Sieben Fragen an Tanja Kinkel

Das Foto zeigt Tanja Kinkel.

Die Schriftstellerin Tanja Kinkel veröffentlichte eine Reihe erfolgreicher historischer Romane, unter anderem Die Puppenspieler, Götterdämmerung,Venuswurf, Säulen der Ewigkeit und Das Spiel der Nachtigall. Ihre Romane wurden in viele Sprachen übersetzt. Tanja Kinkel studierte Germanistik, Theater- und Kommunikationswissenschaft und promovierte mit einer Arbeit über das Werk Lion Feuchtwangers. Sie erhielt etliche Literaturpreise, Stipendien in Rom, Los Angeles und an der Drehbuchwerkstatt in München. Sie ist im PEN-Präsidium. Tanja Kinkel ist zudem Schirmherrin der Bundesstiftung Kinderhospiz. 1992 gründete sie die Kinderhilfsorganisation Brot und Bücher e.V. Sie lebt in München.

Mit Im Schatten der Königin schrieb Tanja Kinkel einen historischen Kriminalroman, Anlass für Kriminetz, der Schriftstellerin sieben Fragen zu stellen.

Kriminetz: Sie schreiben im Nachwort zu „Im Schatten der Königin“ von einer über zwanzigjährigen Beschäftigung mit Elisabeth I und ihrer Zeit. Was fasziniert Sie derart an der historischen Person Elisabeth?

Tanja Kinkel: Sie war eine Überlebenskünstlerin, der es mit fünfzehn gelang, in einer Krise, die sie das Leben hätte kosten können, nicht nur durch Geistesgegenwart und Willensstärke ihren eigenen Kopf zu retten, sondern auch die Köpfe ihrer Gouvernante und ihres Haushofmeisters, statt sich von ihnen loszusagen. Eine hochintelligente Frau, die sechs Sprachen beherrschte und noch mit siebzig unbotmäßigen Gesandten eine improvisierte lateinische Standpauke halten konnte. Eine Frau, die alle Vorurteile ihrer Zeit gegen sich hatte, nicht nur, weil sie in den Augen der meisten Europäer unehelich war – als Elisabeth auf den Thron kam, hatte John Knox gerade „Über das monströse Weiberregiment“ veröffentlicht, die einzigen anderen Frauen auf dem englischen Thron waren ihre glücklose Schwester Maria, die beliebt begonnen hatte und verhaßt gestorben war, und ihre Cousine Jane (für neun Tage) gewesen, und ein paar Jahrhunderte vorher Maude, die zwar einen jahrzehntelangen Krieg um ihr Thronrecht focht, aber nie gekrönt wurde. Keiner ihrer Zeitgenossen erwartete, daß eine Frau an der Macht Erfolg haben würde, und ganz gewiß erwartete niemand, daß sie nicht das tun würde, was die wenigen anderen Frauen vor ihr getan hatten – schleunigst zu heiraten. Elisabeth nahm etwas, das als Schwäche für eine Frau verstanden wurde, Ehelosigkeit, und machte daraus eine Waffe. So lange sowohl der englische Adel als auch die europäischen Mächte nämlich glaubten, daß sie irgendwann einen von ihnen erhören und England als Mitgift bringen würde, so lange waren sie mehr mit dem Wettbewerb untereinander statt mit Verschwörungen und Allianzen gegen sie beschäftigt. Dabei war sie natürlich auch kein makelloser Übermensch, sondern hatte wie jeder Schwächen und Fehler: ein heftiges Temperament (obwohl sie das im Zaum halten konnte, wenn sie mußte), Probleme damit, anderen Menschen zu vertrauen, und eine gute Portion persönlicher Eitelkeit. All das macht sie zu einer sehr komplexen Persönlichkeit, die mich fasziniert.

Kriminetz: Elisabeth lebte nicht gerade in einer ruhigen Zeit. Trotzdem hielt sie sich über vier Jahrzehnte an der Macht, was nicht zum Schaden ihres Landes war. Was könnten heutige Politiker von ihr übernehmen?

Tanja Kinkel: Nun, unter anderem war sie eine begnadete Rethorikerin; ihre Reden gelten immer noch als einige der besten, die je ein englisches Staatsoberhaupt gehalten hat. Aber gute Reden nützen heutigen Politikern langfristig nur dann etwas, wenn auch Taten folgen, und Taten folgen am ehesten, wenn man sich mit kompetenten Mitarbeitern umgibt. Elisabeth hatte ein Talent dafür, fähige Menschen zu erkennen und zu fördern, und zwar unabhängig davon, ob die Betreffenden aus dem alten Adel stammten. (Heute würde man dafür setzen müssen: aus dem alten Parteiadel.) Außerdem war das Schulwesen zu Tudorzeiten sehr gut – die Explosion großer Autoren, von denen Shakespeare nur der berühmteste, aber bei weitem nicht der einzige war, wäre nicht möglich gewesen, wenn es weiterhin nur Privatlehrer für reiche Familien gegeben hätte, statt öffentlicher Schulen, die nicht nur Lesen und Schreiben, sondern eben auch Sprachen, Mathematik und Geschichte vermittelten. Bildung an Öffentlichen Schulen fördern sollte den Politikern immer wichtig sein!

Kriminetz: Sie sind hauptsächlich als Verfasserin historischer Romane bei Ihren Lesern bekannt. Wie entstand die Idee, einen historischen Kriminalroman zu schreiben?

Tanja Kinkel: Aus zweierlei Impulsen: ich schätze Krimis sehr, und wollte immer schon einen schreiben. Außerdem hatte ich mich schon vor Jahren, seit der Lektüre von Susan Kays Roman „Legacy“ (deutsch: „Die Königin“, wobei die deutsche Fassung teils sinnentstellend gekürzt ist) damit abgefunden, keinen gesamtbiographischen Roman über Elisabeth zu schreiben, aber hin und wieder ging ich in Gedanken trotzdem die Möglichkeit durch, mir einen Einzelaspekt herauszugreifen. Nun gibt es schon früh in ihrer Regierungszeit einen jener Todesfälle, der bis zum heutigen Tag nicht geklärt ist, und über den Zeitgenossen und Historiker nur debattieren konnten und können: den Tod von Amy Robsart, Robert Dudleys erster Frau. Man kann ohne zu übertreiben sagen, daß sich in dem Nachspiel zu diesem Tod die Weichen für Elisabeths gesamtes weiteres Leben gestellt haben. Also kam mir der Einfall, den Tod von Amy als historisches Whodunit zu schreiben, mit Tom Blount, einem Vetter Robert Dudleys, der damals tatsächlich von diesem geschickt worden war, um herauszufinden, was eigentlich passiert war, als Ermittler.

Kriminetz: Sie reisen sehr gerne. Ist dies Ihr Kontrastprogramm zu den einsamen Stunden am Schreibtisch?

Tanja Kinkel: Oft ist es Vorbereitung dieser Stunden, da ich auf meinen Reisen in der Regel auch recherchiere. Aber es bereitet mir in jedem Fall einfach Freude, andere Länder und Menschen kennen zu lernen.

Kriminetz: Sie selbst waren gleich zu Beginn Ihrer schriftstellerischen Laufbahn sehr erfolgreich. Was würden Sie einem jungen Menschen, der als Berufswunsch Schriftsteller äußert, als Rat mit auf den Weg geben?

Tanja Kinkel: Schreiben kann man nur durch Schreiben lernen: Übung, Übung, Übung! Außerdem: man sollte sich so schnell wie möglich nach jemandem umschauen, der bereit ist, die Texte, ganz gleich, ob Lyrik, Kurzgeschichten oder Romane, mit konstruktiver Kritik zu lesen. Ob Anfänger oder Profi, wir Autoren werden immer unsere Lektoren brauchen.

Kriminetz: Kürzlich war in einer Pressemeldung zu lesen, die sehr erfolgreiche Reihe des verstorbenen Schriftstellers Stieg Larsson um Lisbeth Salander würde nun von einem anderen Autor weitergeführt. Könnten Sie sich vorstellen, dass jemand Ihre Bücher und Ihre Figuren fortschreibt?

Tanja Kinkel: Vorstellen schon. Wünschen, nein. Wobei ich unterscheide zwischen Fanfiction – die von enthusiastischen Lesern verfaßt wird, welche sich von der ursprünglichen Geschichte inspiriert fühlen, und von denen keine Umsetzung den Anspruch erhebt, die einzig wahre Fortsetzung zu sein – und „offiziellen“ Fortsetzungen, mit dem Segen des Inhabers der Rechte (Verlage oder die Hinterbliebenen des Autors), obwohl der Autor dergleichen oft gar nicht gewollt hat. Fanfiction ist ein Kompliment und ein Freizeitvergnügen, in das viel freiwillige Kreativität fließt. Offizielle Fortsetzungen nach dem Tod des Autors sind oft genug nur seelenlose Profitmacherei.

Kriminetz: Darf ich Sie bitten, unseren Lesern den Verein „Brot und Bücher e.V.“ vorzustellen?

Tanja Kinkel: Wir haben vor über zwanzig Jahren diesen Verein gegründet, mit dem ursprünglichen Ziel, Hilfe zur Selbsthilfe für Kinder in der Dritten Welt zu bieten. Inzwischen hat „Brot und Bücher“ auch innerhalb von Deutschland Projekte. In jedem Fall sind es Schulen, die wir unterstützen, oft genug auch erst mit aufbauen. Der Titel bezieht sich darauf, daß „Brot“, also Nahrung wichtig ist, damit die Kinder ihre Kindheit überhaupt überleben, während „Bücher“ für Erziehung und Bildung steht, damit sie später als Erwachsene in der Lage sein werden, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Dabei arbeiten wir nur mit Menschen, die wir persönlich kennen, und zu denen ein Vertrauensverhältnis besteht, und tragen selbst alle Verwaltungskosten, so daß alles Geld, was gespendet wird, auch im vollen Umfang dort ankommt, wo der Spender es wissen will. Unsere Website, bei der man sich über einzelne Projekte informieren kann: Brot und Bücher

Vielen Dank, Tanja Kinkel, für die Beantwortung der Fragen.

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