Sieben Fragen an Gil Ribeiro

Autor Holger Karsten Schmidt hat als Gil Ribeiro bei Kiepenheuer & Witsch "Lost in Fuseta" veröffentlicht.

Gil Ribeiro ist das offene Pseudonym von Holger Karsten Schmidt, seit vielen Jahren einer der erfolgreichsten Drehbuchautoren Deutschlands. 2010 waren drei Filme für den Adolf-Grimme-Preis nominiert, zu denen Holger Karsten Schmidt das Drehbuch geschrieben hatte; für Mörder auf Amrum erhielt er die Auszeichnung. Für Mord in Eberswalde bekam er 2013 den deutschen Fernsehkrimipreis sowie 2014 erneut den Grimme-Preis.

2011 erschien sein Mittelalter-Thriller Isenhart bei Kiepenheuer & Witsch.
Sein Thriller Auf kurze Distanz erschien bei Rowohlt und wurde mit dem Burgdorfer Krimipreis 2016 ausgezeichnet. Der gleichnamige Film wurde mit der Goldenen Kamera 2017 ausgezeichnet.

2017 erhielt er für sein Drehbuch Das weiße Kaninchen erneut den Grimme-Preis.
Dies sind nur einige der zahlreichen Preise, die der vielseitige Autor erhielt. Er lebt und arbeitet in Asperg in Baden-Württemberg.

Der unter Gil Ribeiro veröffentlichte Roman Lost in Fuseta sprang rasch nach Erscheinen auf die Spiegel-Paperback-Bestseller-Liste.

Für Kriminetz beantwortete Gil Ribeiro sieben Fragen.

Kriminetz: Schon der Titel des Romanes ist ein Wortspiel und weist auf den Humor hin, der im Roman gekonnt zum Einsatz kommt. Bereits nach den ersten Seiten gerät man beim Lesen in den Erzählsog und kann das Buch kaum mehr aus der Hand legen. Ist das Pseudonym eine Hilfe, deine humorvolle Seite vollends auszuleben?

Gil Ribeiro: Danke erstmal für die Blumen.
Und was das Pseudonym betrifft: Das ist einfach ein Etikett.
Da Leander Lost in Reihe gehen soll und ich unter meinem Klarnamen unterschiedliche Genres bediene, also Isenhart oder Auf kurze Distanz oder nächsten Herbst einen harten Thriller namens Die Toten von Mirow, haben der Verlag und ich uns entschlossen, den Freunden von Leander Lost mit dem offenen Pseudonym Gil Ribeiro ein klares Signal zu geben.

Kriminetz: Lost lebt mit dem Asperger-Syndrom, das nach einem österreichischen Kinderarzt benannt wurde. Was hat dich daran gereizt, deinen Ermittler damit auszustatten?

Gil Ribeiro: Ich hätte diesen Roman ohne diese Figur nicht geschrieben.
Leander eröffnet dem Leser und mir neue Perspektiven. Er versteht keine Ironie, keinen Humor, er kann nicht lügen. Alleine dieses letzte Merkmal macht ihn nahezu untauglich für unsere Gesellschaft – und was sagt alleine das schon über uns?
Mit Leander kann ich Dinge schonungslos auf den Punkt bringen. Er ist mein „Mr. Spock“ an der Algarve. Mit ihm kann ich humorvolle Szenen kreieren oder tragische Szenen aufbauen (etwa, wenn er einer bis über beide Ohren in ihn verliebten Frau gegenüber sitzt und es nicht bemerkt) oder Fragen aufwerfen, die weit über einen Krimi hinausgehen, den Sinn der menschlichen Existenz zum Beispiel und vieles mehr.
Lost öffnet das Genre für mich in alle Richtungen: Komödie, Drama, Thriller usw. Einen bloßen Krimi an der Algarve – das hätte mich nicht gereizt.

Mit Leander Lost an der Seite, der gnadenlos logisch alles hinterfragt, muss ich auch ständig meine Überzeugungen und Ansichten auf den Prüfstand stellen – und gegebenenfalls ändern.
Und es ist z. B. natürlich schön für einen Autor, ihn mit der Unschuld eines Kindes das Bedürfnis entwickeln zu lassen, lügen zu können oder Ironie als solche zu erkennen.
Und das alles nur aus einem Grund: damit er sich endlich nicht mehr als Außenseiter fühlt, sondern endlich Teil des Ganzen ist.
Eine spannende Figur, die mir ein Füllhorn an erzählerischem Potential generiert. Und mich auch noch ständig dazulernen lässt. Viel mehr kann man von seinen eigenen Figuren glaube ich nicht erwarten.
Das klingt bestimmt merkwürdig, aber ich bin Leander sehr dankbar.

Kriminetz: Wann hast du dich in Portugal verknallt?

Gil Ribeiro: 1987. Als Interrailer war ich mit zwei Freunden in Marokko unterwegs. Einer zog sich eine böse Infektion zu, und er wollte unbedingt zurück nach Europa. Zurück über die Straße von Gibraltar nahmen wir den erstbesten Zug – und landeten in Tavira, an Portugals östlicher Grenze.
Wir hatten Portugal vorher gar nicht auf dem Schirm gehabt.
Und nach der Genesung unseres Freundes gondelten wir dann an der Küste entlang bis nach Lagos. Da hörte damals die Eisenbahnlinie einfach auf, und das ist heute noch so.
Ein anderer Interrailer meinte, nur noch ein Stück weiter ende die Welt – in Sagres.
Also nahmen wir den Bus dorthin, lernten zwei junge Frauen kennen und kamen zu fünft privat im Haus einer portugiesischen Familie unter.
Die grandiose Landschaft, die Gastfreundschaft der Portugiesen, die Lässigkeit der Interrailer, das Meer, der Sommer und außerdem fühlten wir uns mit Anfang zwanzig unsterblich – da konnte man sich nur verlieben. Portugal hat es mir sehr leicht gemacht.

Kriminetz: Was ist die Besonderheit der portugiesischen Küche?

Gil Ribeiro: Sie ist eigentlich klar und bodenständig, kann aber sehr raffiniert sein und ist voller Varianten. Fische und Meeresfrüchte spielen natürlich eine große Rolle. Fleisch allerdings nicht minder, Stichwort Hähnchen piri-piri. Und in der portugiesischen Küche findet man traditionell Dinge, die die Portugiesen aus den Überseegebieten mitgebracht haben, jede Menge Gewürze etwa.
Dazu am besten ein junger Weißwein.
Ich bekomme langsam Hunger...

Kriminetz: Wenn du nicht Schriftsteller und Geschichtenweber wärst – womit würdest du deine Brötchen verdienen?

Gil Ribeiro: Als Journalist vielleicht oder Fotograf – wobei es für beide Berufsstände schwierig geworden ist, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.
Deutschlehrer hätte ich noch werden können. Vielen Kindern ist also ein Alptraum erspart geblieben.

Kriminetz: Du warst kürzlich auf einer längeren Reise. Könntest du dir vorstellen, ganz im Ausland zu leben?

Gil Ribeiro: Nein, dazu bin ich zu alt. Anders gesagt: Ich habe hier in Deutschland mein soziales Netz an Freunden, Bekannten, Kollegen, Verwandten, und nicht jede Verbindung kann man über facebook in jener Tiefe und auch Sorgfalt erhalten, die sie benötigt.
Mit 20 oder 25 Jahren wäre die Chance groß gewesen, mit meiner Frau in Tasmanien oder Neuseeland (da waren wir gerade 3 Monate) zu bleiben und sich dort eine Existenz aufzubauen.
Heute bin ich dort gerne Gast, auch länger, aber ich bin jemand, der auch gerne wieder nach Hause kommt.

Da ich mich mehr und mehr vom Drehbuch auf den Roman verlege, gewinne ich auch an Freiheit. Für Drehbuchbesprechungen muss ich vor Ort sein. Für den Roman ist das nicht essentiell.
Wegen der Drehbücher musste ich die 3 Monate Auszeit sehr genau planen. Bei einem Romanprojekt könnte ich morgen für 3 Monate und länger aufbrechen, ohne mich mit jemandem abstimmen zu müssen.

Kriminetz: Und nun die für deine zahlreichen Leser und Leserinnen sicherlich hochspannende Frage: Wann dürfen sie mit einer Fortsetzung von „Lost in Fuseta“ rechnen?

Gil Ribeiro: Im März 2018. Pro Jahr ein Band. Ich schreibe im Augenblick gerade daran. Leander hat beschlossen, Vater zu werden. Ich habe gerade viel Spaß mit ihm.

Kriminetz: Vielen Dank für die Beantwortung der sieben Fragen!

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