TATORT Vom Himmel hoch

Sie spielen im SWR-TATORT "Vom Himmel hoch" ein Duo, das sich gefährlich nahe kommt. Nicht von ungefähr sehen sich die beiden ähnlich. Foto © Jürgen Schmid, Kriminetz

Gleich in den ersten 60 Sekunden wird dem Publikum in diesem TATORT aus Ludwigshafen eine Leiche präsentiert – zumindest ist eine blutverschmierte leblose Hand zu sehen. Die Kollegin sieht die Leiche jedoch nicht und wischt den Flur der Praxis, sehr zum Ärger der Spurensicherung, die bald zum Fundort kommt. Der Ermordete ist Psychologe, sein Spezialgebiet war die Posttraumatische Belastungsstörung. Er war obendrein als Gutachter tätig, auch für das US-Military und entschied so über Arbeitsfähigkeit oder über das mögliche Ende von Karrieren.

In dieser Folge spielen Drohnen eine große Rolle. Die kleinen Fluggeräte sind nicht nur Spielzeug, sie sind auch als Transportmittel einsetzbar. Im Irak und in Afghanistan können sie den Tod als Gepäck haben. Im Film sind es hauptsächlich schwer traumatisierte Soldaten, die den Psychologen aufsuchen. Denn Krieg ist ein dreckiges Geschäft, einigen wenigen bringt er Renditen, sehr viele gehen daran irreparabel kaputt, falls sie ihn überhaupt überleben. Keine Todesdrohne ist von ihrem Piloten, der offiziell nur im fernen Texas eingesetzt wird, so steuerbar, dass sie nur die Zielperson tötet. Kollateralschaden heißt es dann, wenn Zivilisten sterben. Denn anders als bei einem Computerspiel sind die Getroffenen tatsächlich tot, es ist ein perverses Spiel. „Haben Sie schon mal getötet?“, wird die Ermittlerin gefragt. Jemand zu töten, macht etwas mit dem Täter. Es wird nie wieder so sein wie davor. Die Kamera der Drohne fängt die Schreckensbilder vom Ort des Geschehens ein, von dem die Drohnenpilotinnen und -piloten weit weg sitzen und brennt sie ihnen unauslöschbar in die Seele.

Mirhat Rojan und sein Bruder sind direkt betroffen, ihre Familienangehörigen starben bei solch einem Drohnenangriff im Irak. Nun sind sie in Ludwigshafen und sehen eine Gelegenheit zur Rache, denn ein amerikanischer Staatssekretär wird aus Ramstein nach Mannheim gefahren, wo er den deutschen Verteidigungsminister treffen soll. Und dann ist da noch eine Soldatin, die aus Texas nach Ramstein versetzt wurde. Wegen ihrer PTBS (Posttraumatische Belastungsstörung) wurde sie zum Kantinenpersonal beordert. Gibt es eine Verbindung zu dem ermordeten Psychologen?

Vom Himmel hoch bringt ein politisches Thema auf den Sonntagabend-Sendeplatz. Drehbuchautor und Regisseur Tom Bohn ist dafür zu danken, auch den Redakteuren des SWR, die dieses Thema zuließen. Mich hätte noch ein wenig die Vorgeschichte der Soldatin interessiert, was hat die Frau bewogen, zum Militär zu gehen? Stammt sie aus einer Soldatenfamilie, waren es finanzielle Gründe, die sie zu der Laufbahn angeregt haben? Meldet man sich innerhalb des US-Militärs für einen Einsatz als Drogenpilotin oder wird man berufen?

Lena Odenthal hat sich in dieser Folge an ihre neue Kollegin, gespielt von Lisa Bitter, gewöhnt. Längst finden keine Konkurrenzkämpfe mehr zwischen den beiden statt, beinahe schwesterlich vereint ermitteln sie. Die Ernsthaftigkeit des Themas nimmt soviel Raum ein, dass ohnehin keiner mehr für einen Nebenschauplatz „Platzhirschkampf“ bleibt. Das Publikum im Festivalzelt applaudiert lange und ausdauernd. Wie man es beim Filmfestival gewohnt ist, wird im Anschluss an die Vorführung zum Filmgespräch ins Zelt am Rheinstrand gebeten. Rüdiger Suchsland begrüßte die Produktionsleiterin Birgit Simon, Produzent Nils Reinhardt, die Schauspielerinnen Lena Drieschner und Lisa Bitter sowie Regisseur und Drehbuchautor Tom Bohn. Ulrike Folkerts dreht gerade in England und konnte deshalb nicht kommen.

Tom Bohn war selbst beim Bund und konnte so eigene Erfahrungen mit einbringen. Es war zur Zeit des Kalten Krieges und er erzählt, dass er und seine Kameraden während der Bereitschaftszeiten viel Angst hatten. Tom Bohn sorgte auch dafür, dass seine Schauspielerinnen ein Schießtraining absolvierten, damit die Handhabung der Waffen authentisch rüberkommt. Wo sie das gemacht haben, verrieten sie auch auf Nachfrage aus dem Publikum nicht. Da sie auch mit Maschinenpistolen hantierten wird es wohl nicht bei einem Baden-Badener Schützenverein gewesen sein. Zum Thema Drohnen hat er umfassend recherchiert und sich auch mit Leuten getroffen, die selbst PTBS haben. Bei Drohnen entsteht, so Tom Bohn, ein Kollateralschaden, Drohnenpiloten schießen Menschen weg wie bei einem Videospiel. Das sei eine ganz harte Nummer. Hier habe jemand die Rechnung ohne die Seele eines Menschen gemacht. Denn die Seele sei ein Regulativ. Man kann nicht unbeschadet andere Menschen töten, das geht nicht. Produzent Nils Reinhard pflichtet bei, „Wir wollten einen Stoff erzählen, der zum Nachdenken anregt.“

Szenen, die so im Polizeialltag nicht vorkommen, wie etwa dass Polizisten alleine in fremde Wohnungen gehen, sind der Dramaturgie des Filmes geschuldet. Die Kamera (Jürgen Carle) zeigt beeindruckende Bilder von der rheinland-pfälzischen Stadt Ludwigshafen und bundeslandübergreifend Szenen im badischen Mannheim. Der Song am Ende des Filmes verfestigt das eingespielte Smartphone-Video zum Eindruck, der nachhallt.

Schauspielerin Lena Drieschner spricht von einer sehr intensiven Arbeit, die Figur, die sie im Film darstellt, hat eine echte Not. Der Regisseur selbst habe sie sowie ihre beiden Kollegen Lisa Bitter und Ulrike Folkerts für die Kampfsszenen ausgebildet. Sie seien aber alle nicht zimperlich und konnten mal so richtig „auf die Mütze“ hauen. Tom Bohn beschließt die Runde mit „Wir müssen alle politischer werden. Wir müssen uns wieder mit Politik beschäftigen. Denn sonst ist unsere Demokratie in Gefahr. Es ist für jeden von uns wichtig, die Augen offen zu halten und Stellung zu beziehen.“ Ein Interview mit ihr ist hier auf Kriminetz zu lesen.

Schnitt: Isabelle Allgeier, Musik: Jan Kazda, Szenenbild: Andreas C. Schmid, Redaktion: Ulrich Herrmann.

„Vom Himmel hoch“ ist nominiert für den Rheingold-Publikumspreis 2018 und beim Filmfestival nochmals am Freitag, 7. September, 18 Uhr und am Samstag, 8. September, um 14.30 Uhr zu sehen.

Das Festival des deutschen Films dauert noch bis zum 9. September 2018. Zum Programm hier klicken

Regisseur & Drehbuchautor Tom Bohn mit seinen beiden Hauptdarstellerinnen Lena Drieschner & Lisa Bitter und mit Produzent Nils Reinhardt auf dem roten Teppich in Ludwigshafen am Rhein. Foto © Jürgen Schmid, Kriminetz
Lena Drieschner zeigt in "Vom Himmel hoch" glaubwürdig die Zerrissenheit ihrer Figur. Schon bei der ersten Einstellung spiegelt ihr Gesicht das Seelenleben der amerikanischen Soldatin. Foto © Jürgen Schmid, Kriminetz
Kloppen sich nur auf der Leinwand: Lena Drieschner und Lisa Bitter. Foto © Jürgen Schmid, Kriminetz
Tom Bohn schrieb das Drehbuch und führte Regie beim SWR-TATORT "Vom Himmel hoch", in welchem er ein politisches Thema verarbeitete. Foto © Jürgen Schmid, Kriminetz
Produktionsleiterin Birgit Simon, Produzent Nils Reinhardt, die Schauspielerinnen Lena Drieschner und Lisa Bitter sowie Regisseur Tom Bohn mit Moderator Rüdiger Suchsland beim Filmgespräch zu "Vom Himmel hoch". Foto © Jürgen Schmid, Kriminetz