Sieben Fragen an Mara Laue

Das Foto zeigt die Schriftstellerin Mara Laue. © Fotostudio Peschges, Kleve

Die Schriftstellerin Mara Laue wurde am 7. Juli 1958 in Braunschweig geboren. Sie lebt und arbeitet (nach einer beruflichen Odyssee als Bauzeichnerin, EDV-Fachfrau, Fremdsprachensekretärin, Chefsekretärin und Buchhalterin) seit 2005 als freie Schriftstellerin in Kleve am Niederrhein. Sie schreibt Krimis, Okkult-Krimis, Science Fiction, Fantasy und Urban Fantasy, verfasst aber auch Lyrik und Theaterstücke sowie Liebesromane. Im „Nebenberuf“ ist sie bildende Künstlerin und Fotokünstlerin und unterrichtet kreatives Schreiben in Fernkursen.

Für Kriminetz beantwortete Mara Laue sieben Fragen.

Kriminetz: Die Liste deiner Veröffentlichungen ist ziemlich lang. Wann hast du mit dem Schreiben begonnen?

Mara Laue: Mit zwölf Jahren. Anlass war die „Geschlechtertrennung“, die in den Kinder- und Jugendbüchern noch bis Ende des 20. Jahrhunderts Usus war. Da wurde noch strikter als heute in Jungen- und Mädchenbücher unterteilt und die Darstellung der Geschlechter steckte voller Klischees. Die Jungs/Männer erlebten die tollen Abenteuer – das Einzige, was mich interessierte – und die Mädchen/Frauen waren die flennenden, feigen Memmen, die beschützt werden mussten, Kreischanfälle beim Anblick einer Spinne oder einer Maus bekamen, alles Erdenkliche falsch machten und nicht selten der hysterische, dauerheulende Klotz am Bein des Helden waren. Und Mädchenfiguren wie Pippi Langstrumpf waren „zauberhafte“ Wesen, die mit der Realität nichts zu tun hatten. In den „Mädchenbüchern“ drehte sich alles um Zickenkrieg in der Schule oder Erlebnisse im Internat oder um die erste Liebe, bei der auch das selbstbewussteste Mädchen am Ende vor lauter Liebe zum unterwürfigen Frauchen mutierte und tat, was der Junge/Mann wollte.
Diese Darstellung widersprach komplett meiner eigenen Lebensrealität. Die Frauen in meiner Familie waren ausnahmslos „gestandene Weibsbilder“, die zupackten und sich von niemandem die Butter vom Brot nehmen ließen. Heulende, hilflose Weicheier wie in den Büchern gab es bei uns nicht. Das führte dazu, dass ich diese Geschichten irgendwann nicht mehr lesen mochte. Weil es aber keine realitätsnahen Geschichten gab, in denen es anders war, erst recht keine spannende Abenteuer erlebenden Mädchen, habe ich, als ich zwölf war, eine eigene Geschichte geschrieben, in der ein Mädchen Abenteuer mit einer Wildpferdstute erlebte.
Nachdem ich einmal angefangen hatte, gefiel mir das Geschichtenerfinden und Schreiben so gut, dass ich bis heute nicht mehr aufhören konnte. In meinem Kopf sind so viele Ideen für neue Geschichten und Romane, dass ich sie in diesem Leben nicht mehr alle werde aufschreiben können. Aber ich versuche, so viele zu schaffen wie ich kann.

Kriminetz: Dein nächster Krimi wird wieder Mannheim als Handlungsort haben. Was reizt dich an dieser Stadt?

Mara Laue: Ich kam, ich sah, und Mannheim eroberte mein Herz im Sturm. Wahrscheinlich lag das daran, dass die Stadt mich bei meinem ersten Aufenthalt dort mit einem wunderschönen Regenbogen begrüßte und auch mit einem weiteren verabschiedete. Als dann auch noch meine Mannheimer Verlegerin Barbara Waldkirch mir einen Tag lang die Stadt zeigte, war es vollends um mich geschehen. Die Stadt hat eine sehr interessante Atmosphäre und natürlich auch viele Sehenswürdigkeiten aus historischen, aber auch modernen Zeiten. Mich fasziniert zum Beispiel der Hafen, weshalb er im Krimi eine Rolle spielt. Und die Einteilung und Benennung von Straßen in Quadrate und Adressen die lauten „N 3, 16“ finde ich überaus charmant. Davon abgesehen haben sich aus meinen Besuchen inzwischen persönliche Freundschaften entwickelt, die ich nicht mehr missen möchte.

Kriminetz: Magst du schon ein klein wenig verraten, worum es im Krimi geht?

Mara Laue: Ein toter Matrose wird im Hafen gefunden, der der Polizei eine Reihe von Rätseln aufgibt, unter anderem die Frage nach seiner Identität. Zunächst sieht es so aus, als sei er ein Drogenkurier, aber es gibt auch Spuren, die in eine gänzlich andere Richtung weisen. Dann taucht auch noch seine Schwester auf, eine ehemaligen Majorin der russischen Armee. Dadurch gibt es wieder neue Aspekte, die auf ganz andere Hintergründe für den Mord hindeuten. Hauptkommissar Idris Oktay und sein Team haben alles in allem keinen leichten Fall zu knacken.

Kriminetz: Begibst du dich während deiner Recherche jeweils vor Ort?

Mara Laue: Meistens. Im Inland immer. Das ist zwar nicht immer zwingend erforderlich. Im Zeitalter von Online-Stadtplänen und Programmen wie Streetview sowie anderen in Fachbüchern wie Reiseberichten erhältlichen Informationen und persönlichen Kontakten zu „Einheimischen“ über soziale Medien, kann man fast alles auch zu Hause am Bildschirm recherchieren. Aber es ist einfach schön, die Orte hautnah zu erleben, die Atmosphäre zu „atmen“ und die Menschen kennenzulernen, die dort leben. In Mannheim haben meine verschiedenen Recherche-Besuche inzwischen zu persönlichen Freundschaften geführt, z. B. zu meinem „Informanten“ bei der Mannheimer Kripo, zur Wirtin meines Lieblingshotels, der „Goldenen Gans“, und natürlich zu meiner Verlegerin.
Lediglich bei einigen Handlungsorten im Ausland muss ich ausschließlich auf Informationen aus zweiter Hand zurückgreifen, denn ich kann mir nicht leisten, z. B. mal kurz in die USA zu reisen, um dort vor Ort zu recherchieren. Bisher haben mir meine teilweise dort beheimateten Leserinnen und Leser aber ausnahmslos rückgemeldet, dass mir auch die Schilderungen von Orten, die ich nie besucht habe, gelungen seien. Ich war z. B. noch nie auf Mallorca, weil ich wegen einer intensiven Sonnenallergie nicht in südliche Länder reisen kann. Trotzdem haben sogar Einheimische mir bescheinigt, dass mir die Schilderung der Insel im Roman „Nach Mallorca in den Tod“ authentisch gelungen sei.
Nun könnte man natürlich einwenden: „Wenn sie sich solche Reisen nicht leisten kann, dazu nicht in der Lage ist, warum bleibt sie mit ihren Handlungsorten denn nicht in Deutschland?“ Das hat mehrere Gründe. Im Krimibereich erfreut sich zwar der Regiokrimi immer noch ungebrochener Beliebtheit, aber sehr viele Leserinnen und Leser mögen ihn nicht. Sie ziehen „die Kirschen aus Nachbars Garten“ vor, in diesem Fall ausländische Settings; unter anderem weil sie die aus den vielen übersetzten Romanen von US-, britischen und nordischen Autoren kennen. Deshalb bediene ich sowohl in- wie auch ausländische Handlungsorte.
Im Bereich der Urban Fantasy gebe ich ausländischen Settings, besonders solchen in den USA, den Vorzug, weil die Handlung in Deutschland einfach nicht möglich wäre. Nehmen wir Vampire oder Werwölfe als Beispiel. Da sie traditionsgemäß nicht altern, müssen sie regelmäßig umziehen und neue Identitäten annehmen. In Deutschland mit seinen strengen Meldegesetzen ginge das nur mit gefälschten Papieren. In den USA, wo es kein Meldegesetz gibt, ist das Untertauchen und Ändern der Identität erheblich einfacher.

Kriminetz: Dein Schreibratgeber „Von der Idee zum fertigen Text“ ist bereits in mehreren Auflage erschienen. Der Wunsch, etwas zu erzählen, scheint dem Menschen immanent zu sein?

Mara Laue: Und wie! Das erlebe ich immer wieder in meinen Schreibkursen, sowohl bei den Grundkursteilnehmern wie bei denen, die ich beim Romanschreiben unterstütze. Die erste Übungsaufgabe beim Grundkurs lautet: „Erfinden Sie fünf verschiedene Ideen für Geschichten oder Romane in beliebigen Genres und skizzieren Sie diese in nicht mehr als fünf Sätzen.“ Ich staune immer wieder, was da an Ideen kommt! Alle Genres sind vertreten. Und die Idee kopieren keineswegs nur althergebrachte Geschichten, sondern sind teilweise originell oder sogar innovativ. Deutschland ist eben immer noch das „Land der Dichter“.
Deshalb empfinde ich es als große Schande für unser Land, dass sich Schriftsteller hier das Handwerk immer noch selbst beibringen bzw. kostenpflichtige Kurse buchen müssen. Es gibt zwar drei Universitäten, an denen man literarisches Schreiben studieren kann, aber es gibt keine staatlich geförderte Ausbildung für belletristisches Schreiben. In anderen Ländern dagegen wird kreatives Schreiben ab den letzten Klassen der Grundschulstufen und an allen Unis unterrichtet. Kein Wunder, dass übersetzte ausländische Autorinnen und Autoren auch hierzulande prozentual mehr vertreten sind als deutsche, einfach weil sie besser ausgebildet sind. Das muss sich ändern!

Kriminetz: Aus deiner Feder stammt auch eine Whisky-Krimi-Reihe. Genießt du selbst gerne mal einen klitzekleinen Feierabend-Whisky?

Mara Laue: Klitzeklitzeklitzekleinklein! Spaß beiseite: Ich mag den Geschmack eines guten Single Malt Whiskys, aber ich trinke ihn nur zu besonderen Anlässen: zu meinem Geburtstag, zu Weihnachten und zur Feier des Abschlusses eines neuen Buchvertrages. Und natürlich auch bei Lesungen, die mit Whiskyverkostung einher gehen. Sähe komisch aus, wenn die Frau, die über das göttliche „Wasser des Lebens“ referiert, selbst keinen Tropfen trinkt, während alle anderen Anwesenden das gepriesene Tröpfchen genießen. Viele Leute geraten ohnehin durch die bloße Tatsache ins Staunen, dass eine Frau als Verkosterin eines in der Vorstellung der meisten Menschen immer noch „Männergetränks“ fungiert und das auch noch kompetent kann.
Kleine Anekdote. Neulich kam ein Handwerker ins Haus und musste an dem Regal vorbeigehen, auf dem meine flüssigen Schätze in Reih und Glied stehen und darauf warten, eines Tages getrunken zu werden. Er warf einen Blick darauf und meinte: „Ach, Ihr Mann ist Whiskytrinker.“ Auf meine Antwort, das sei meine Sammlung und mein Mann möge gar keinen Whisky, entfuhr ihm in einem wahrhaft fassungslosen Ton die Frage: „Wie – trinken Sie den etwa?“ Nö, ich fülle damit nur meine Regale, weil ich nicht genug Bücher habe, die ich reinstellen könnte. Klischee lässt grüßen! Und um dem ein bisschen entgegenzuwirken, genießen besonders auch die Heldinnen meiner Whisky-Krimis gern einen guten Single Malt.

Kriminetz: Du bist auch noch in anderen Bereichen künstlerisch unterwegs. Welche Motive nimmst du am liebsten vor die Kamera?

Mara Laue: Natur, Landschaften, Pflanzen, und dabei auch das Besondere, das man nicht auf den ersten Blick sieht. Ich mache sehr gern Nahaufnahmen vom Innenleben der Blumen mit ihren Stempeln und Staubgefäßen oder die Facettenaugen von Insekten. In Großaufnahme sehen sie faszinierend aus. Sehr gern fotografiere ich auch Regen- oder Tautropfen auf Pflanzen oder Spinnennetzen. Mit solchen Fotos hatte ich 2010 eine Ausstellung, bei der ich jedem Bild ein Haiku zugeordnet habe. Sehr interessant finde ich auch Steinstrukturen. Selbst fabrikgefertigte Mauersteine besitzen manchmal erstaunliche Muster oder „Landschaften“, wenn man sie „unter die Lupe“ nimmt. Ich mag auch Stillleben aus der Natur: ein einzelnes treibendes Blatt auf einer Pfütze, verschlungenes Wurzelwerk, Ölschlieren auf einer Wasseroberfläche und dergleichen.
Eins meiner gelungensten und interessantesten Fotos war die Nahaufnahme der Falten eines alten Gesichts. Ich hatte nur eine Gesichtshälfte fotografiert, wobei nur das Auge und die es umgebenden Falten zu sehen waren. Trotzdem war deutlich erkennbar, dass der Mensch, dem dieser Gesichtsausschnitt gehörte, lachte. Solche Bilder berühren mich. Andere Menschen offenbar auch, denn dieses Bild war keine halbe Stunde nach Ausstellungseröffnung bereits verkauft.
Faszinierend finde ich auch die kleinen Schönheiten, die sich im auf den ersten Blick Hässlichen verbergen: ein Baumkeimling, der auf einem ansonsten kahlen Haufen aus Bauschutt seinen Weg ins Leben gefunden hat; eine verrottete Holzbrücke, deren Reste von wunderschönen Efeuranken zusammengehalten werden; ein buntes Herbstblatt auf dunklem Asphalt; ein Mensch in grau-schwarz-brauner alter Kleidung, der als Farbklecks eine buntgeblümte Einkaufstasche in der Hand hält. Und so weiter. Ich suche das Besondere, das Ungewöhnliche im Alltäglichen. Und jedes Jahr fertige ich für meine Familie und Freunde einen Kalender mit meinen besten Fotos des vergangenen Jahres an.

Kriminetz: Vielen Dank, Mara Laue, für die Beantwortung der sieben Fragen.

Mara Laue: Ich danke für die Einladung zum Interview. Es war mir ein Vergnügen.

Zur Website von Mara Laue hier klicken