Sieben Fragen an Holger Joos

Das Foto zeigt Holger Joos. Foto © Jürgen Schmid

Holger Joos ist Drehbuch-Autor. Der gebürtige Schwabe lebt in Frankfurt am Main. Erste Erfahrungen sammelte er als Assistent bei internationalen Filmproduktionen und entschied sich dann für das Drehbuchschreiben.

Eine kleine Auswahl der Filme, zu denen er das Drehbuch schrieb:

Unter Anklage: Der Fall Harry Wörtz erzählt die wahre Geschichte des Mannes, der verurteilt wurde, seine getrennt lebende Ehefrau, eine Polizistin, überfallen zu haben. Die Frau hat dauerhafte Schäden erlitten und kann nicht aussagen, wer ihr das wirklich angetan hat. In einer zermürbenden Folge von Prozessen, die sich über Jahre hinziehen, wird Harry Wörz abwechselnd verurteilt und frei gesprochen. Viele Jahre saß er unschuldig hinter Gittern.

In gefährlicher Nähe: Eine Rechtsanwältin hat für ihren Mandanten einen Freispruch erzielt. Eine Frau hat ihn der Vergewaltigung bezichtigt. Doch die Rechtsanwältin zieht erfolgreich deren Glaubwürdigkeit in Frage. Nach dem Prozess verspinnt sich die Anwältin in ein Netz der Zuneigung zu dem Freigesprochenen und den Versuchen der Geschädigten, sie doch noch zu überzeugen. Wo liegt die Wahrheit?

Auch zu einigen Krimis der in Deutschland so beliebten Commissario Brunetti-Reihe von Donna Leon hat Holger Joos die Drehbücher geschrieben: „Blutige Steine“, „Die dunkle Stunde der Serenissima“ und „Wie durch ein dunkles Glas“.

Am 10. September dieses Jahres wird in der ARD der Film Der offene Käfig ausgestrahlt, mit Anna Schudt, Oliver Mommsen und Martin Feifel in den Hauptrollen. Regisseur war Johannes Grieser, die Kamera führte Jürgen Carle. Im Film wehren sich Nachbarn, als ein verurteilter Straftäter nach Absitzen seiner Strafe in ihrer Nähe wohnen soll. Ein vielschichtiges Psychodrama, in dem die verschiedenen Perspektiven aller Beteiligten ausgelotet werden, auch die des Bruders und seiner Familie, bei dem der Mann einzieht. Kriminetz war bei den Dreharbeiten zu dem Film dabei.

Für Kriminetz beantwortete Holger Joos sieben Fragen.

Kriminetz: Der SWR hat nach Ihrem Drehbuch den Film „Der offene Käfig“ realisiert. Darin wird eine vielschichtige psychologische Geschichte erzählt. Was war der Auslöser, dieses Drehbuch zu schreiben?

Holger Joos: In erster Linie fand ich die Frage spannend, wie wir mit Menschen umgehen, die zwar ihre Strafe verbüßt haben, in den Augen der Mitmenschen aber noch immer „schuldig“ sind oder als mögliche Gefahr wahrgenommen werden. Wir alle wissen zwar, dass diese Menschen theoretisch ein Recht haben wieder in die Gesellschaft intrigiert zu werden, doch wer will „so einen“ schon als Nachbarn…?

Kriminetz: Im Film „Gefährliche Nähe“ geht es auch darum, ob man seinen eigenen Gefühlen und seiner eigenen Wahrnehmung trauen darf. Sie scheinen eine Vorliebe für Psychothriller zu haben?

Holger Joos: In „Gefährlicher Nähe“ ging es mir um die Frage, auf welchen Grundlagen wir
eigentlich unserer Entscheidungen treffen. Ich denke, wir suchen ständig nach „objektiven Wahrheiten“, die beweisbar und nachvollziehbar sind. Doch woher wissen wir eigentlich, dass diese „Wahrheiten“ tatsächlich echt sind? Dass wir nicht immer wieder nur auf ein und dieselbe Seite der Medaille sehen? Im Film „In gefährliche Nähe“ erwächst eben daraus der Konflikt: eine Frau muss eine existenzielle Entscheidung treffen und erkennt, dass es „die Wahrheit“ überhaupt nicht gibt.

Kriminetz: Harry Wörz wurde im wahren Leben „himmelschreiendes Unrecht“ zugefügt. Ist es schwieriger, ein Drehbuch nach einem wahren Fall als völlig fiktiv zu schreiben? Sie wollten sicherlich nah an der Realität bleiben und mussten eine Menge an Fakten recherchieren? Das war in diesem speziellen Fall bestimmt sehr aufwändig?

Holger Joos: Natürlich ist es eine besondere Herausforderung eine Geschichte zu erzählen, die auf wahren Begebenheit beruht. Bei „Harry Wörz“ bestand die Aufgabe darin fast dreizehn Jahre Lebensgeschichte und mehrere tausend Aktenseiten auf eineinhalb Stunden zu verdichten. Dazu kamen noch die rechtlichen Auflagen, denn alles, was wir im Film zeigen, musste sich durch Quellen oder Akten belegen lassen.

Kriminetz: Konnten Sie im Rahmen der Arbeit zum Film über Harry Wörz Beteiligten aus der Justiz Fragen stellen?

Holger Joos: Wir hatten mit Dr. Gorka, der Anwalt, der Harry Wörz über Jahre hinweg begleitet hat, einen kompetenten und hilfsbereiten Ansprechpartner. Außerdem wurde das Drehbuch mehrfach von Anwälten geprüft.

Kriminetz: Sie haben für einige Krimis von Donna Leon das Drehbuch geschrieben. Ich liebe diese Filme schon alleine wegen der sagenhaft schönen Bilder.
Bereits in der Renaissance gab es das „Fondaco dei Tedeschi“ der deutschen Kaufmänner in Venedig an der Rialto-Brücke, in dem bis vor wenigen Jahren das Postamt von Venedig untergebracht war. Haben Sie eine Erklärung dafür, weshalb ausgerechnet diese Stadt für viele Deutsche derart anziehend ist?

Holger Joos: Das kann ich Ihnen leider nicht beantworten. Ich weiß nur, dass diese Stadt auch mich jedes Mal von neuem fasziniert. Doch leider scheint sie immer mehr zur bloßen Kulisse für Touristen zu verkommen - oder wie Donna Leon es sinngemäß schreibt: zum Disneyland Italiens, in dem bald niemand mehr tatsächlich lebt.

Kriminetz: Neben dem Drehbuch wird ein Film vom Regisseur und vom Kameramann geprägt, der Schnitt gibt nochmals eine eigene Handschrift. Können Sie auswählen, welcher Regisseur Ihre Stoffe bearbeitet?

Holger Joos: Nein. Meistens werden Regisseure von der Produktion oder vom Sender angefragt.

Kriminetz: Schauen Sie während der Dreharbeiten am Set vorbei?

Holger Joos: Leider viel zu selten.

Kriminetz: Vielen Dank, Holger Joos, für die Beantwortung der Fragen.

Hier klicken, um den Trailer zu "Der offene Käfig" zu sehen.