Sieben Fragen an Nicole Neubauer

Das Foto zeigt Nicole Neubauer. © Susanne Krauss

Nicole Neubauer ist 1972 in Ingolstadt geboren und studierte englische Literaturwissenschaft und Jura in München und London. Nach zehn Jahren in einer Wirtschaftskanzlei arbeitet sie freiberuflich als Autorin, Rechtsanwältin und Lektorin. Sie ist Mitglied der Mörderischen Schwestern e.V. und der Autorinnenvereinigung e.V. . Nach ihrem Debütroman Kellerkind ist bei Blanvalet ein weiterer Kriminalroman erschienen: Moorfeuer.

Nicole Neubauer lebt mit ihrer Familie in München.

Kriminetz: Sind die Münchner wirklich Grantler oder ist das nur Selbstschutz, damit sie in Ruhe gelassen werden?

Nicole Neubauer: Ich würde es sogar auf Bayern ausdehnen. Bei den echten Bayern gibt es schon eine gewisse Grundgrantigkeit, und der Begriff „mei bayerische Ruah habn“ kommt nicht von ungefähr. Allerdings ist diese Art auch knallhart ehrlich. Freundlichkeit ist aufrichtig, und wenn sich ein Bayer mit jemandem an den Tisch setzt, hat er wirklich Interesse am Menschen. Geborene Münchner gibt es allerdings kaum mehr – in München wohnen lauter Hipster, trinken biologische Trendlimonade und sind so grantig oder aufgeschlossen wie in anderen Großstädten auch. Und nachdem ich jetzt zwei Klischees rausgehauen habe: Die Wahrheit liegt freilich irgendwo dazwischen.

Kriminetz: Speichern alte Häuser Geschichten und geben sie nachfolgenden Bewohnern frei?

Nicole Neubauer: Ich glaube, dass es die Menschen sind, die ihre Geschichten in den Häusern überliefern, und auch an die nachfolgenden Generationen vererben. Sie lassen Überbleibsel von Schicksalen, Geschichten und Emotionen in den Häusern. Verlassene Orte können viel ausstrahlen, aber das steckt nicht in den Steinen, sondern den Hinterlassenschaften der Menschen. Wenn man das alles ausräumt, desinfiziert, neu streicht und Ikea-Vorhänge dranhängt, bleiben nur: Steine.

Kriminetz: Einige erfolgreiche Autoren und Autorinnen wie etwa Bernhard Schlink oder Juli Zeh sind ebenfalls Juristen. Verfügen Juristen über ein besonders feines Sprachgefühl?

Nicole Neubauer: Ich liebe ja die Juristensprache, weil sie elegant und präzise ist und den Geist des neunzehnten Jahrhunderts atmet. Aber ein belletristischer Lektor würde bei einem Gesetztestext entsetzt aufkreischen. Nominalstil, Passivkonstruktionen, bürokratische Wortmonster. Das Schöne an der Juristerei ist, dass es eine komplett logische Wissenschaft ist. Man lernt das Denken, und auch, wie man einen Sachverhalt rückwärts aufrollt, eine Fertigkeit, die mir bei den Kriminalromanen immens hilft. Auch da wird eine Geschichte rückwärts erzählt. Aber sie endet nicht mit einem Urteil, sondern einem Mord.

Kriminetz: Kürzlich gabst du dein erstes Radio-Interview. Wie war das für dich?

Nicole Neubauer: Ich habe ein Interview für Bayern 5 gegeben, und fand es sehr entspannt, mit einer unheimlich netten Redakteurin, die viel zu den Hintergründen der Recherche gefragt hat. So hat sie auch aus mir herausgekitzelt, dass die Grundidee von „Moorfeuer“ aus einem Beitrag der Kultursendung „Capriccio“ stammte, und dass ich mir eigens ein antiquarisches Grimoire, ein Zauberbuch zugelegt habe, das die Hexenbanner früher bei sich trugen. Wer mich ab jetzt ärgert, den verwandle ich in einen Frosch.

Kriminetz: Gibt es einen Musiker, der deine künstlerische Arbeit beeinflusst hat?

Nicole Neubauer: Allgemein: David Bowie, der als Gesamtkunstwerk schon in jungen Jahren meine Kreativität geweckt hat. Sein Tod hat mich schwer getroffen.
Konkret: Dreiviertelblut, die mit Lied „Deifidanz“ genau zur richtigen Zeit veröffentlichten, weil es perfekt die Stimmung von „Moorfeuer“ trifft. Und Matthias Pfaller von „The Mystic Eyes“, dessen Song „Message From The Other Side“ (Ravenryde) ich sogar für den Roman verwenden durfte. So viel darf ich verraten: Es geht um Geisterjäger.

Kriminetz: Du veröffentlichst auch Kurzkrimis in Anthologien. Was gefällt dir an dieser Form des Erzählens?

Nicole Neubauer: Die kurze Form finde ich total schwierig. Ich brauche Platz zum Schreiben. Deswegen ist es für mich immer wieder eine Herausforderung, eine Geschichte aufs Wesentliche zu reduzieren. Ich lerne das Kürzen – und das Fluchen.

Kriminetz: Du bist eine „mörderische Schwester“. Ist es für AutorInnen sinnvoll, sich in Netzwerken zusammen zu schließen?

Nicole Neubauer: Ohne meine Mörderischen Schwestern ginge gar nichts. Unter anderem habe ich es dem Mentoringprogramm mit Gisa Klönne zu verdanken, dass ich den Mut hatte, meinen ersten Roman „Kellerkind“ zu vollenden. Ich habe ja kein Büro, und so fehlen mir die Gespräche in der Kaffeeküche und die Zigaretten auf der Feuertreppe mit Arbeitskollegen. Die „Mörderischen Schwestern“ sind meine Feuertreppe. Ich kann nur allen Schreibenden raten: Schreiben ist einsam. Vernetzt Euch.

Kriminetz: Vielen Dank, Nicole Neubauer, für die Beantwortung der sieben Fragen.

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