Fulminantes literarisches Wochenende in Heidelberg

Zeitgleich fanden im Juni 2018 in Heidelberg die Literaturtage und Stadtlesen auf dem Universitätsplatz sowie das Literaturcamp im Dezernat 16 statt. Foto: Valentin Bachem, CC-BY-SA 2.0

Das dritte Juni-Wochenende war in Heidelberg bestens gefüllt mit literarischen Veranstaltungen. Zeitgleich zu den Heidelberger Literaturtagen im Aufbruch, dem Literaturfestival der UNESCO City of Literature Heidelberg, fand auf dem Universitätsplatz Stadtlesen, das Lesefestival unter freiem Himmel, statt. Das Wetter war perfekt in die Veranstaltung integriert, so dass die Liegestühle und Sitzsäcke auch wirklich von den Lesenden eingenommen werden konnten. Im Dezernat 16, der Alten Feuerwache in Heidelberg, trafen sich bereits zum dritten Mal ungefähr 200 Literaturbegeisterte zum Literaturcamp Heidelberg. Dies wurde initiiert von Susanne Kasper, Nils Pawlik, Nathan Mattes und Dirk Welz.

Da das Literaturcamp und die Literaturtage erstmals kooperierten, fand der Literarische Spaziergang mit Claudia Schmid für Frühanreisende des Barcamps unmittelbar vor der Eröffnung der Literaturtage statt und war für alle Gäste offen. Bei diesem Vorabspaziergang gab es Einblicke in die lebendige Heidelberger Literaturszene. An die ausverkaufte Eröffnung im Historischen Spiegelzelt durch Andrea Edel, Leiterin des Kultursamts der UNESCO City of Literature Heidelberg, schloss sich eine Lesung des österreichischen Krimi-Autors Heinrich Steinfest aus seinen Roman „Die Büglerin“ an, wonach der australische Poet Nathan Curnow & der Performer Geoffrey Williams, ebenfalls aus Australien, einen poetischen Live-Vortrag zum Besten gaben. Der Reigen zahlreicher Veranstaltungen war eröffnet!

Am Samstag Morgen wurde das Heidelberger Literaturcamp im vollbesetzten Dezernat 16 mit der Vorstellung aller Teilnehmenden und der Erstellung des Session-Plans eröffnet. Eine der zahlreichen interessanten Sessions wurde von dem bekannten Thriller-Autor Martin Krist gestaltet, der an seine Ausführungen vom letzten Jahr anschloss und von seinen Erfahrungen nach einer Karriere als Verlagsautor als Selfpublisher berichtete. Krimiautorin Melanie Lahmer führte die physischen Herausforderungen des schriftstellerischen Berufes auf. Mittlerweile ist das Literaturcamp auch eine Art „Freundetreffen“. Neue Freundschaften werden geschlossen, bestehende aufgefrischt. Die Bandbreite der angebotenen Sessions war enorm. Die meisten jedoch hatten mit Literatur zu tun. Eines war allen gemeinsam: sie waren anregend und motivierend. Vor allem tat es gut zu spüren, dass man mit seiner Literaturbegeisterung nicht alleine ist, sondern dass wir viele sind. Das trägt und wird hinüber genommen in den Alltag am Schreibtisch, der bei Schreibenden manchmal auch einsam sein kann. Aber zum Glück ist nach dem Literaturcamp 18 VOR dem Literaturcamp 19!

Am Sonntag Nachmittag war im historischen Spiegelzelt bei den Literaturtagen mit Ngũgĩ wa Thiong’o einer der bedeutendsten Schriftsteller Ostafrikas zu Gast. Sein auf Deutsch erschienener Essayband „Dekolonisierung des Denkens“ wurde von Manfred Loimeier, Privatdozent für Afrikanistik an der Universität Heidelberg, in Passagen vorgestellt. Ngũgĩ wa Thiong’o verbrachte das gesamte Jahr 1978 wegen eines von ihm verfassten Theaterstückes im Gefängnis. Dort bekam er das Mittagessen immer um die Zeit, zu der am Sonntag seine Lesung begann. Der in USA lehrende Professor der vergleichenden Literaturwissenschaft trug ein Gedicht auf Kikuyu vor, seiner Muttersprache. Währenddessen versuchte ich mit geschlossenen Augen, mir das Licht, die Farben und die Geräusche eines Landes vorzustellen, in dem ich noch nie gewesen bin. Europa profitiert noch immer von Afrika. Afrika mit seinen reichen Bodenschätzen ist der Geberkontinent.

Der Montag bescherte dem Lesefestival einen Gastauftritt von Nora Gomringer & Philipp Scholz mit ihrem Programm PENG PENG PENG. Während die Tochter des Dichters Eugen Gomringer ein wortgewaltiges Feuerwerk entfaltete, begleite Philipp Scholz sie musikalisch. Die Intonierungskunst Nora Gomringers ist genialisch und der Abend verging viel zu schnell.

Im Rahmenprogramm des Literaturfestivals waren neben anderen auch das Dichterkollektiv KAMINA und Echolot (Junge Literatur aus Heidelberg) vertreten.

Allen Beteiligten ist ein kurzweiliges, spannendes und inspirierendes literarisches Wochenende mit tragenden Synergieeffekten für die drei parallel stattfindenden Veranstaltungen geglückt.

Bühnenprobe zu MATILDA, IHRE MACKEN UND ICH, interaktives Theaterstück von Ingeborg von Zadow mit Musik von Silke Schwarz mit dem Ensemble KinderMusikTheater Heidelberg. Foto: Claudia Schmid, Kriminetz
Claudia Schmid beim Literarischen Spaziergang mit ihren Gästen an der Luther-Plakette. Foto: Valentin Bachem, CC-BY-SA 2.0
Unmittelbar im Anschluss an die Eröffnungsveranstaltung der Heidelberger Literaturtage las der österreichische Krimi-Autor Heinrich Steinfest aus seinem Roman "Die Büglerin". Foto: Claudia Schmid, Kriminetz
Am 15. Juni 2018 wurde schon zum dritten Mal ein Literaturcamp im Dezernat 16 eröffnet. Hier das aktuelle Organisationsteam bei der Begrüßung. Foto: Claudia Schmid, Kriminetz
Moderatorin Claudia Kramatschek stellt Ngũgĩ wa Thiong’o & Manfred Loimeier vor. Foto: Claudia Schmid, Kriminetz
PENG PENG PENG Nora Gomringer & Philipp Scholz. Foto: Claudia Schmid, Kriminetz
Nach dem Literaturcamp 2018 ist vor dem Literaturcamp 2019! Foto: Claudia Schmid, Kriminetz