Sieben Fragen an Ralf Schwob

Schriftsteller und Buchhändler Ralf Schwob. Foto: © Presseservice Rhein-Main

Der Schriftsteller und Buchhändler Ralf Schwob lebt mit seiner Familie im hessischen Groß-Gerau. Nach mehreren Jahren als Krankenpfleger legte er auf dem 2. Bildungsweg das Abitur ab und studierte an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz Germanistik und Amerikanistik. Dieses Studium schloss er mit dem Magister-Examen ab.
Neben zahlreichen Veröffentlichungen in Anthologien ist er Autor mehrerer Bücher, wie z.B. Büchners letzter Sommer. Mit Problem Child hat er einen Kriminalroman publiziert.
Für sein literarisches Schaffen erhielt Ralf Schwob zahlreiche Preise, darunter den Literaturförderpreis der Stadt Mainz und den 1. Preis beim Literaturwettbewerb des Buchjournals. 2014 erhielt er den Nordhessischen Literaturpreis Holzhäuser Heckethaler. Beim Literaturpreis der Buchmesse im Ried war er mehrfach Preisträger.

Für Kriminetz beantwortete Ralf Schwob sieben Fragen.

Kriminetz: Du lebst in der Nähe des Geburtsortes von Georg Büchner, nach dem der bedeutendste Literaturpreis im deutschen Sprachraum benannt ist. War die Lektüre in deiner Jugend für dich anregend?

Ralf Schwob: In meiner Jugend- und Schulzeit in den frühen 80er Jahren wurde Büchner nicht im Unterricht behandelt. Ich habe ihn erst während meines späteren Germanistik-Studiums kennengelernt. Selbst als ich in den frühen 90er Jahren in unmittelbarer Nähe seines Geburtshauses in Goddelau wohnte, war mir das überhaupt nicht bewusst. Ein bisschen mag das auch daran gelegen haben, dass mich zu dieser Zeit vorzugsweise für US-amerikanische Autoren interessierte: Hemingway, Faulkner und Salinger habe ich damals gelesen, aber auch sehr viel Stephen King und Dean Koontz. Erst als man nach der Komplettsanierung das Geburtshaus um 1997 in ein Museum zu Büchners Leben und Werk verwandelte und aus der Scheune einen Kulturort machte, begann ich mich stärker mit seinem Werk zu beschäftigen. Heute gibt es zudem noch die Büchnerbühne in Leeheim, einem anderen Ortsteil von Riedstadt, wo ein professionelles Ensemble Büchners Werke aufführt. Büchner kann man ja nicht einfach mal so lesen und dann abhaken nach dem Motto: Hab‘ ich gelesen und verstanden. „Friede den Hütten, Krieg den Palästen!“, das kennt man, das ist schön plakativ, aber mit welcher Genialität ein kurzes verdichtetes Drama wie „Woyzeck“ formal und inhaltlich gestaltet ist, welche Modernität und Tiefgründigkeit in dieser so einfach anmutenden Geschichte steckt und wie viele Lesarten es für das Stück gibt, das erschließt sich nicht durch flüchtige Lektüre. Man könnte den Woyzeck übrigens auch einfach als Krimi lesen: Ein Underdog wird durch medizinische Menschenversuche wahnsinnig gemacht und ermordet am Ende, von Eifersucht getrieben, seine Frau. Ich bezweifle, dass dies die Hauptlesart des Stückes ist oder sein soll, aber es ist da, der Text gibt es her.

Kriminetz: Wenn man auf dem 2. Bildungsweg das Abitur macht und sich für ein Studium der Germanistik und Amerikanistik entscheidet, dann „brennt man wohl so richtig“ für Literatur?

Ralf Schwob: Ja, das stimmt. Ich war ja damals schon fast 30, als ich mit dem Studium begann. Da gibt es eigentlich nur zwei Möglichkeiten: entweder man hat ein klares Berufsziel vor Augen, will Arzt, Anwalt oder Lehrer werden, oder man studiert stark „interessengeleitet“, was zwar den akademischen Abschluss nicht mindert, zuweilen aber keine festumschriebenen Berufsziele beinhaltet, was ja bei den Magisterstudiengängen ohnehin oft der Fall ist. Mir war damals vor allem die intensive wissenschaftliche Beschäftigung mit der deutschen und der US-Literatur wichtig. In dieser Hinsicht bin ich also durchaus ein Überzeugungstäter.

Kriminetz: In „Problem Child“ kehrt Frank zurück an den Ort seiner Kindheit. Er nimmt ein obdachloses Mädchen mit und plötzlich entwickelt sich das Geschehen zu einem Krimi. Was machte für dich den Reiz aus, einen Kriminalroman zu schreiben?

Ralf Schwob: Zunächst mal freut es mich, dass „Problem Child“ auch als Krimi wahrgenommen wird. Es gibt ja in meinen Büchern keine Ermittler, keine Polizeiarbeit, davor scheue ich mich etwas, weil ich Polizeiarbeit im Grunde genommen nur aus der Literatur kenne. Außerdem sind mir die Figurenkonstellationen außerhalb der Polizeiszene oft wichtiger: Das obdachlose junge Mädchen und der saturierte, aber frustrierte Endvierziger. Das sind Figuren, die für mich offener und gestaltbarer sind. Allein dadurch, dass die beiden aufeinandertreffen, wird in meinem Kopf schon ein Plot in Gang gesetzt. Das Mädchen hat ein Geheimnis, ist in kriminelle Machenschaften verwickelt, der Mann findet das heraus und will ihr helfen … hinzu kommt die Einbindung bekannter Orte aus dem Rhein-Main-Gebiet, etwa des Frankfurter Bahnhofsviertels. Gute Polizistenfiguren hingegen sind viel schwieriger zu entwerfen, weil es so viele Klischees gibt: knallharte Ermittlerin, traumatisierter Bulle, zwielichtiger Profiler usw. Es gibt natürlich viele tolle Krimi-Autoren, die das gut hinkriegen, aber für mich bleiben glaubwürdige Polizeifiguren ein großes Problem (lacht). Es gibt ja auch nicht ohne Grund in der literarischen Ermittlerszene so viele „Serienhelden“, also Ermittlerteams, deren komplexe Persönlichkeiten sich über mehrere Bücher hinweg entwickeln. Man hat dann als Autor eben mehr Zeit und Raum, den Ermittler wirklich als vielschichtige, komplexe Person darzustellen.

Kriminetz: Willst du verraten, woran du im Moment arbeitest? Bleibst du dem Genre Krimi treu?

Ralf Schwob: Ich habe gerade ein Manuskript abgeschlossen, in dem es u.a. um einen Bankraub in Mannheim geht. Einer der Täter flieht mit der Beute, wird aber angeschossen und stirbt im Fluchtwagen auf einem Rastplatz an der A67. Fünf Jugendliche, Mitglieder einer Hardrock-Band, finden ihn dort und fliehen, weil sie Panik bekommen und der Fahrer bekifft ist. Einer von ihnen kehrt allerdings in der Nacht noch mal zurück und holt sich das Geld, während sich der übervorteilte Komplize des Toten auf den Weg macht, um ebenfalls nach der Beute zu suchen. Das ganze spielt im Jahr 1982, ich bringe ja gern so ein bisschen Alltags- und Jugendkultur der 80er in meine Romane. Außerdem spielt eine Schlüsselszene in Frankfurt auf dem Henninger-Turm, der damals noch stand.

Kriminetz: Bei der „Buchmesse im Ried“ wird mit viel Engagement und Einsatz ein Literaturpreis ausgelobt und vergeben. Gerüchteweise hat man dich in die Jury geholt, damit du diesen nicht selbst ständig gewinnst?

Ralf Schwob: Ach ja, das ist natürlich nicht ganz ernst gemeint. Es war damals einfach so, dass ich 2003 bereits zum dritten Mal mit dem ersten Preis ausgezeichnet wurde und das Gefühl hatte, dass das jetzt ein schöner Abschluss wäre und der richtige Zeitpunkt, um die Fronten zu wechseln. Zudem reizte mich die Juryarbeit, so etwas hatte ich bis dahin noch nicht gemacht.

Kriminetz: Worauf achtet die Jury bei den eingereichten Wettbewerbsbeiträgen?

Ralf Schwob: Wir haben ja immer ein Wettbewerbsthema, das sollte schon umgesetzt werden, wenngleich ich immer ergänze, dass wir eher eine gut geschriebene Geschichte, die nichts oder wenig mit dem Thema zu tun hat, prämieren als einen am Thema klebenden aber in sich nicht stimmigen Text. Es geht schon in erster Linie darum, sprachlich und inhaltlich gelungene Texte auszuzeichnen. Ist die Geschichte spannend? Hat sie einen eigenen Ton? Überrascht sie? Kann sie für sich stehen? Dabei kann sprachlich gelungen auch ein Mundarttext sein oder eine Geschichte, die deutlich autobiographische Züge trägt. Beim letzten Mal haben wir 18 Texte ausgezeichnet, drei davon mit Sonderpreisen für „Minimalismus“, „Dramolett“ und „Zeitgeschichte“. Auch gute humoristische Texte prämieren wir gern, die gibt es aber gar nicht so oft. Natürlich gibt es bei allen textkritischen Kriterien auch Vorlieben der einzelnen Juroren, da wird dann teilweise doch sehr heftig diskutiert, ob ein Text preiswürdig ist oder nicht, aber bisher haben wir immer einen Konsens gefunden (lacht).
Ansonsten gelten ein paar Grundregeln, die selbstverständlich klingen, aber doch immer wieder mal nicht beachtet werden: Ein eingereichter Text muss orthografisch nicht fehlerfrei sein, aber ein bisschen Korrekturlesen (lassen) schadet nicht. Engzeilig und in 10 Punkt gedrängte Texte schmerzen beim Lesen in den Augen. Blasse Ausdrucke mit den letzten Tropfen aus der Druckerpatrone werden beim Kopieren nicht besser.

Kriminetz: Du schreibst nicht nur selbst Bücher, sondern gibst als Buchhändler Tipps. Was empfiehlst du bevorzugt deinen Kunden?

Ralf Schwob: Als Buchhändler ist mein Hauptanliegen zunächst einmal herausfinden, was der Kunde gern liest bzw. die Person, die mit dem Buch beschenkt werden soll. Bei Kunden, die viel lesen, wechseln die Tipps naturgemäß recht häufig, je nach dem was bei den Neuerscheinungen so dabei ist. Kunden, die gern Thriller lesen, empfehle ich momentan übrigens immer noch sehr gerne „Nummer 2“ von Claus Probst.

Vielen Dank, Ralf Schwob, für die Beantwortung der sieben Fragen.

Zur Website von Ralf Schwob

Alle Infos zur Riedbuchmesse, bei der alljährlich ein Literaturpreis ausgelobt wird.