Sieben Fragen an Sunil Mann

Das Foto zeigt Sunil Mann. Foto: © Carina Faust

Sunil Mann lebt in Zürich. Der Schriftsteller ist der Sohn indischer Einwanderer. In seinen mittlerweile drei Krimis, die alle im Grafit-Verlag erschienen sind, ermittelt der Privatdetektiv Vijay Kumar. Für den ersten Krimi der Reihe, „Fangschuss“, erhielt Sunil Mann den Zürcher Krimipreis 2011. Ebenso erhielt er mehrere Preise für seine Kurzgeschichten. Nach „Lichterfest“ ist nun „Uferwechsel“ erschienen. Sunil Mann ist als Flugbegleiter einer Schweizer Fluggesellschaft viel in der Luft, findet aber – zur Freude seiner Leser – genügend Zeit zum Schreiben von Krimis.

Für Kriminetz beantwortete Sunil Mann sieben Fragen.

Kriminetz: Dich verbindet etwas Bestimmtes mit Mannheim?

Sunil Mann: Da fällt mir auf die Schnelle nur dieser achtstündige Zwangsaufenthalt auf dem Bahnhof von Mannheim ein, als ich vor etwa zwei Jahren von Dortmund unterwegs nach Zürich war. Ich musste umsteigen, es herrschte eisige Kälte, Schneefall überall und bei der Deutschen Bundesbahn ging gar nichts mehr. Die Currywurst da ist übrigens nicht zu empfehlen.
Aber vielleicht spielst Du mit dieser Frage auf Xavier Naidoo an, der ist auch indischer Abstammung. Allerdings hat der einen deutlich besseren Draht nach oben als ich ... Ich bin mir sicher, der kennt keine Pannen im öffentlichen Verkehr.

Kriminetz: Dein Privatdetektiv Vijay Kumar ist wie du selbst der Sohn indischer Einwanderer. Wieso hast du dich für diese Figur entschieden?

Sunil Mann: Das lag auf der Hand. Katzen gab es schon als Ermittler, ebenso Violine spielende Pfeifenraucher und pfiffige alternde Jungfern. Von den Heerscharen abgehalfterter, depressiver oder/und alkoholsüchtiger Kommissare gar nicht zu reden. Meines Wissens existierte aber kein einziger literarischer Privatdetektiv indischer Herkunft im deutschsprachigen Raum, der wirklich leidenschaftlich gerne trank – und erst noch indischen Whisky. Damit bot sich mir außerdem die Möglichkeit, meine Ansichten und Erfahrungen als Einwanderersohn in die Krimihandlung einfließen zu lassen, ohne unbedingt autobiografisch zu werden.
Mittlerweile ist Vijay, der fünf Jahre jünger ist als ich, wie ein kleiner Bruder für mich. Die Fehler, die er macht, und die Probleme, mit denen er privat zu kämpfen hat, erinnern mich manchmal stark an mich selbst in seinem Alter. Wahrscheinlich könnte ich ihn mit meinem Erfahrungsvorsprung vor einigem Ungemach bewahren, ich tu’s aber nicht. Das ist das sadistische Privileg der großen Brüder.

Kriminetz: Vijay Kumar isst gerne indische Gerichte und kocht auch selbst. Ist das vielleicht ein klein wenig autobiografisch?

Sunil Mann: Das ist sogar ganz unverhohlen autobiografisch! Und wie ich muss sich auch Vijay vor den anatomischen Auswirkungen der schweren indischen Küche in Acht nehmen.

Kriminetz: In deinem aktuellen Krimi „Uferwechsel“ ermittelt Vijay Kumar in der Stricherszene Zürichs. Ein verheirateter Mann in einer hohen Position setzt alles daran, dass sein Doppelleben nicht auffliegt. Ist ein homosexueller Mann in schweizerischen hohen Rängen nicht akzeptabel?

Sunil Mann: Da kann ich nur raten, denn es gibt offiziell keine. Wir haben zwar eine lesbische Stadtpräsidentin in Zürich, und jahrelang war es ein offenes Geheimnis, dass eine unserer ehemaligen Bundesrätinnen ebenfalls dem eigenen Geschlecht zugetan war. Doch bei den Männern sind es stets die „üblichen Verdächtigen“, die sich outen (oder geoutet werden): Fernsehmoderatoren, Schlagersänger und Modeschöpfer. In hohen Politikerkreisen, im Militär wie auch im Sport wird jedoch - gegen außen zumindest - streng Heterosexualität exerziert. Deswegen müsste erst einmal ein homosexueller Mann in die hohen Ränge kommen (oder sich outen), damit die Frage nach der Akzeptanz schlüssig geklärt werden könnte.

Kriminetz: In deinem Krimi gibt es eine Sekte namens „Sanduhr“, die mit fragwürdigen Mitteln versucht, Homosexuelle „umzupolen“. Ein Vater sagt über die Vereinigung: „Wie’s den Leuten dabei geht, ist der Kirche und der Gemeinschaft doch scheißegal. Hauptsache, die Spenden kommen regelmäßig rein.“ Gab es für diesen Verein ein reales Vorbild?

Sunil Mann: Es gab verschiedene Vorbilder. Ich habe mich an einer in der Schweiz (und in Deutschland) operierenden Organisation und an diversen amerikanischen Vereinigungen orientiert und daraus sozusagen eine eigene Variante kreiert, welche einige brisante und teilweise auch unfreiwillig komische Behandlungsmethoden in sich vereint. Dazu habe ich unzählige Interviews mit Betroffenen und Aussteigern gelesen oder mir als Videos angesehen, aber auch die Programme der einzelnen Vereine studiert. Dabei hat es mich immer wieder sprachlos gemacht, womit man den Leuten versucht, das Schwulsein auszutreiben. Einige besonders bizarre Beispiele haben deswegen ihren Weg ins Buch gefunden.

Kriminetz: Du bist als Flugbegleiter in der ganzen Welt unterwegs. Wohin fliegst du am liebsten?

Sunil Mann: Mittlerweile fliege ich am liebsten nach Hause. Die Aufenthalte an den meisten Destinationen sind derart kurz geworden, dass man sich mit dem Feierabendbierchen schon fast beeilen muss, will man die vorgeschriebene „trockene“ Phase von acht Stunden vor Flugbeginn einhalten. Andererseits bedeuten mir die knapp vierundzwanzig Stunden in New York, Montréal oder Chicago (meine momentanen Lieblingsdestinationen) auch immer wieder willkommene Abwechslung vom Schreiballtag.

Kriminetz: Brauchst du zum Schreiben deinen heimischen Schreibtisch oder arbeitest du auch unterwegs an deinen Texten?

Sunil Mann: Geschrieben wird ausschließlich zu Hause - am Esstisch aus massiver Sumpfeiche. Die Ideen entwickle ich hingegen meist, wenn ich unterwegs bin. Dazu ist das Reisen perfekt! Während der langen Busfahrten vom Flughafen zum Hotel oder in den frühen Morgenstunden, wenn man wegen der Zeitverschiebung in einer gespenstisch stillen Stadt erwacht, kommen mir die besten Ideen.

Kriminetz: Vielen Dank, Sunil Mann, für die Beantwortung der Fragen.

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