Auf der Spur des Verbrechens. Mit Roland Lange auf Tour zu den Orten seines neuen Harzkrimis „Stöberhai“

Dieser Weg dient Rolang Langes Hauptfigur als Fluchtweg. Foto: © Christian Dolle.

Es ist eine besondere Reise durch den Harz. Der Krimiautor Roland Lange lud mich ein, mit ihm die Handlungsorte seines neuen Buches abzufahren. Der Literatur auf der Spur sozusagen. Tatsächlich beginnt der neue Fall für seinen Kommissar Ingo Behrends im idyllischen Bad Lauterberg, wo dieser dank Reha-Maßnahme festsitzt, entwickelt sich dann aber zu einer Art Roadmovie durch den gesamten Harz.

Unsere Reise beginnt geradezu klassisch mit Brockenblick in Niedersachsens höchstgelegener Siedlung Torfhaus. Eigentlich hätten wir auf dem Berg Stöberhai beginnen müssen, denn der gibt dem neuen Krimi seinen Namen. Da der dortige Aufklärungsturm aus Zeiten des Kalten Krieges, der für den Fall eine zentrale Rolle spielt, jedoch vor Jahren gesprengt wurde, belassen wir es bei Gesprächen über die Zeit der Wende, die den Harz ja endlich wieder zusammenfügte. „Ich erinnere mich noch gut an meine erste Fahrt zum Brocken kurz nach der Grenzöffnung“, erzählt Roland, „Das war im Dienstwagen des Osteroder Katasteramtes. Ein fast unwirkliches Erlebnis, nachdem ich die Jahre zuvor während meines Außendienstes sehr oft die innerdeutsche Grenze als unüberwindliches Hindernis erlebt hatte.“

Von den heute hier zu findenden gastronomischen Tourismusmagneten führt unser Weg in Richtung Torfhausmoor, das im Roman für düstere Stimmung sorgt. „Dies ist auch der Weg, den Jana nimmt
als sie fliehen muss“, erläutert Roland. Jana ist jene zweite Hauptfigur, die in den eigentlich mehr als fünfundzwanzig Jahre zurückliegenden Fall verwickelt wird. Während Kommissar Behrends aus dem Verkehr gezogen ist, stellt sie auf eigene Faust Nachforschungen an und bringt sich damit natürlich in höchste Gefahr.

Jetzt, bei strahlendem Sonnenschein, mag es nicht so wirken, doch von düsteren Gestalten im Moor verfolgt zu werden, sorgt definitiv für Spannung. Die ist dem Autor dann auch wichtiger als der Ort selbst. „Der Harz ist bei mir immer die Kulisse, vor der meine Geschichte spielt“, sagt er, „die Orte sind präsent und vermitteln eine Stimmung, doch der Schwerpunkt liegt eindeutig auf der Handlung.“

In seinen bisherigen Krimis zeigt sich, dass Roland eben nicht nur auf den Wiedererkennungswert abzielt, sondern immer auch für den Harz spezifische Geschichten schreibt. Sein „Höhlenopfer“ spielt im Umfeld von Entdeckungen in der Lichtensteinhöhle, wo tatsächlich Spuren von Bronzezeitmenschen gefunden wurden, ein Ereignis, das die Fachwelt feierte. In „Todesstreifen“ geht es um Verbrechen an der deutsch-deutschen Grenze und „Brockendämmerung“ thematisiert die Rückkehr des Wolfes in den Harz. Auch sein letztes Buch „Der letzte Sprung“ nutzt zwar die Springreiterszene rund um das prominente Burgturnier in Nörten-Hardenberg als Hintergrund, vor dem sich jedoch ein stringent konstruierter Fall abspielt.

Gerade bei Regionalkrimis ist genau das ja häufig die große Schwäche. Manche Autoren verzetteln sich so in der detailverliebten Beschreibung einzelner Straßenzüge, dass die Bücher für Außenstehende nahezu unlesbar werden und somit auch das schlechte Image dieses Genres prägen. „Der Harzkrimi hat sich aber auf einem hohen Niveau eingependelt, denke ich“, sagt Roland, der als Mitorganisator des Mordsharz-Festivals auch seine Kollegen recht gut einschätzen kann. Mit dem Literaturevent, das seit sechs Jahren in Goslar, Wernigerode und Bad Lauterberg regionale, nationale und internationale Krimiautoren präsentiert, will er einerseits den Regionalkrimi gesellschaftsfähig genauso aber auch den Harz für neue Besuchergruppen interessant machen.

Wenn auch nicht mit der Literatur, so geht es nun doch mit uns bergab, in Richtung Romkerhaller Wasserfall, um genau zu sein. Hier spielt der Showdown von „Stöberhai“ und aus den Zeilen, die ich vorab lesen durfte, hatte ich mir den Wasserfall ehrlich gesagt ein wenig spektakulärer vorgestellt. Recherche und die korrekte Wiedergabe von Tatsachen und Orten ist mir schon wichtig, aber manchmal spielt in der Literatur eben die Vorstellungskraft eine größere Rolle. Schließlich schreibe ist ja keinen Reisebericht, sondern eine Geschichte, die den Leser packen soll“, nimmt der Autor mir meine leichte Enttäuschung.

Bei der nächsten Station unserer Reise schlägt die sogar in absolute Begeisterung um. Janas Flucht führt die junge Frau nämlich zur ehemaligen Lungenheilstätte Albrechtshaus im Selketal. Das in den 1890ern erbaute, seit mehr als zwanzig Jahren leerstehende und vor drei Jahren niedergebrannte Sanatorium ist ein Lost Place, wie er im Buche steht, und versprüht diesen besonderen Charme des Verlassenen. Samt ebenfalls dem Verfall geweihter Holzkirche im nordischen Stil ist dieser Ort wie geschaffen für einen Krimi.

Natürlich ist das auch der Grund, warum Roland seine Verfolgungsjagd hierher führen lässt. „Auf die Idee kam ich durch den Film 'Vergessen im Harz' von Enno Seifried“, verrät er seine Inspiration. Im Gegensatz zu Rolands Protagonisten halten wir allerdings respektvoll Abstand von der Ruine und überlassen der Fantasie, wie die einst prunkvollen Räume im Inneren wohl heute aussehen mögen.

Überhaupt tauchen in den Harzkrimis immer wieder tolle Orte auf, die vielen kaum bekannt sind, meint Roland. Als Idee schwebt ihm immer noch eine Art Harz-Krimi-Tour vor, also ein literarischtouristisches Angebot, das Lesern bzw. Besuchern die Handlungsorte aus den Büchern nahebringt.

In Ostfriesland gibt es ein ähnliches Projekt und auch im schwedischen Ystad, der Heimat des Kommissars Wallander von Henning Mankell. Bei anderen Projekten arbeitet Roland ja schon jetzt eng mit Schriftstellerkollegen wie Kathrin R. Hotowetz, Rüdiger A. Glässer oder Helmut Exner zusammen. ielleicht wird ja auch ein gemeinsamer Krimi-Wanderweg irgendwann in die Tat umgesetzt.

Auf unserem Programm steht mit dem Hausberg in Bad Lauterberg nun der letzte Berg unserer Reise, diesmal verbunden mit dem malerischen Blick über die Stadt. Dass sein Kommissar von der Klinik aus frustriert und tatenlos mit ansehen muss, wie seine Kollegen den Fall lösen, wird diesem Anblick nicht ganz gerecht. „Ganz so schlimm ist es ja nicht“, räumt Roland ein, „ich beschreibe die Klinik ja durchaus positiv und zum Ende greift Behrends dann ja doch aktiv ein.“

Mehr verrät er natürlich noch nicht, dafür aber fahren wir mit der Seilbahn wieder hinab und machen uns auf den Weg zur Kirchberg-Klinik. Nach einem kleinen Abstecher zu jenem Italiener, in dem auch Kommissar Behrends seinen Ernährungsplan über den Haufen wirft, werden wir von Dorit und Björn Gollée, die die Klinik familiär führen, begeistert begrüßt. „Einen Krimi, der im eigenen Haus spielt, hat ja nun auch nicht jeder“, sagen sie. Ihre Freude darüber ging sogar so weit, dass sie einen tatsächlichen Behandlungsplan für den fiktiven Ermittler ausarbeiteten.
Bei einer Tasse Kaffee mit Roland versprechen sie zum einen, das Buch auch ihren Patienten und Gästen zu empfehlen und überlegen, ob sie nicht eine Lesung in ihrem Hause arrangieren können, zum anderen bohren sie interessiert nach, wie „Stöberhai“ denn eigentlich ausgeht. Dieser Teil des Gespräches fällt allerdings unter die journalistische Schweigepflicht.

Der Harzkrimi „Stöberhai“ von Roland Lange erscheint im Prolibris Verlag und wird ab Mitte Juni im Buchhandel erhältlich sein.

Mehr zum Krimifestival Mordsharz vom 14. bis 17. September 2016 ist unter mordsharz-festival.com zu finden.

Text: Christian Dolle