Sieben Fragen an Matthias Wittekindt und Rainer Wittkamp

Das Foto zeigt Rainer Wittkamp, Clemens Füsers und Matthias Wittekindt. Foto: © bei den Autoren

Matthias Wittekindt studierte Architektur und Religionsphilosophie. Danach arbeitet er in Berlin und London als Architekt, ehe er zum Theater wechselte. Neben seiner Tätigkeit als Buch-, Theater- und Hörspielautor schreibt Matthias Wittekindt Dokumentationen für das Fernsehen. Einige seiner Arbeiten wurden mit Preisen ausgezeichnet.

Rainer Wittkamp arbeitete nach dem Studium der Kunstgeschichte und Soziologie als Assistent bei Kino- und TV-Filmen. Seit dreißig Jahren ist er als Regisseur tätig, schreibt daneben Drehbücher, Romane, Sachbücher und Kurzgeschichten. Seine Reihe mit dem Berliner Ermittler Martin Nettelbeck wurde mehrfach ausgezeichnet.

Für Kriminetz beantworteten Matthias Wittekindt und Rainer Wittkamp dem Autor und Journalisten Clemens Füsers sieben Fragen zu ihrem Roman „Mord im Balkanexpress“.

Kriminetz: Ihr habt bisher ausschließlich zeitgenössische Romane geschrieben. Für euer erstes gemeinsames Buch habt Ihr das Fin de Siécle gewählt. Warum das?

Matthias Wittekindt: Zwei Dinge haben uns gereizt. Zum einen führen die Ereignisse, die wir in diesem und einigen späteren Büchern erzählen zum ersten Weltkrieg. Und das ist etwas, dass uns beide und ich denke auch einige andere unserer Generation schon immer beschäftigt hat. Ich erinnere mich zum Beispiel, dass bei meinen Großeltern noch in den siebziger Jahren ein silberner Becher auf dem Tisch stand, auf den man „Kriegswinter 1914“ eingraviert hatte. Es gab also ein persönliches Interesse.

Rainer Wittkamp: Zum zweiten ist die Belle Epoche eine Zeit großer technischer und zivilisatorischer Umwälzungen. Die Kunst veränderte sich. Es wurde anders gebaut, in der Medizin und Chemie kam es zu großen Durchbrüchen. Auch die Rolle und das Bild der Frau begann sich zu ändern.

Kriminetz: Das Ende des I. Weltkriegs liegt dieser Tage 100 Jahre zurück. War das mit eine Motivation, das Buch zu schreiben?

Rainer Wittkamp: Nein. Unsere Reihe soll eher der Versuch sein, den Leser nachvollziehen zu lassen, wie die Zeitströmungen und politischen Verwirrungen sich darstellten. Wir sind natürlich keine Historiker. Uns geht es um Stimmungen und Gefühle, nicht um das abarbeiten von Daten. .

Matthias Wittekindt: Spannung. Die steht im Vordergrund.

Rainer Wittkamp: Natürlich, aber wir wollen eben auch zeigen, wie ungeheuer leichtfertig man damals mit der Kriegsdrohung umging. Was ja dann auch zur Katastrophe führte.

Kriminetz: Was Ihr geschrieben habt ist ja ein Agententhriller. Als Hauptfiguren habt Ihr ein Paar gewählt. Dabei gab es damals in dem Milieu doch kaum Frauen, oder?

Rainer Wittkamp: Das Frauenbild begann sich wie gesagt damals zu verändern. Zunächst geschah das in den höheren Gesellschaftsschichten. Aber etwas fing an. Wir haben zum Beispiel eine Figur, die Geliebte von Oberst Lazar, die wir als große Tennisspielerin darstellen. Sie tritt bei Turnieren an. Ein paar Jahre zuvor wäre so etwas undenkbar gewesen.

Matthias Wittekindt: Unsere Heldin Christine Mayberger ist Schauspielerin. Eine geachtete Diva. Ein paar Jahre zuvor hat man in Schauspielerinnen bessere Prostituierte gesehen.

Rainer Wittkamp: Es ist gewissermaßen ein Beginn: Unsere Heldin nimmt sich Rechte heraus.

Kriminetz: In der Handlung spielen Theaterszenen eine wichtige Rolle. Das wird doch sicher einen Grund haben?

Matthias Wittekindt: Stimmt, es gibt in diesem Buch viele Szenen, die im Theatermilieu spielen. Einfach weil das Theater ein nicht nur kultureller sondern auch gesellschaftlicher Treffpunkt war. Mehr noch als heute. Es fanden sich bei Premieren regelmäßige Offiziere bis hoch zum General ein. In Uniform und voller Montur. Und die waren hochwillkommen.

Rainer Wittkamp: Etwas, das man sich heute kaum noch vorstellen kann. All das werden wir weiterhin miterzählen. Den Geschmack und das Verhängnis einer glanzvollen Epoche. So etwas gibt es unseres Wissens bisher nicht. Jedenfalls nicht als Reihe.

Kriminetz: Eure weibliche Hauptfigur, Christine Mayberger, macht einen sehr emanzipierten Eindruck, doch eine klassische Suffragette ist sie nicht. Gab es für sie ein Vorbild?

Matthias Wittekindt: Kein direktes Vorbild, in ihr sind quasi mehrere damals berühmte Schauspielerinnen zusammengeflossen, zu einer eigenständigen Figur.

Kriminetz: Christine Mayberger und Prinz Albrecht von Schwarzburg-Rudolstadt kämpfen ja an mehreren Fronten ...

Rainer Wittkamp: Und ihre Gegenspieler kommen zudem aus verschiedenen Ländern. Selbst aus dem Geheimdienst der preußischen Armee. Denn dort möchte man den Anschlag nicht unbedingt verhindern. Dazu nationalistische Kräfte aus Serbien. Namentlich Mitglieder der „Schwarzen Hand“, eines Geheimbunds den es wirklich gab. Die dritten im Bunde sind international vernetzte Anarchisten, die den Sturz aller politischen Systeme herbeiführen wollen. Ein Gemisch aus verschiedenen Interessen also.

Matthias Wittekindt: Dazu noch eine Anmerkung: Das Wort Anarchisten hat, auch für Rainer und mich – durchaus einen positiven Beiklang. Man denkt an Freiheitskämpfer. Und aus einigen Anarchisten wurden ja später soziale Reformatoren. Es gab aber auch Anarchisten, die sich für nationalistische Systeme stark machten. Teils mit Absicht, teils ohne es zu durchschauen. Die Bezeichnung Anarchisten umfasst vieles.

Kriminetz: Die Handlung spielt hauptsächlich in der k.k. Monarchie und auf dem Balkan. Könntet Ihr euch vorstellen, ein weiteres Buch zu schreiben, das in anderen Ländern spielt? Vielleicht sogar außerhalb Europa?

Rainer Wittkamp: Wir planen gerade den zweiten Band, der unsere Helden über Norwegen und Finnland nach Russland führt. Es wird zu Begegnungen mit wichtigen Figuren der Zeitgeschichte kommen. Nicht nur Politiker, sondern auch Künstler, Wissenschaftler …

Matthias Wittekindt: Sigmund Freund nicht vergessen …

Rainer Wittkamp: Mich würde Gustav Mahler mehr interessieren.

Kriminetz: Vielen Dank, Matthias Wittekindt und Rainer Wittkamp, für die Beantwortung der sieben Fragen.

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Matthias Wittekindt und Rainer Wittkamp verfassten gemeinsam "Mord im Balkanexpress".