Sieben Fragen an Wolfgang Kaes

Das Foto zeigt Wolfgang Kaes. Foto: © C. Bertelsmann Verlag

Der Schriftsteller Wolfgang Kaes ist Chefreporter beim Bonner General-Anzeiger. Bisher sind von ihm sechs Thriller erschienen, allesamt akribisch recherchiert und mit Themen, die politisch hochbrisant sind. Die kriminalistische Ader scheint ihm zu liegen, er hat auch schon in der Realität einen Mord aufgeklärt. Aufgewachsen ist Wolfgang Kaes in Mayen, und genau dort galt eine Frau seit sechzehn Jahren als vermisst. Bis Wolfgang Kaes zu recherchieren begann.
Sein sechster Krimi, Das Gesetz der Gier, wurde im Rahmen der Stuttgarter Kriminächte mit dem EbnerStolzWirtschaftskrimipreis 2013 für den besten deutschsprachigen Wirtschaftskriminalroman ausgezeichnet. Der tragische Tod Hunderter Textilarbeiter dieser Tage in Bangladesh, wo für namhafte Labels aus aller Welt produziert wird, zeigt die Realität der im Roman geschilderten menschenverachtenden Produktionsbedingungen.

Für Kriminetz beantwortete Wolfgang Kaes sieben Fragen.

Kriminetz: In Ihrem Krimi „Das Gesetz der Gier“ beschreiben Sie, wie junge Männer in türkischen Kellerfabriken Jeans sandstrahlen und an dieser schlecht bezahlten Arbeit elend zugrunde gehen. Haben die Verbraucher überhaupt eine Chance, „faire“ Kleidung zu erwerben?

Wolfgang Kaes: Es ist extrem schwer. Wenn Sie bei einem Discounter eine Jeans für 9,90 Euro sehen, können Sie sicher sein, dass ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit dahinter steckt. Umgekehrt können Sie dies aber nicht automatisch ausschließen, nur weil Sie für ein Kleid oder einen Anzug 600 Euro bezahlen. Wenn Sie sich näher informieren möchten: Gute Informationen liefert SaubereKleidung.de

Kriminetz: Ihr Kriminalroman enthält eine Analyse unseres Gesellschafts- und Wirtschaftssystems. 85 Prozent der Führungselite Deutschlands entstammt dem Großbürgertum. Der Rest, der nicht dem Geldadel entstammt und in einem teuren Internat aufgewachsen ist und anschließend an ebenfalls teuren Elite-Universität studiert hat und bereits im Kindergarten seine Netzwerke knüpft, hält sich zunehmend trotz Leistung und hohem Einsatz mit Praktikas und zeitlich begrenzten Jobs über Wasser. Was ist mit dem Einwand, in Deutschland jammere man „auf hohem Niveau“?

Wolfgang Kaes: Das ist zynisch. Dann könnte ich auch ausgebeuteten Textilarbeitern in Bangladesch zurufen: Ihr jammert auf hohem Niveau, denn in Afrika verhungern die Menschen. Seit doch froh, dass ihr überhaupt Arbeit hat.

Kriminetz: Der Sohn des Firmengründers entwirft im Roman das Szenario eines Unternehmens, das sich trotz Globalisierungswahnsinns an seinen Wurzeln und an ethischen Werten orientiert. Wie überlebensfähig wäre so ein Unternehmen in der bundesrepublikanischen Realität?

Wolfgang Kaes: Ich kann es nicht beurteilen. Ich bin kein Wirtschaftsexperte, auch wenn ich mir im Lauf der Recherchen viel Wissen dazu aneignen musste. Ich hatte einfach Lust, am Ende eine Vision aufzuzeigen. So wie es ja auch (noch) rein fiktiv ist, dass sich die junge Generation der gut ausgebildeten Leiharbeiter, Zeitarbeiter und Dauerpraktikanten im Buch zur Wehr setzt. Ich bin allerdings davon überzeugt, dass sich das derzeitige Wirtschaftssystem früher oder später selbst zerstört.

Kriminetz: Das Gesetz der Gier ist gleich dem Gesetz der absoluten Unersättlichkeit. Jemand, der so tickt wie Dr. Nina Hellberg, ist mit 360 Millionen Euro doch nicht wirklich satt zu kriegen. Sucht sie sich im darwinistischen Überlebenskampf eine neue Herausforderung um sich zu beweisen und taucht in einem Ihrer nächsten Romane als eiskalte Strippenzieherin wieder auf?

Wolfgang Kaes: Nein. Aus dem einfachen Grund: Der nächste Roman, der im Herbst 2014 bei Rowohlt Polaris erscheinen wird, beschäftigt sich in fiktiver Form mit dem realen Vermisstenfall, den ich als Chefreporter des Bonner General-Anzeigers im Lauf des Jahres 2012 lösen helfen konnte. Denn da gibt es noch viel zu erzählen...

Kriminetz: Der Buchhalter Bernd Oschatz im Roman war lang der treue Diener seines Brotherrn. Ein ganzes Erwerbsleben lang hat er einfach nur funktioniert und ansonsten ein glanz- und glückfreies Dasein geführt. Aber Gutes tun wie Robin Hood ist doch nicht so einfach, wie er es sich vorstellt. Ist „Gutes“ tun in der Welt der Gier von vorneherein vom Scheitern gefährdet?

Wolfgang Kaes: Auf gar keinen Fall. Das wäre eine billige Ausrede. Wir alle können jeden Tag Gutes tun. Und dazu bedarf es keines Vermögens. Vieles kostet weder Zeit noch Geld: Kaufen Sie Ihre Bücher beim örtlichen Buchhändler statt im Internet. Bringen Sie einen Menschen zum Lächeln! Loben Sie Ihre Kinder! Zeigen Sie dem Kollegen Ihre Wertschätzung! Begegnen Sie anderen mit Respekt!

Kriminetz: Ein Zitat aus Ihrem Buch: „Wissen Sie, ich mache lieber mein eigenes, kleines Ding und versuche, in Frieden mit mir selbst und meinen Nachbarn zu leben. Ich habe nicht die Macht, eine bessere Welt zu schaffen. Aber die Möglichkeit, ein guter Mensch zu sein.“ Ist das ein Resümee?

Wolfgang Kaes: Nein. Und ja. Es ist die persönliche Lebenshaltung einer einzigen von vielen Figuren des Romans. Leser glauben gerne, Romane seien autobiografisch, und suchen nach Spuren, die den Charakter des Autors spiegeln. Mir geht es übrigens als Leser nicht anders.

Kriminetz: Sie sind Chefreporter beim Bonner General-Anzeiger. Als Journalist klären Sie auch schon mal reale Mordfälle auf. Sie hätten doch auch Kriminalbeamter werden können - was hat Sie davon abgehalten?

Wolfgang Kaes: Ich kann es nicht genau sagen. Tatsächlich wusste ich bis kurz vor dem Abi noch nicht, ob ich Journalist werden oder zur Kripo gehen sollte. Mein Onkel war Kripochef in der Kleinstadt, aus der ich stamme, mein Cousin war verdeckter Ermittler beim Landeskriminalamt, mein Großvater väterlicherseits wurde ermordet, als mein Vater noch ein kleiner Junge war. Die Täter wurden nie zur Rechenschaft gezogen. Das prägt eine Familie. Über Generationen.

Kriminetz: Vielen Dank, Wolfgang Kaes, für die Beantwortung der Fragen.

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