Sieben Fragen an Christopher Nehring

Christopher Nehring promovierte zur Geheimdienstgeschichte und ist wissenschaftlicher Leiter im Deutschen Spionagemuseum. © Jürgen Schmid, Kriminetz

Christopher Nehring ist wissenschaftlicher Leiter im Deutschen Spionagemuseum am Potsdamer Platz in Berlin. Er promovierte zur Geheimdienstgeschichte und ist Verfasser zahlreicher wissenschaftlicher und journalistischer Publikationen auf diesem Gebiet.

Der Autor hat in Heidelberg studiert. Im Heyne-Verlag ist von ihm das Sachbuch Die 77 größten Spionage-Mythen enträtselt erschienen.

Für Kriminetz hat Christopher Nehring sieben Fragen beantwortet.

Kriminetz: Was hat Sie selbst dazu bewogen, sich wissenschaftlich mit Geheimdiensten zu befassen? Gab es dafür einen Auslöser?

Christopher Nehring: Geheimdienste bieten ein Meer spannender, skurriler, trauriger und sehr aufregender Geschichten. Das große Geheimnis, das jahrzehntelang um diese Institution gemacht wurde, hat viele „weiße Flecken“ erzeugt. „Geheime Dienste“ faszinieren also und bringen zahlreiche Mythen hervor, die teils wahr, teils un- oder bestenfalls halb wahr sind. Das macht das Thema so spannend, aber auch anspruchsvoll.

Kriminetz: Sie sind wissenschaftlicher Leiter des deutschen Spionagemuseums in Berlin. Welches Objekt im Museum liegt Ihnen selbst besonders am Herzen?

Christopher Nehring: Oh, das sind wirklich viele. Unsere Sammlung umfasst ja mittlerweile fast 2000 Objekte. Beeindruckend sind zum Beispiel Luftbildkameras oder Abhörgeräte aus dem Ersten (!) Weltkrieg. Dies sind aus heutiger Sicht vielleicht primitiv, aber wenn man bedenkt, dass sie nun über 100 Jahre alt sind…den Lügendetektor finde ich faszinierend, weil er eine so lange und interessante Geschichte hat; den sog. „bulgarischen Regenschirm“, also ein Regenschirm, der winzige Giftkugeln verschießen konnte, finde ich besonders, weil er zu einem eigenen Mythos geworden ist. Deshalb habe ich diese Mythen natürlich auch in meinem Buch behandelt.

Kriminetz: Bei Ihrer Lesung bei Thalia in Mannheim am Paradeplatz erwähnten Sie Anfragen an das Museum. Da ist sicherlich auch Kurioses dabei?

Christopher Nehring: Natürlich, die Welt der Spionage ist ohne Kuriositäten nicht denkbar. Allerdings geht ein Großteil davon eben auf den Mythos dieser geheimen Institution zurück. Von Aliens und Ufos, Welt-Verschwörungen oder supermodernen geheimen Laserwaffen ist da eigentlich alles dabei. „Geheim und geheim gesellt sich gerne“, scheinen sich viele zu sagen. Für eine wissenschaftliche Betrachtung reicht das allerdings nicht, da kann ich nur das untersuchen, wozu ich auch belastbare Informationen habe. Das war ein Grund einmal 77 Mythen aus der Welt der Geheimdienste zu untersuchen.

Kriminetz: Was würden Sie jungen Menschen, die den Beruf der Agentin oder des Agenten ergreifen wollen, als Rat mit auf den Weg geben?

Christopher Nehring: Sich klar werden, dass auch Agenten für eine Behörde – mit allem, was dazugehört – arbeiten. Wer sich den Alltag wie im Film vorstellt, wird in einem Alptraum aufwachen; wer aber den vielleicht außergewöhnlichsten Bürojob beim Staat sucht, der könnte fündig werden. Heutzutage kann man sich bei den deutschen Nachrichtendiensten ja relativ einfach und offen bewerben und viele Informationen dazu erhalten, auch mit diesem alten Mythos habe ich in meinem Buch aufgeräumt.

Kriminetz: Wie ist das Verhältnis zwischen Spionagefiktion und der Realität – gibt es da viele Überschneidungen?

Christopher Nehring: Viel mehr als man oft denkt; allerdings geht es dabei nicht um den James Bond-Draufgänger mit seinen Verfolgungsjagden, Explosionen und Weltrettungskämpfen. Die Bedrohungsszenarien in Spionagefilmen und –romanen, vom Kalten Krieg zu Terrorismus, Cyberspionage oder Maulwurfsjagden werden zum Beispiel oft an realen Gegebenheiten ausgerichtet; manche Dienste, wie z.B. die US-amerikanische CIA, unterhalten auch eigene Büros, die Filmproduktionen beraten. Umgekehrt gibt es aber auch Belege, dass sich Geheimdienste von Filmszenarien inspirieren ließen. Nicht umsonst habe ich dem Thema Spionagefiktion gleich zwei Kapitel und über 10 Mythen gewidmet. Für die öffentliche Wahrnehmung und Einstellung zu Geheimdiensten und Spionage ist das Thema Fiktion von enormer Bedeutung.

Kriminetz: Das Leben des Kunstmillionärs Siegfried Kath ist auch ein Stück deutsch-deutsche Geschichte. Sie haben sein Leben in Buchform erzählt. Auch dieses Buch stellten Sie in Mannheim vor, bei einer Lesung im Kunstverein. „Millionär in der DDR“ klingt so gar nicht sozialistisch. Wie hat das ins System gepasst?

Christopher Nehring: Das war ja gerade das Kuriose: Ein Millionär, zudem ein selfmade Millionär, war eben nicht vorgesehen. Siegfried Kath schaffte es trotzdem – und das als Westdeutscher, als Einwanderer und Kellner. Zu verdanken hatte er das einerseits besonderen Umständen, dass er just zu der Zeit einen privaten Kunst- und Antiquitätenhandel aufbaute, als der SED-Staat seine eigenen Pläne noch nicht umgesetzt hatte. Dazu war Kath ein außerordentlich fleißiger, überzeugender und energetischer Mensch. Andererseits ging er eben auch eine unheilige Allianz mit dem DDR-Außenhandel ein, der sich Kath zunutze machte. Nach ein paar Jahren hat man ihn dann verhaftet und enteignet.

Kriminetz: Darf das geneigte Publikum einen Roman aus Ihrer Feder im Stile von John le Carré erwarten?

Christopher Nehring: Hoffentlich bald!

Kriminetz: Vielen Dank, Christopher Nehring, für die Beantwortung der sieben Fragen.

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