Stefan Orner und Helena Piontek zeigten mit ihrem SWR-Podcast MAFIA LAND - Die deutsche Spur, wie verbreitet die italienische organisierte Kriminalität im Südwesten und in der Region Mannheim ist. Gemeinsam mit Andreas Stenger, Präsident des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg und Alessandro Bellardita, Richter am Landgericht Karlsruhe und Lehrbeauftragter an der Hochschule für Rechtspflege in Schwetzingen, sprachen sie auf der Bühne das sozio-kulturellen Zentrums Kulturbrücken Jungbusch über die sizilianische Mafia. Die charmante Location, die sich mitten im gleichnamigen Mannheimer Stadtteil befindet, war an diesem Abend voll besetzt.
Zum Auftakt wurden Nachrichten in Verbindung mit der Mafia eingespielt. So waren alle gleich mitten im Thema. Stefan Orner wies ausdrücklich darauf hin, dass ein kleiner Bruchteil der italienischen Community in Deutschland für die kriminelle Vereinigung agiert, die anderen 99,XX Prozent fänden die genauso schlimm wie alle anderen und stellte Andreas Stenger als obersten Ermittler Baden-Württembergs in Sachen organisierter Kriminalität vor.
Die beiden Podcaster gaben Teile ihre Umfrage in Mannheim wieder, in der sie Passanten nach der Mafia in Mannheim fragten. Vielen war nicht bewusst, dass die Mafia hier agiert. Und genau das entspricht nach Andreas Stenger dem Wesenskern der Organisation, sich unterhalb des Radars zu bewegen, unauffällig zu bleiben und sich damit nicht geschäftsschädigend zu verhalten.
Für Alessandro Bellardita ist es wichtig, nicht mittels Folklorisierung der Organisation Klischees zu bedienen. In Italien muss das Thema Mafia geschichtlich verarbeitet werden, dabei spielen Schulprogramme, die unter anderem von der Stiftung Falcone initiiert werden, eine wesentliche Rolle. Helena Piontek betonte die künstlerische Aufarbeitung der Mafia als ebenfalls wichtigen Aspekt. So heißt es im Antimafialied PENSA „denke darüber nach, bevor du jemanden erschießt“. Sie und ihr Kollege waren in Sizilien auch an dem Ort, von wo aus die Bombe gezündet wurde, mit der Richter Falcone, seine Ehefrau und drei Leibwächter ermordet wurden. Am Ort des Verbrechens gibt es Stelen mit Erklärtafeln. Für den damals elfjährigen Alessandro Bellardita war Sizilien damit schlagartig nicht mehr nur ein Urlaubsort. Italien erlebte in diesem Jahr ein „Schaltjahr“, in dem eine komplette politische Klasse weggefegt wurde. Der Korruptionsskandal, der ganz Italien erschütterte, hatte mit der "grauen Zone" zu tun. Mit der Herausforderung des Staates schoss die Mafia ein Eigentor.
Ein gutes internationales Netzwerk ist laut Andreas Stenger Voraussetzung, um in diesem Kriminalitätsbereich effektiv zu arbeiten. Es gibt direkte sichere Kanäle, über die grenzübergreifend kommuniziert wird. Das Netzwerk beruht auch auf persönlichen Kontakten, sei aber selbstverständlich institutionell abgesichert. Es gibt gemeinsame Aus- und Fortbildungen.
Auf die Frage Helena Pionteks, ob die Mafia so organisiert sei wie im Film „Der Pate“, antwortete Alessandro Bellardita, das Besondere an der italienischen Mafia sei, dass es überhaupt nichts mit normaler Kriminalität zu tun habe. Sie baue Sozialkapital auf und sorge über Verflechtungen für eine sogenannte graue Zone. Damit ist die Verflechtung zwischen Mafia und Politik gemeint. In Italien ist die Zugehörigkeit zur Mafia strafbar.
Sowohl Andreas Stenger als auch Alessandro Bellardita wiesen darauf hin, Beobachtungen unbedingt als Zeuge zu melden und nicht müde zu werden, bei Politikern mehr Einsatz gegen die Mafia in Deutschland zu fordern. Andreas Stenger verwies ausdrücklich auf den Verein mafianeindanke.de, dessen Vorsitz Sandro Mattioli innehat. Mit dem Journalisten Sandro Mattioli hatte Andreas Stenger vor einigen Wochen eine bestens besuchte Veranstaltung in Mannheim, was wie die Besucherzahl in den Kulturbrücken das große Interesse an diesem Thema zeigt. Sandro Mattioli hat den Bestseller „Germafia - Wie die Mafia Deutschland übernimmt“ veröffentlicht, der bereits in der ardmediathek im Interview mit dem Autor vorgestellt wird.
Zum Ausklang der hochspannenden, sehr interessanten Veranstaltung bekamen die Zuhörenden ausführlich Gelegenheit, Fragen zu stellen, die von den beiden Experten umfassend beantwortet wurden.
Das sozio-kulturelle Zentrum Kulturbrücken Jungbusch kann auch für private Veranstaltungen gemietet werden.