Türkische Früchtchen sauer statt süß

Dr. Eva Maria Prohacek (Senta Berger) besucht André Langner (Rudolf Krause), der nach einer Auseinandersetzung mit Jugendlichen im Krankenhaus liegt. Foto: © ZDF/Erika Hauri

Beim Festival des deutschen Films in Ludwigshafen wurde der Krimi Türkische Früchtchen aus der ambitionierten Reihe Unter Verdacht mit Senta Berger gezeigt. Der Film steigt hart ein, Jugendliche bedrohen im Bus andere, beleidigen und verhöhnen ihre Opfer. Zufällig sitzt auch Kommissar Andre Langner mit im Bus. Nach dem Verlassen des Busses kommt es zu einer erneuten Konfrontation. Andre Langner hilft den Opfern, alles scheint vorbei zu sein.

Doch dann lässt Langner sich hinreißen, macht etwas, was ein Polizist eigentlich zu vermeiden lernt:

Er reagiert voller Wut auf die erneute Provokation der „Türkischen Früchtchen“, die alles andere als zuckersüß sind. Langner stürzt und kann sich nicht mehr erinnern, er leidet an einer retrograden Amnesie. Hat ihn nun einer der beiden Jugendlichen an der Treppe geschubst und stürzte er deshalb so übel oder hat er von selbst das Gleichgewicht verloren? Der Fall spielt sich im Laufe der Handlung zunächst immer mehr zwischen Andre Langner (Rudolf Krause) und Dr. Eva Maria Prohacek (Senta Berger) ab. Die Psychologin ahnt, dass es hier auch um falsche Verdachte geht und setzt alles daran, die Wahrheit zu ergründen. Sie vertraut auf ihren Instinkt. Staatsanwalt Barnabas gibt ihr mit auf den Weg:

„Überschätzen Sie sich nicht, Frau Prohacek.“ „Vor Gericht und auf hoher See sind alle in Gottes Hand“, lautet ihre Antwort.

Derweil setzt der beurlaubte Langner an seinem Küchentisch aus Puzzleteilen die Milchstraße zusammen. Und nun kommt richtig Fahrt in den Film. Je mehr sich Eva Prohacek der Wahrheit nähert, umso nervöser und aktiver werden die Mächtigen im Hintergrund. Beklemmend ist die Szene mit dem Ministerialdirigenten, dem Staatsanwalt und Prohaceks Chef, wie sie da Zigarre schmauchend in der schweren dunkelbraunen Ledergarnitur sitzend mauschelnd an Strippen ziehen, um ihre Ziele zu verfolgen, omnipotent über Schicksale entscheiden und sich dabei gleich den eigenen Weg praktischer Weise mitebnen. Dieser Weg sieht für sie selbst nur eine Richtung vor und die zeigt nach oben. Man hat den Eindruck, wer in diese Fänge gerät, dem hilft einzig Gottes Hand.

Der Angriff der türkischen Jugendlichen auf den Münchner Kommissar soll von der Politik instrumentalisiert werden für eine Verschärfung des Jugendstrafrechts, passend zur nächsten Landtagswahl. Der Ministerialdirigent träumt davon, bereits für Jugendliche ab sechzehn Jahren Erwachsenenstrafrecht geltend zu machen. Der Anwalt der Jugendlichen versucht zu vermitteln zwischen dem Staatsanwalt und den Jugendlichen, die in einer sozialen Einrichtung leben und die ihre Situation selbst so einschätzen:

„Wir können machen, was wir wollen. Versaut ist versaut.“

Weit klafft die soziale Schere auseinander zu ihren Opfern, die im Film in Architektenhäusern mit Designermöbeln leben und deren Mutter als einzige Sorge das Problem zu belasten scheint, dass sie ihr Pferd heute nicht reiten sondern nur longieren kann. Ansonsten scheint für alles im Überfluss gesorgt zu sein: Markenklamotten, teure Handys. Alles das, was für die Täter in unerreichbarer Ferne liegt. Die Welten, in denen die Beteiligten jeweils leben sind so weit voneinander entfernt wie die Planeten in der Milchstraße, die Langner ausdauernd aus seinen Puzzleteilen zusammensetzt.

Das Drehbuch haben Martin Weinhart und Thomas von Grudzinski geschrieben. Die beiden haben die Sieben Fragen von Kriminetz beantwortet, zum Lesen hier klicken.

Regie führte Martin Weinhart, der 1993 mit dem Regieförderpreis Max-Ophüls-Preis für Durst ausgezeichnet wurde und 1998 mit Ein starkes Team für den Adolf-Grimme-Preis nominiert war. Die Kamera führte Jo Heim, den Schnitt besorgte Matthias Wilfert und die Musik machte Sebastian Pille, den Ton Michael Mladenovic. Produzent im Auftrag des ZDF ist Mario Krebs.

Ob der Ministerialdirigent im Film seine ehrgeizigen Pläne verwirklicht oder ob es Eva Prohacek doch gelingt, das Schlimmste zu verhindern? Am Donnerstag, 20. Juni, 16 Uhr und am Samstag, 22. Juni 2013 wird der Film im Rahmen des Festivals des deutschen Films am Luitpoldhafen nochmals gezeigt.

Sämtliche Informationen zum Festival gibt’s hier