: Die Corona–Pandemie hat viele Einschränkungen für junge Menschen mit sich gebracht. Clubs und andere Orte, wo sie feiern könnten, haben geschlossen. Wo endet für Sie das Verständnis für Feierlaune?

Siegfried Kollmar: Ich habe Verständnis für die Jugend, finde, wir müssen der Jugend Freiraum schaffen, damit sie sich auch jugendtypisch entwickeln kann. Die Stadt Heidelberg hat jetzt beispielsweise die Ochsenkopfwiese für nicht kommerzielles Feiern zur Verfügung gestellt und am Tiergarten einen Bereich für das Feiern von Jugendlichen eingeräumt. Die Stadt Mannheim hat mit dem Nachtmarkt ein Zeichen gesetzt für junge Menschen. Es geht nicht nur mit Restriktionen und Verboten nach dieser Zeit erheblicher Einschränkungen. Ich glaube, dass unsere Städte da auf einem guten Weg sind und hoffe darauf, dass es im Rahmen der »vierten Welle« nicht noch einmal zum Lock down kommt. Da nicht nur Inzidenzen zählen, sondern auch mehr und mehr die Situation in den Krankenhäusern mit bewertet wird, bin ich da guter Hoffnung.

Wenn Sie mich nach Grenzen der Feierlaune fragen, dann gibt es da eine klare rote Linie. Sobald die Feierlaune darin ausartet, dass Straftaten begangen, Schlägereien angezettelt oder Sachbeschädigungen begangen werden, ist mit der Feierlaune Schluss. Dann schreiten wir konsequent ein und wenn uns nicht unmittelbar Festnahmen gelingen setzen wir Ermittlungsgruppen ein, die nachträglich die Personen ausfindig machen. So haben wir das auch nach der sog. Krawallnacht in Heidelberg an Pfingsten gemacht und die Verurteilung eines 18–jährigen zu 15 Monaten Freiheitsstrafe hat gezeigt, dass man das besser sein lassen sollte. Letztlich muss der junge Mensch schon unterscheiden können zwischen Recht und Unrecht. Dazu gehört im Übrigen auch die Nachtruhe von Anwohnern. Auch hier schreiten wir regelmäßig ein, lassen mitgebrachte Lautsprecherboxen leise drehen oder nehmen diese weg und ermahnen zur Ruhe – auch wenn attestiert werden muss, dass wir diesbezüglich leider nie alles unterbunden bekommen.

Kriminetz: Ihre Wurzeln liegen in der Kurpfalz. Worin liegen Ihrer Ansicht nach die Stärken der Region?

Siegfried Kollmar: Ich bin Kurpfälzer durch und durch. Ich spreche die Sprache der Menschen, verstehe was sie sagen und wie sie es sagen. Ich glaube, die Kurpfälzer sind grundsätzlich ehrlich und offen und tragen »das Herz auf der Zunge« – wie man so schön sagt. Der Kurpfälzer ist fleißig, lebt, trinkt, isst und feiert aber auch gerne und ist sehr freundlich zu anderen Gästen und Besuchern. Daneben haben wir hier in der Kurpfalz alles, was man zum Leben braucht. Coole, weltoffene Städte, Naherholungsgebiete, Kultur, viel Sportangebote und vieles mehr. Die Kurpfalz ist einfach klasse und die Menschen auch!

Kriminetz: Sie sind schon sehr lange Polizist. Ich denke, man wird in diesem Beruf von Anbeginn an mit Vielem konfrontiert, das man sich nicht ausmalen möchte. Gibt es bei aller Professionalität immer noch Ereignisse, die Ihnen so richtig »unter die Haut« gehen?

Siegfried Kollmar: Dramatische Schicksale, schwere Straftaten mit Opfern, tödliche Unfälle oder Gewalttaten gehen mir heute noch »unter die Haut«, das lässt mich nicht kalt. Es ist schon wichtig, dass man nicht abstumpft. Man sollte sich die Empathiefähigkeit bewahren, mit Menschen und mit Opfern von Straftaten mitfühlen können. Gleichzeitig muss man in heiklen Phasen kühlen Kopf bewahren und professionell arbeiten. Manchmal muss man einfach zu einem späteren Zeitpunkt Dinge verarbeiten. Wenn ich an einen schlimmen Tatort mit Toten komme, an einen Unfallort mit Toten oder zu einem anderen schweren Verbrechen, dann ist es für mich z.B. typisch, dass ich ruhiger werde und mich in der polizeihektischen Phase eher voll auf die Maßnahmen konzentriere.

Ich sehe mich in der Pflicht der Opfer und deren Angehörigen, möchte auf keinen Fall etwas vergessen, was nicht mehr wiederherzustellen oder beispielsweise kriminaltechnisch zu sichern ist. Die Verarbeitungsphase kommt dann einfach später, wenn man mit den Kolleginnen und Kollegen über den Einsatz, den Fall spricht rsp. diesen nachbereitet. Das ist bei jeder Kollegin und jedem Kollegen natürlich auch etwas anders, jeder verarbeitet das ganz individuell und auf seine Art und Weise. Insoweit haben wir auch hinsichtlich einer psychologischen Betreuung vorgesorgt und können in Fällen auf jeden Kollegen oder jede Kollegin reagieren und helfen.

Kriminetz: Vielen Dank, Siegfried Kollmar, für die Beantwortung der sieben Fragen.