Sieben Fragen an Josef Wilfling

Der Vernehmungsspezialist Josef Wilfling. Foto: © Guido Krzikowski

Josef Wilfling trat am 3. Oktober 1966 in den mittleren Dienst der bayerischen Polizei ein. Er war 42 Jahre lang im Polizeidienst tätig, 22 davon bei der Münchner Mordkommission. Der Vernehmungsspezialist klärte spektakuläre Fälle wie den Sedlmayr- und den Moshammer-Mord auf, schnappte Serientäter wie den Frauenmörder Horst David und verhörte Hunderte Kriminelle. Nachdem er 2009 in den Ruhestand verabschiedet wurde, verarbeitete Josef Wilfling die Erfahrungen aus seiner Dienstzeit als Buchautor und wurde zum gefragten Referenten. Bereits während seiner Dienstzeit schrieb er für die hauseigene Polizeizeitung Glossen und Analysen.
Josef Wilfling ist verheiratet und lebt in München. Bei Heyne sind bereits seine Bestseller Abgründe, Unheil und Verderben erschienen. Sein aktuell erschienener Titel heißt Geheimnisse der Vernehmungskunst.

Für Kriminetz beantwortete Josef Wilfling sieben Fragen.

Kriminetz: Würden Sie sich heute erneut für den Beruf des Polizisten entscheiden?

Josef Wilfling: Ja, mit voller Leidenschaft. Im Nachhinein betrachtet, war es für mich der ideale Beruf. Ein Beruf mit hoher Sinnhaftigkeit, erfüllend und abwechslungsreich. Und ein Beruf, der ein hohes Maß an Verantwortung abverlangt und auch mit teils heftigen psychischen und physischen Belastungen einherging. Für mich genau das Richtige.

Kriminetz: Wieviel Empathie sollte während des Verhörens von Seiten der Vernehmenden für die Gegenseite aufgebracht werden?

Josef Wilfling: Hohe Empathie ist eine der Grundvoraussetzungen, wenn man erfolgreich vernehmen will. Wer sich nicht in andere hineinversetzen kann, wird auch nichts herausbekommen, sage ich immer. Wichtig ist, dass man keinen Belastungseifer zeigt und keine Verachtung spüren lässt. Auch einem Kindermörder gegenüber nicht. Moralapostels sind bei der Mordkommission deshalb fehl am Platze.

Kriminetz: Gab es auch Situationen, wo so etwas wie Verständnis für Täter oder Täterinnen aufkam?

Josef Wilfling: Ein klares Ja. Mord ist nicht gleich Mord und Mörder(in) nicht gleich Mörder(in). Vieles kann man nachvollziehen, manches nicht. Das hängt vielfach mit dem Motiv zusammen, aus dem heraus Täter(innen) gehandelt haben. So kann man wohl einen Mord, begangen aus Leidenschaft, eher verstehen als einen, bei dem die pure Habgier dominierte.

Kriminetz: Haben Sie in Ihre Arbeit Spezialistinnen oder Spezialisten für operative Fallanalyse eingebunden?

Josef Wilfling: Ja, seit es die sog. Profiler gibt, wurden sie auch eingebunden. Mit großem Erfolg. Wir in München haben ja einen der besten seines Faches, nämlich Alexander Horn, der beispielsweise schon frühzeitig erkannt hat, dass hinter den NSU-Morden Rechtsradikale stecken könnten. Kaum jemand glaubte ihm.

Kriminetz: Gab es einen besonderen „Cold Case“, den sie vor Ihrem Ruhestand noch ganz gerne geklärt hätten?

Josef Wilfling: Es gibt nicht nur einen, sondern mehrere Fälle, die bis heute leider ungeklärt blieben. Beispielsweise den Fall der damals 18jährigen Sonja Engelbrecht, die seit 1995 vermisst wird. Zuletzt wurde sie am Abend des 10. April 1995 nach einem Lokalbesuch gesehen, seither gibt es keine Spur von ihr. Wir gingen und gehen davon aus, dass sie Opfer eines Verbrechens wurde. Ebenso wie Kristine Harder, die am 12.12.1991 ebenfalls nach einen Lokalbesuch in der Stadtmitte verschwand und von der später Leichenteile aufgefunden wurden.

Kriminetz: Was geben Sie jungen Polizistinnen und Polizisten, die am Beginn ihres Berufslebens stehen, mit auf den Weg?

Josef Wilfling: Nicht nur auf Beförderungen und gute Dienstposten schielen, sondern vielmehr darauf achten, dass das, was man tut, auch Erfüllung und Zufriedenheit bringt.

Kriminetz: Kommt es vor, dass zu Ihren Lesungen „Klientel“ aus Ihrem Berufsleben als Gäste kommen?

Josef Wilfling: Täter und Täterinnen habe ich bislang noch nicht registriert, aber es kommt immer wieder vor, dass sich Angehörige von Tatopfern bei meinen Lesungen einfinden, was mich jedes Mal sehr freut.

Kriminetz: Vielen Dank, Josef Wilfling, für die Beantwortung der sieben Fragen.

"Geheimnisse der Vernehmungskunst" von Josef Wilfling ist bei Heyne erschienen.